Bundesinstitut warnt vor Fälschungen |
09.10.2007 17:23 Uhr |
Bundesinstitut warnt vor Fälschungen
Von Daniel Rücker
Sie sollen schlank, schön und potent machen. Wer sie nimmt, kann oft darüber froh sein, wenn sie gar keine Wirkung haben. Im Internet bestellte Lifestyle-Präparate halten und enthalten selten, was sie versprechen. Das gilt auch für drei Potenzmittel aus China, die den deutschen Behörden Sorgen bereiten. Das BKA bringt deshalb sogar ein Verbot des Internet-Versandhandels in die Diskussion.
Das Internet bleibt das größte Einfallstor für Arzneimittelfälschungen. Seit geraumer Zeit warnen deshalb Apotheker, Wissenschaftler und Behörden davor, über windige Internetapotheken Medikamente zu bestellen. Wenn sich hinter der Website keine legale deutsche Apotheke verbirgt, droht Gefahr. Die Bundesregierung empfiehlt deshalb, nur bei solchen Anbietern zu bestellen, die eindeutig zu identifizieren sind und über eine Versandhandelserlaubnis verfügen.
Doch längst nicht jeder Konsument oder Patient befolgt den Rat. Vor allem, wenn es um peinliche Erkrankungen geht, suchen viele Patienten die Anonymität, auch weil sich so oft der Gang zum Arzt ebenfalls vermeiden lässt. Wie eine Untersuchung des Zentrallaboratorium der deutschen Apotheker (ZL) aus dem vergangenen Jahr zeigt, legen viele Internetversender keinen Wert auf ein Rezept. Von 24 Versendern lieferten 12 Propecia auch ohne ärztliche Verordnung. Sieben weitere nahmen die Bestellung an, lieferten aber nicht aus. Zwei Drittel der Lieferungen waren Fälschungen.
Die unter dem Begriff »Lifestyle-Präparate« subsumierten Medikamente gehören zu den am häufigsten gefälschten Präparaten. Da sie vom Patienten selbst bezahlt werden müssen, lockt ein günstiger Preis. Auch aktuell sorgt ein Potenzmittel für Schlagzeilen. Sogar ein pflanzliches, verspricht der Händler. Es handelt sich nach seinen Angaben nicht einmal um ein Arznei-, sondern um ein Nahrungsergänzungsmittel. Völlig ungefährlich, wird dem Verbraucher suggeriert.
Chemischer Wirkstoff
Doch der Hersteller traut der Potenz der Pflanzen offensichtlich weniger als die gutgläubigen Käufer. Wie die belgischen Überwachungsbehörden feststellten, enthalten die unter dem Namen »Libido Forte« und »Libido Extention« vermarkteten Phytos Hydroxyhomosildenafil und Methisosildenafil. Für die Wirkung ist das womöglich gar nicht so schlecht, für die Gesundheit schon eher.
Denn die beiden Sildenafilabkömmlinge sind in Deutschland nicht zugelassen. Wirkungen und Nebenwirkungen seien nicht getestet, warnt das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Bonn und rät dringend von Kauf und Einnahme ab.Das BfArM warnt außerdem vor dem Potenzmittel »Scilla Oral Jelly«. Dieses enthält Sildenafil, ist aber nicht in Deutschland zugelassen und deshalb nicht verkehrsfähig.
BfArM-Chef Professor Dr. Reinhard Kurth nutzte die Gelegenheit, allgemein davor zu warnen, »Präparate oder Arzneimittel nicht aus unsicheren Quellen über das Internet zu erwerben«. Diese treffe besonders für rezeptpflichtige Arzneimittel zu, da sie wegen der mit ihrer Anwendung verbundenen besonderen Risiken der Verordnung und Kontrolle durch den Arzt bedürfen. »Das Risiko, über eine solche unseriöse Quelle Produkte von mangelhafter Qualität oder gefälschte Produkte zu erwerben, ist hoch«, so Kurth weiter. »Diese Produkte können auch Inhaltsstoffe oder Verunreinigungen enthalten, die nicht gekennzeichnet sind, sodass Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln oder unerwartete Nebenwirkungen auftreten können.« Patienten seien in der Regel nicht in der Lage, die chemischen Zusätze oder geschickte Fälschungen zu erkennen.
