Pharmazeutische Zeitung online
Stada

Wachstumstreiber Patentabläufe

25.09.2012  17:45 Uhr

Von Daniel Rücker und Ev Tebroke, Bad Vilbel / Stada zählt weltweit zu den größten Herstellern von Nachahmerprodukten. Im Gespräch mit der Pharmazeutischen Zeitung sprach Dr. Axel Müller, Vorstand Produktion und Entwicklung bei Stada, über die Kernstrategie des Unternehmens, Rabattverträge und das besondere Verhältnis des Konzerns zu den Apothekern.

PZ: Stada war ursprünglich eine Apothekergenossenschaft. Wie eng ist heute noch die Verbindung zu den Apothekern?

 

Müller: Sehr eng. Sicher enger als bei anderen Pharmaunternehmen in Deutschland. Das beginnt bereits bei unserer Aktionärsstruktur. Etwa 13 Prozent der Anteile werden von Apothekern und Ärzten gehalten. Außerdem haben wir Apotheker im Aufsichtsrat und im Beirat. Und natürlich setzen wir uns durch unsere Nähe zu den Apothekern auch für deren Belange ein. Nicht selten sind wir bei strittigen politischen Themen deren Rückhalt in der Pharmaindustrie.

 

PZ: Haben Sie dafür ein Beispiel?

Müller: Ja, mehrere. Wir haben uns lange juristisch dagegen gewehrt, dass ausländische Versandapotheken unsere Produkte vertreiben, das war ein ganz eindeutiges Bekenntnis für die deutschen Apotheker. Bei den Rabattverträgen haben wir uns zusammen mit den Apothekern dafür starkgemacht, dass für ein Los grundsätzlich mehrere Lieferanten den Zuschlag erhalten sollten. Und auch beim ABDA-KBV-Modell unterstützen wir die Position der Apotheker.

 

PZ: Nehmen Apotheker Einfluss auf Produktentwicklungen von Stada?

 

Müller: Ja. In der Tat gibt es Produkte, die wir entwickelt haben, weil Apotheker – auch aus unserem Aufsichtsrat oder Beirat – dies angeregt haben.

 

PZ: Mit welchem Erfolg?

 

Müller: In der Regel laufen solche Produkte gut. Etwa unser MAR® plus, das aus solch einer Anregung entstanden ist.

 

PZ: So viel zu den Apothekern. Wir möchten mit Ihnen natürlich auch über die Kernstrategie der Stada sprechen. Auf Ihrer Website sprechen Sie von einer intensiven Akquisitionspolitik. Was steckt genau dahinter?

 

Müller: Wir wollen unser organisches Wachstum mit Zukäufen ergänzen, dort wo dies uns sinnvoll erscheint. Hier legen wir den Schwerpunkt derzeit auf Markenprodukte. So haben wir zuletzt eine Reihe von Grünenthal-Produkten für Ost-Europa übernommen, wir haben Mobilat akquiriert und Eunova. Wir verfolgen dabei das Ziel, möglichst schnell zu wachsen und gleichzeitig das Geschäft mit den margenstabileren Markenprodukten auszubauen. Beim organischen Wachstum setzen wir sehr stark auf Osteuropa, hier vor allem Russland, und asiatische Schwellenländer. Das gilt insbesondere für Vietnam. Lateinamerika will ich mittelfristig nicht ausschließen. Aber auch in Deutschland haben wir 2012 ein Wachstum generiert.

 

PZ: Wo sehen Sie in Deutschland noch Wachstumspotenzial?

 

Müller: Ausgereizt ist der deutsche Markt noch nicht. Wir verdienen hier immer noch Geld, auch mit Generika. Den Wachstumstreiber Patentabläufe darf man nicht unterschätzen. Natürlich ist es so, dass es wegen der Rabattverträge einfacher ist, den Absatz zu erhöhen als den Ertrag.

 

PZ: Welchen Anteil hat das Geschäft in Deutschland am Stada-Gesamt­umsatz?

