Biosimilars versus Biologika |
24.05.2016 09:33 Uhr |
Von Thomas Glöckner / Der Markt für Nachahmerprodukte biologisch hergestellter Arzneimittel wächst rasant. Sie können die Versorgung Kranker verbessern und Gesundheitssysteme finanziell entlasten. Biologika-Hersteller wehren sich aber gegen den Verlust von Marktanteilen durch die Biosmiliars.
Am Ende riss Christopher Hansung Ko der Geduldsfaden. Der Chef von Samsung Bioepis drängt mit einer Biosimilar-Version des Rheumamittels Adalimumab (Humira®) auf den europäischen Markt, wo dessen Patentschutz im Herbst 2018 ausläuft. Der amerikanische Hersteller Abbvie aber versucht, mit nachgeschobenen Patenten den Konkurrenten aus Fernost auszubremsen. Ende März verklagte Samsung Bioepis den US-Konzern vor einem Gericht in Großbritannien. Abbvie zeigt sich entschlossen, »unser geistiges Eigentum zu verteidigen«.
Blockbuster Humira
Nicht gleich, aber mit dem gleichen Zweck: Biosimilars sind keine identischen Kopien des Originals. Sie ähneln diesen nur, haben aber dieselbe Wirkung.
Foto: iStock/ Cristian Baitg
Es geht um viel Geld. Abbvie verteidigt sein wichtigstes Medikament. Mit 14 Milliarden Dollar (rund 12,5 Milliarden Euro) erlöste Humira 2015 rund 61 Prozent des Konzernumsatzes (22,8 Milliarden Dollar, rund 20,4 Milliarden Euro). Solche Summen wecken bei Herstellern von Biosimilars Begehrlichkeiten. Sie wollen – wie das Gemeinschaftsunternehmen von Samsung und Biogen – ein Stück vom Kuchen. Zwar können sie die originalen Biomedikamente nicht exakt kopieren: Anders als herkömmliche Generika, die chemisch produzierte Arzneimittel genau nachbilden, sind Biosimilars ihren Referenzpräparaten nur ähnlich. Das liegt daran, dass sie aus lebenden pflanzlichen oder tierischen Zellen gewonnen werden – wie im Fall von Etanercept (Enbrel®) aus den Eierstockzellen des Chinesischen Streifenhamsters. Da ihre Entwicklung wesentlich aufwendiger und kostspieliger als die von Generika ist, kommen Biosimilars mit einem deutlich geringeren Sparpotenzial auf den Markt. Allerdings sind die Originalpräparate teilweise derart teuer, dass sich deren Ersatz für das Gesundheitswesen rechnet.
Nach dem aktuellen Arzneiverordnungsreport (AVR) schlugen allein die Kosten für Immunsuppressiva 2014 im Bereich der Gesetzlichen Krankenversicherung mit 3,2 Milliarden Euro zu Buche – ein Anstieg gegenüber dem Vorjahr um mehr als ein Viertel. Dieser Kostenschub basierte vor allem auf der häufigeren Verordnung von Humira, Enbrel, Infliximab (Remicade®) und Simponi®, die besonders für die Behandlung der rheumatoiden Arthritis eingesetzt werden. »Sie sind hervorragend wirksam, aber auch zu teuer, wenn wir die Preise in anderen europäischen Ländern vergleichen«, kritisiert Ulrich Schwabe, AVR-Herausgeber und emeritierter Professor am pharmakologischen Institut der Universität Heidelberg.
Hohes Einsparpotenzial
Von Biosimilars erhoffen sich Gesundheitspolitiker wie Krankenkassen respektable Einsparungen. »Wie bei Generika wird der Wettbewerb dazu beitragen, dass die Arzneimittelkosten der Biologika sinken werden«, erwartet Schwabe. Das Analystenhaus Citi Research rechnet damit, dass Hersteller von biopharmazeutischen Originalpräparaten bis 2025 mehr als 360 Milliarden Dollar (rund 321 Milliarden Euro) einbüßen. Erlöse von mehr als 110 Milliarden Dollar (rund 98 Milliarden Euro) landen danach in den Kassen von Biosimilar-Anbietern. Ab 2020 erwartet auch Marktforscher IMS Health beinharten Wettbewerb zwischen den Herstellern von Biosimilars und Anbietern von Originalen, die heute noch jährlich rund 50 Milliarden Dollar (rund 45 Milliarden Euro) damit umsetzen. Nach Einschätzung von Analysten wird der Anteil der Biosimilars am weltweiten Biologika-Markt 2020 zwischen 4 und 10 Prozent betragen. Dies entspräche einem Marktwert von 5 bis 19 Milliarden US-Dollar (rund 4,5 bis 17 Milliarden Euro).
Einbußen der Biologika-Hersteller stehen mögliche Einsparungen der Kostenträger gegenüber. Allein die Gesundheitssysteme der USA und der fünf größten EU-Märkte könnten laut IMS Health in den nächsten fünf Jahren zwischen 50 und 100 Milliarden Euro sparen, wenn ihre Ärzte Biosimilars statt der Originalpräparate verordneten.
