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Diagnostik

Schweißdrüsen als Indikator für Diabetesrisiko

28.09.2010  17:11 Uhr

Von Peter Schwarz und Peter Röttger / Diabetes wird häufig spät diagnostiziert und zum Teil erst an Folgeschäden erkannt. Besonders wichtig ist daher die Suche nach einfachen, nicht invasiven Methoden, um Personen mit einem Erkrankungsrisiko frühzeitig zu identifizieren. Eine mögliche neue Option stellt der EZScan dar.

In Deutschland liegt die Dunkelziffer unerkannter Typ-2-Diabetiker, auf Basis von Hochrechnungen, bei etwa 2 bis zu 5 Millionen Betroffenen. In der Regel erfolgt die Diagnose der Erkrankung erst, wenn Blutzuckerwerte oder auch der HbA1c als Langzeitwert auffällig sind. Viele Patienten mit Typ-2-Diabetes werden sogar erst an der Manifestation von Folgeerkrankungen erkannt, häufig beim Augenarzt, der bei einer Brillenanpassung Gefäßschäden am Augenhintergrund feststellt. Dabei könnte eine frühzeitigere Intervention nicht nur die Komplikationsrate senken, sondern die Entwicklung zum Typ-2-Diabetes hin unter Umständen verlangsamen.

Der Goldstandard in der Diagnostik eines manifesten Diabetes ist der orale Glucose­toleranztest (oGTT), der in der ärztlichen Praxis standardisiert durchgeführt werden muss. Die notwendige Standardisierung ist aber die Schwäche des Tests. In der Haus­arztpraxis ist es manchmal schwierig umzu­setzen, dass der Patient zwei Stunden in Ruhe die Glucosebestimmung abwartet. Durch Aktivitäten während des Glucosetole­ranztests können die Werte verfälscht werden. Zur genauen Bestimmung eines Diabetesrisikos reicht außerdem der Glucosewert allein nicht aus. Insulinwerte müssten bestimmt werden, was in der heutigen Hausarztpraxis, aber auch in der diabetologischen Praxis ungewöhnlich ist. Besser als einen manifesten Diabetes zu diagnostizieren, wäre es allerdings, gefähr­dete Personen frühzeitig zu identifizieren.

 

In der Vergangenheit wurde vielfach versucht, Risikoscores und Risikofragebögen für die Ermittlung eines Diabetesrisikos zu etablieren. Mittlerweile existieren mehr als 20 verschiedene Risikofragebögen, die alle klinische und laborchemische Risikofaktoren erfragen und denen eine unterschiedliche Gewichtung zuordnen. Die Akkumulation dieser gewichteten Risikofaktoren lässt eine Abstufung eines prädikativen Diabetesrisikos erkennen. Ähnliche Scores existieren für das metabolische Syndrom und kardiovaskuläre Erkrankungen. Der Vorteil dieser Scores ist, dass sie sehr breit gestreut eingesetzt werden können. Der Nachteil liegt darin, dass die Wahrnehmung und Resonanz auf die Bestimmung eines Diabetesrisikos mithilfe dieser Scores ausgesprochen gering ist. Die Ergebnisse besitzen kaum Überzeugungskraft.

 

EZScan zur Diabetesdiagnostik

 

Eine neue Untersuchungsmethode, das Risiko für Typ-2-Diabetes zu ermitteln, stellt der sogenannte EZScan dar. Der Test misst mithilfe der chloridabhängigen reversen Iontophorese Veränderungen in der Zusammensetzung im Schweiß, die in direktem Zusammenhang mit einer Insulin-Resistenz und mit dem Risiko, einen Typ-2-Diabetes zu entwickeln, stehen. Das EZScan-Testverfahren ist nicht-invasiv, funktioniert unabhängig von der Nahrungsaufnahme und erfordert keine spezielle Vorbereitung des Patienten. Er kann überall durchgeführt werden und liefert ein aussagekräftiges Ergebnis in zwei bis drei Minuten ohne weitere Verbrauchsmaterialien.