Der Zoll bestätigt den Anstieg von Arzneimittelfälschungen, die nach Deutschland geschmuggelt werden. Am Frankfurter Flughafen haben die Beamten in den ersten neun Monaten dieses Jahres rekordverdächtige 2000 Fälle aufgedeckt, teilte am vergangenen Donnerstag eine Sprecherin des Hauptzollamtes Flughafen mit. Im gleichen Zeitraum des Vorjahres seien nur 654 Sendungen aufgegriffen worden. Spitzenreiter sind wie zu erwarten weiterhin gefälschte Potenzpillen und in Europa nicht zugelassene Schlankheitsmittel.
Strafbar machen sich nicht nur die gewerblichen Hehler, auch Privatpersonen geraten ins Visier der Fahnder. Nach dem deutschen Arzneimittelgesetz dürfen Privatpersonen im Internet bestellte Medikamente nur in geringen Mengen einführen, erläuterte der Zoll. Aus Nicht-EU-Ländern ist der Bezug über das Internet generell verboten. Ausnahmen gibt es im privaten Reiseverkehr. Meistens stellt die illegale Einfuhr von Medikamenten eine Ordnungswidrigkeit dar. Kriminell wird es nach Auskunft der Zöllner bei größeren Mengen und wenn der Empfänger mit den Präparaten handeln will. Die Kontrollen stießen häufig auf Unverständnis bei den Empfängern, dienten aber letztlich dem Schutz der Gesundheit, sagte die Zollsprecherin.
Nach Einschätzung von Professor Dr. Harald G. Schweim von der Universität Bonn könnte nur ein Verbot des Versandhandels mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln den Verbraucher vor Fälschungen schützen. Denn Verbraucher können nicht nur echte und gefälschte Arzneimittel nicht voneinander unterscheiden, sie erkennen auch nicht den Unterschied zwischen seriösen und unseriösen Versandapotheken, sagte Schweim bei einer Podiumsdiskussion zu gefälschten Dopingmitteln während der Expopharm in Düsseldorf. Appelle, nur bei seriösen Versandapotheken zu bestellten, helfen dem Patienten deshalb kaum. Vor einiger Zeit hatte Schweim eine fingierte Website für eine Versandapotheke gebastelt. Die meisten Besucher hätten nicht erkannt, dass es sich um keine echte Apotheke handele.
BKA denkt über Versandverbot nach
Eine Studie des Bundeskriminalamtes (BKA) bestätigt Schweim. Der Bürger habe »kaum eine Möglichkeit festzustellen, ob er sich tatsächlich an einen legalen Anbieter wendet«. Auch das BKA fordert, die Notwendigkeit des Handels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln via Internet zu hinterfragen. Deutschland sei das einzige Land in der Europäischen Union, in dem der Arzneimittelhandel übers Internet erlaubt ist. Aus Sicht der Apotheker geht dies in die richtige Richtung: »Wir begrüßen diese Initiative des Bundeskriminalamts«, sagt ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf.
In der Politik ist ein neuerliches Verbot des Versandhandels trotz der Vielzahl guter Argumente umstritten. Zwar wäre dies zumindest für rezeptpflichtige Arzneimittel mit EU-Recht zu vereinbaren. Das Bundesgesundheitsministerium steht diesem Vorhaben im Gegensatz zu einigen Landesgesundheitsministerien jedoch skeptisch gegenüber. In einem Grußwort zum Deutschen Apothekertag hatte sich Staatssekretär Klaus Theo Schröder gegen ein Verbot ausgesprochen. Die Arzneimittelfälscher werden es ihm danken.