 

Müller: Im ersten Halbjahr 2012 hatten wir einen Konzernumsatz von 885,2 Millionen Euro. Davon entfielen 233,2 Millionen Euro auf Deutschland.

PZ: Die anstehende AMG-Novelle verbietet Rabattverträge für Altoriginale, deren Patent ausgelaufen ist. Was bedeutet das für die Generikahersteller?

 

Müller: Das schützt uns zumindest vor Missbrauch. Es verhindert, dass Generikahersteller weiterhin durch Vereinbarungen zwischen Kassen und Originalherstellern ausgebremst werden. Wir sind froh, dass es so gekommen ist. Tatsächlich ist es aber eine Selbstverständlichkeit, wenn Generika in Deutschland wirklich faire Rahmenbedingungen haben sollen. Sinnvollerweise sollte es nach dem Auslauf eines Originals eine Karenzzeit von zwei Jahren geben, in dem es keinen Rabattvertrag für den Wirkstoff geben darf, damit sich ein Marktpreis für das Arzneimittel ausbilden kann. Das ist bislang aber nicht geschehen. Insofern ist die Regelung in der AMG-Novelle ein erster Schritt, aber noch kein ausreichender.

 

PZ: Welche Strategie verfolgen Sie generell bei Rabattverträgen?

 

Müller: Erstens: Wir geben nur Gebote ab, mit denen wir Geld verdienen können. Zweitens: Wir haben für jeden Vertrag eigene Strategien, die von den für Rabattverträge zuständigen Abteilungen der einzelnen Vertriebsgesellschaften jeweils ganz spezifisch entwickelt werden.

 

PZ: Kann man unter den Bedingungen von Rabattverträgen noch Generika komplett in Deutschland produzieren?

 

Müller: Nein, ganz sicher nicht. Da wären die Kosten deutlich zu hoch. Wir stellen zunehmend Produkte in unseren Werken in Osteuropa und Asien her. Zum Teil arbeiten wir auch mit Lohnherstellern zusammen.

 

PZ: Können die Rabattverträge auf Dauer funktionieren oder ist das System irgendwann ausgereizt?

 

Müller: Ich denke, das Prinzip ist endlich. Selbst Gesundheitspolitiker gehen davon aus, dass Rabattverträge irgendwann abgelöst werden müssen. Das Preisdiktat der Krankenkassen setzt den Generikamarkt massiv unter Druck. Das führt zu einer erheblich Konzentration im Markt, weil viele Hersteller nicht mithalten können. Ich bin sicher nicht der Fürsprecher kleiner Generikaunternehmen, aber die Marktkonzentration nimmt immer weiter zu. Das ist sicher nicht wünschenswert.

 

Der enorme Preisdruck führt auch dazu, dass im deutschen Markt der Anteil der Generika von deutschen Herstellern immer weiter zurückgeht. Ich frage mich, ob dies für das Gesamtsystem langfristig strategisch sinnvoll ist. Die Generikaindustrie ereilt dieselbe Entwicklung wie die forschenden deutschen Pharmahersteller vor 20 Jahren. Die deutsche Gesundheitspolitik lässt den hiesigen Herstellern in ihrem Heimatmarkt keine Luft mehr zum Atmen und schädigt so eine erfolgreiche Branche nachhaltig.

 

PZ: Welche Rolle spielen Biosimilars in Ihrer Strategie?