Zu den attackierten Arzneimitteln zählen neben dem Rheumamittel Humira auch Remicade, Enbrel und Rituximab (Mabthera®). »Diese robuste Pipeline bietet Kostenträgern die Möglichkeit für Einsparungen«, analysiert IMS Health. »Ärzte und Patienten bekommen die Chance auf besseren Zugang zu wichtigen Behandlungen.«
Problemloser Einsatz
So betont beispielsweise Hersteller Mundipharma, dass das Biosimilar Remsima® im Vergleich zum Referenzprodukt »deutlich wirtschaftlicher« sei. Der erste Nachahmer von Remicade ist seit 2015 auf dem Markt und weltweit in mehr als 50 Ländern zugelassen. Pro Patient und Jahr könnten bei ankylosierender Spondylitis (Morbus Bechterew) bis zu 5480 Euro gespart werden, bei Morbus Chrohn und Colitis ulcerosa bis zu 4800 Euro, bei rheumatoider Arthritis immerhin noch bis 3600 Euro, rechnet Mundipharma vor.
Das mittelständische Pharmaunternehmen aus Limburg/Lahn setzt darauf, dass immer mehr Ärzte der Position des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) für die Verordnung von Biosimilars folgen. Die Zulassungsbehörde für biotechnologisch hergestellte Arzneimittel in Deutschland hatte 2015 festgestellt, dass zugelassene Biosimilars grundsätzlich wie die Referenzarzneimittel eingesetzt werden können, wenn ihre Äquivalenz erwiesen ist. Das gilt laut PEI sowohl für die Behandlung von Patienten, die noch keine Therapie mit Biologika erhalten haben als auch für diejenigen Patienten, die vorher mit einem Original behandelt wurden.
Deutschlands zweitgrößter Pharmakonzern Boehringer-Ingelheim betont, dass sein Biosimilar-Kandidat zu Adalimumab, den er derzeit an mehreren hundert Patienten mit mittelschwerer bis schwerer rheumatoider Arthritis in einer Phase-III-Studie testet, »zur wirtschaftlichen Nachhaltigkeit der Gesundheitssysteme beitragen« soll. Auch der Darmstädter Chemie- und Pharmakonzern Merck testet seit Jahresbeginn einen Biosimilar-Kandidaten für Adalimumab in Phase III und erwartet, dass »die Einführung von Biosimilars für Adalimumab zu einer deutlichen Senkung der Kosten weltweit führen«.
Zuvor müssen die Hersteller aber einige Hürden überwinden. Nach einer Übersicht des Branchenverbandes Pro Generika sind 2015 von rund 666 Millionen biosimilarfähigen Tagestherapiedosen lediglich 9,3 Millionen tatsächlich verordnet worden – ein Anteil von mageren 1,4 Prozent. Das liegt nicht zuletzt an Rabattverträgen zwischen Biologika-Herstellern und Krankenkassen. Da bei Biologika die Aut-idem-Regelung nur für Produkte aus derselben Produktionsanlage gilt (Bioidenticals), ist der Austausch gegen ein Biosimilar beim Apotheker nicht möglich. Außerdem wirken Rabattverträge, deren Laufzeit über den Patentschutz hinausgehen, als dessen künstliche Verlängerung. »Rabattverträge, die vor Patentablauf vom Originator-Hersteller geschlossen wurden, bremsen den Wettbewerb in den betroffenen Teilmärkten aus«, kritisiert Mundipharma-Sprecherin Felicitas Speranza.
Zu den Unternehmen, die die Konkurrenz durch Nachahmer bereits spüren, gehört der US-amerikanische Pharmazie- und Konsumgüterkonzern Johnson & Johnson. 2015 knickte der Umsatz von Remicade um 4,5 Prozent auf 6,6 Milliarden Dollar (rund 5,9 Milliarden Euro) ein. Außer dem schwächeren Euro spielte dabei, wie das Unternehmen einräumt, »der Wettbewerb durch Biosimilars in Europa« eine entscheidende Rolle.
Mehr Wettbewerb
Die Entwicklung von Biosimilars ist kostpieliger als die von Generika. Das Sparpotenzial am Markt ist daher nicht so hoch wie bei den chemischen Nachahmern.
Foto: Boehringer Ingelheim
Auch der US-Konzern Pfizer kommt zunehmend unter Druck. Seit dem Patentablauf 2015 in Europa hat Pfizer mit seinem einstigen Kassenschlager Enbrel nur noch 3,3 Milliarden Dollar umgesetzt (knapp 3 Milliarden Euro) – ein Minus von 13 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Seit Anfang des Jahres hat der Konzern ähnlich wie Abbvie auf dem europäischen Markt mit Samsung Bioepis zu kämpfen. Die Koreaner erhielten Anfang des Jahres die Zulassung für ihr Biosimilar Benepali®.
Wie aggressiv Bioepis agiert, zeigt das Beispiel Norwegen. Unmittelbar nach Zulassung drückte das Unternehmen im Februar sein Biosimilar mit einem 47-prozentigen Abschlag auf den Enbrel-Preis in den Markt. Pfizer musste nachziehen.
Es dürfte nicht die letzte Schlacht gewesen sein, die der US-Konzern für Enbrel in Europa führen muss. Auch Sandoz, die Generikasparte des Schweizer Pharmariesen Novartis, hat im Dezember bei der Europäischen Arzneimittelagentur die Zulassung für ein Etanercept-Biosimilar beantragt. /