 

Der Test macht sich zunutze, dass Diabetes schon in der subklinischen Phase das periphere Nervensystem in Mitleidenschaft zieht. Kleine Nervenfasern sind zuerst betroffen. Studien zufolge nimmt in frühen Stadien der Diabetes-Entwicklung die sympathische Innervierung der ekrinen Schweißdrüsen ständig ab. Dadurch verändert sich die Ionenzusammensetzung im Schweiß. Diese Veränderungen werden beim EZScan mithilfe der reversen Iontophorese ermittelt. Der Test misst somit die Funktion kleiner autonomer Nervenfasern. Dabei bestehen Unterschiede in der Insulinresistenz-bedingten Veränderung zwischen längeren und kürzeren autonomen Nervenfasern. Eine periphere Neuropathie tritt bekanntermaßen beim Diabetiker oft ausschließlich oder deutlich früher an den unteren Extremitäten und dem Fuß auf. Diesen Aspekt macht sich EZScan zunutze und schlussfolgert aus dem unterschiedlichen Grad der Veränderung der Nervenfunktion an Händen und Füßen auf das Diabetesrisiko.

Bei dem EZScan-Messverfahren werden sechs Elektroden am Körper appliziert: zwei am Fuß, zwei an der Hand und zwei kleine an der Stirn. Über die Elektroden wird eine geringe Spannung appliziert, die in Millivolt-Schritten gesteigert wird. In Abhängigkeit der Konzentration von Na+- und Cl--Ionen gibt es einen Spannungsschwellenwert, von dem an ein Strom fließt. Dieser Schwellenwert ist charakteristisch für die Funktion der autonomen Nervenfasern. Bei dem EZScan-Test wird dieses als reverse Iontophorese bezeichnete Verfahren angewandt und mehrfach hintereinander gemessen, um die Validität der Aussage zu gewährleisten. Ein Computerprogramm ermittelt aus den gemessenen Werten für jede Elektrode den Grad der Einschränkung der Funktion autonomer Nervenfasern. Aus der Zusammenschau der sechs Elektroden kann das Risikostadium im Hinblick auf eine Insulinresistenz berechnet werden. Dies wird grob unterteilt in die Kategorien kein Risiko, gestörte Glucosetoleranz, Insulinresistenz und manifester Diabetes.

 

Dieses Verfahren erreicht eine neue Qualität in der Diagnostik eines Diabetesrisikos durch die Verbindung der autonomen Nervenfunktionen mit der Bestimmung eines Diabetes spezifischen Risikos. In einer weiteren Untersuchung von Ambady Ramachandran von der India Diabetes Research Foundation konnte der Test sogar mit einer Sensitivität von 70 Prozent eine nichterkannte gestörte Gluosetoleranz erkennen. Dies bedeutet, dass 70 Prozent der Betroffenen als solche erkannt wurden. Es besteht mit EZScan also ein nichtinvasives Testverfahren, das ein Diabetesrisiko valide erkennt und das Bestehen einer nichterkannten Störung der Glucosetoleranz mit guter Qualität vorhersagen kann. Dadurch besteht erstmalig nichtinvasiv die Möglichkeit, sehr frühe Formen eines Diabetes-Risikostadiums (aber auch sehr frühe Form einer Neuropathie) zu erkennen. In dieser Methode liegt perspektivisch ein hohes Potenzial, Menschen mit metabolischen Risiken früher zu erkennen und gleichzeitig im Rahmen eines Qualitätsmanagements mit EZScan den Erfolg von Interventionen zu kontrollieren. Dem Apotheker kommt hier im Rahmen seiner Beratungstätigkeit eine he­rausragende, verantwortliche Rolle zu. /

Für die Verfasser: 

Peter E. H. Schwarz

Abteilung Prävention und Versorgung des Diabetes

Universitätsklinikum Carl Gustav Carus

Technische Universität

Fetscherstraße 74

01307 Dresden

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