 

Müller: Biosimilars sind für uns grundsätzlich interessant. Wir haben ein Epo-Produkt komplett entwickelt und bis zur Zulassung gebracht. Für zukünftige Projekte haben wir unsere Strategie den sich ändernden Markterfordernissen angepasst und werden selbst keine Biosimilars mehr von Grund auf entwickeln. Mit bis zu 100 Millionen Euro sind die Entwicklungskosten dafür einfach zu hoch. Zudem mussten wir feststellen, dass die Marktpenetration von Biosimilars langsamer verläuft als ursprünglich gedacht und die Preiserosion beachtlich ist. Wenn wir aber ein Produkt in Lizenz übernehmen können, dann werden wir dies gerne tun. Es gibt mehr als 200 Unternehmen weltweit, die Biosimilars entwickeln, aber gerade in Europa in vielen Fällen kein ausreichendes Know-how für die Zulassung und keine adäquate Vertriebsstruktur haben. Beides können wir sehr gut. Wir haben mit Rituximab bereits eine solche Lizenz übernommen und für Trastuzumab haben wir eine Option. Aus meiner Sicht wird das nicht das Ende sein. Es gibt noch eine Reihe von Interessenten, die mit uns zusammenarbeiten wollen.

 

PZ: Können Biosimilars eine relevante Größe für den Konzernumsatz werden?

 

Müller: Ich gehe davon aus, dass Biosimilars 2020 einen signifikanten Anteil am Stada-Umsatz haben werden. Voraussetzung ist, dass die Produkte die Marktreife erreichen und die Rahmenbedingungen so ausgerichtet sein werden, dass der große finanzielle Aufwand, auch für Einlizenzierungen, berücksichtigt wird. Zumindest für Biosimilars sollte deshalb eine zweijährige Phase der Preisfindung ohne Rabattverträge eingeführt werden.

 

PZ: Es kommt immer wieder mal vor, dass Stada-Artikel in Drogeriemärkten auftauchen. Was halten Sie davon?

 

Müller: Überhaupt nichts. Alle Stada-Produkte sind apothekenexklusiv oder apothekenpflichtig. Nach meiner Einschätzung wählen wir unsere Geschäftspartner auch so aus, dass unsere Produkte sehr selten in anderen Vertriebskanälen als in der Apotheke angeboten werden. Völlig verhindern, können wir dies allerdings juristisch nicht. Aber ganz klar: Wir wollen das nicht, weil wir zu unserem Partner Apotheke stehen und es der Marke nicht dient, wenn sie an falscher Stelle erscheint. Unsere Partnerschaft mit den Apothekerinnen und Apothekern ist ja nicht zufällig. Seit über einem Jahrhundert baut Stada auf deren Expertise. /

Patentablauf umsatzstarker Medikamente

Nach Angaben des Beratungsunternehmens Accenture werden bis 2015 mehr als 50 Blockbuster der Pharma­branche, also Arzneimittel mit einem Umsatz mehr als 1 Milliarde Dollar jährlich, ihren Exklusivitätsstatus verlieren. Insgesamt seien Präparate im Wert von 130 Milliarden US-Dollar von auslaufendem Patentschutz betroffen.

 

Der bekannteste Verkaufsschlager ist Sortis® beziehungsweise Lipitor® von Pfizer, dessen US-Patent im November 2011 ablief (Deutschland Mai 2012). Der Cholesterinsenker mit dem Wirkstoff Atorvastatin galt jahrelang weltweit als das umsatzstärkste Arzneimittel.

 

Auch das zweitumsatzstärkste Medikament der Welt, der Blutgerinnungshemmer Plavix® von Sanofi-Aventis und Brystol Myers Squibb hat im Mai dieses Jahres sein US-Patent verloren. Seroquel® von Astra-Zeneca, ein Medikament gegen Schizophrenie und nach Umsatz drittstärkstes Arzneimittel in Deutschland, verliert ebenfalls seinen Exklusiv-Status. Des Weiteren sind nun beispielsweise auch der Blutdrucksenker Diovan® des Schweizer Unternehmens Novartis und Singulair®, ein Arzneimittel gegen Asthma vom US-Pharmakonzern Merck, ohne Patentschutz.

 

Die Konsequenzen für die Pharmahersteller sind enorm. Nach Angaben von Merck waren die Verschreibungen innerhalb von vier Wochen nach Patent­ablauf um 90 Prozent zurückgegangen. Laut Unternehmensangaben sei der starke Rückgang auf die Einführung von günstigen Generika-Produkten zurückzuführen.

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