Fokus auf die Krebstherapie |
19.09.2011 06:40 Uhr |
Von Elisabeth Kersten / Krebs zählt den häufigsten Erkrankungen in Deutschland. Umso wichtiger ist es, dass auch der pharmazeutische Nachwuchs früh an die Therapie dieses Leidens herangeführt wird. Die Deutsche Gesellschaft für Onkologie (DGOP) veranstaltet jedes Jahr eine Sommerakademie, damit junge Pharmazeuten sich in diesem Bereich weiterbilden können.
Schon zum vierten Mal fand in Hamburg die Sommerakademie der DGOP in Kooperation mit dem Bundesverband der Pharmaziestudierenden in Deutschland (BPhD) statt. Rund 30 Studierende aus der ganzen Republik waren im August für die Weiterbildung in die Elbstadt gereist.
Studierende aus ganz Deutschland kamen nach Hamburg, um sich bei der DGOP-Sommerakademie weiterzubilden.
Ziel der DGOP ist, Krebspatienten aus pharmazeutischer Sicht am besten zu unterstützen. Doch ist die Ausbildung der angehenden Apotheker dafür schon gut genug? Diese Frage warf Klaus Meier, Präsident der DGOP, in seiner Begrüßung zur Weiterbildung auf. »In Klinischer Pharmazie ist die Lehre noch nicht ausreichend, es gibt auch große Unterschiede zwischen den einzelnen Hochschulen und anderen Ländern«, sagte der Klinikapotheker aus Soltau. In seinem Einführungsvortrag über die Onkologie zeigte Meier, welche bedeutende Rolle Apotheker für den Krebspatienten spielen. Der Pharmazeut ist ein steter Begleiter in der medikamentösen Therapie des Krebsleidens, angefangen bei der Herstellung von applikationsfertigen Zytostatikalösungen. Exemplarisch zeigte Meier ein Bild aus einer Zytostatikaherstellung in den 1980er-Jahren mit rudimentärem Mitarbeiterschutz und ohne Laminar-Air-Flow-Box. »Die Arbeitsbedingungen haben sich massiv verändert«, sagte der Klinikapotheker und verwies auf die heutigen strengen Auflagen zum Mitarbeiterschutz und zur Produktsicherheit. Doch auch die öffentliche Apotheke spielt eine wichtige Rolle für Krebspatienten. Gerade dort entsteht der Kontakt oft durch Abgabe und Beratung zu oralen Zytostatika. Hierbei konkrete Unterstützung zu geben, sei auch das erklärte Ziel der DGOP-Initiative »Orale Zytostatikatherapie – sicher und effektiv«.
Zeichenstunde für Pharmaziestudenten
»Was erwartet mich bei einer Chemotherapie? Fallen mir alle Haare aus?« Diese Gedanken kreisen wohl vielen Menschen im Kopf herum, deren Krebs mit einer Chemotherapie behandelt werden soll. Umso wichtiger ist es, dass alle Gesundheitsberufe gut auf die Erkrankten eingehen. Susanne Bertels, Krankenhausseelsorgerin, beleuchtete psychosoziale Aspekte bei onkologischen Patienten. So schärfte sie das Ohr der Seminarteilnehmer, um unterschiedliche Botschaften einer Nachricht wahrzunehmen. Besonders wichtig hierfür ist das aktive Zuhören, um den emotionalen Anteil getrennt von den Sachinformationen wahrzunehmen.
Zeichenstunde: An großen Leinwänden übten die angehenden Apotheker das Malen eines Stillebens aus verschiedenen Perspektiven.
Fotos: Kersten
Zwischen den Vorträgen gab es eine willkommene Abwechslung: Um sich neben der medikamentösen Behandlung in die Maltherapie hineindenken zu können, gab es einen kleinen Zeichenkurs. Vladimir Kamendy lehrte in den vergangenen Jahren Kunststudenten an einer Hochschule in Göteborg, gibt aber schon seit Beginn der Sommerakademie »Laienunterricht« bei den Pharmaziestudenten. »Ihr seid noch offen für alles«, lobte der Künstler die Berufsanfänger. Mit Kohle und großen Leinwänden zeichneten die angehenden Apotheker ein Stillleben. Viele hatten seit Jahren neben mikroskopischen Präparaten nichts gezeichnet und waren überrascht über ihre Ergebnisse.
Zytostatika bergen ein besonderes Gefahrenpotenzial für Patienten, aber auch für das herstellende pharmazeutische Personal. In den vergangenen Jahren hat sich deswegen auch die Zertifizierung des Qualitätsmanagementsystems in der Zytostatika-Herstellung verbreitet. Dr. Karla Domagk aus Cottbus, Chefredakteurin der Zeitschrift »Onkologische Pharmazie«, referierte über Qualitätsstandards, die nicht nur im onkologischen Bereich, sondern eigentlich für jede Apotheke interessant sind. Vereinfacht gesagt, wird für jeden Prozess in der Apotheke ein Verantwortlicher gefunden und der Arbeitsablauf beschrieben. »Es wird nicht mehr fokussiert, wer etwas verkehrt macht, sondern was und warum es verkehrt gemacht wird«, erklärte die Apothekerin. Die DGOP bringt regelmäßig Qualitätsstandards für den pharmazeutisch-onkologischen Service (QuapoS) heraus, in dem Standards für alle Bereiche von der räumlichen Ausstattung bis zur Pharmazeutischen Betreuung festgeschrieben und umfangreich kommentiert werden.
Krankenhausapothekerin Goentje-Gesine Marquardt gab Einblicke in ihren Alltag als Krankenhausapothekerin. Die Studierenden interessierte besonders, wie man es im Umfeld schwerkranker Menschen schafft, diese Probleme nicht mit nach Hause zu nehmen. Die Klinikapothekerin gab den Hinweis, dass die meisten Krebspatienten den Apotheker als jemand Professionellen im Gesundheitssystem wahrnehmen und ähnlich professionell solle man auch selbst dieser Situation begegnen.
Tipps für die Supportivtherapie
Viele Patienten suchen wegen der Nebenwirkungen einer Chemotherapie Rat in der Apotheke. Dr. Annette Freidank legte die Grundlage für eine gute Beratung und referierte über Möglichkeiten der Supportivtherapie. Das Spektrum der Nebenwirkungen ist breit: Neben Haarausfall, Mundtrockenheit, Müdigkeit tritt häufig Übelkeit auf. »Heute gibt es nur noch wenige Therapien ohne Prophylaxe vor Erbrechen«, sagte die Klinikapothekerin aus Fulda. Ratsam sei auch, den Patienten eine geeignete Mundpflege, zum Beispiel mit einer weichen, schonenden Zahnbürste, zu empfehlen. Sinnvoll seien auch Produkte zum Schutz der Haut, die unter der Therapie trockener wird.
Krebs ist zwar immer noch eine schockierende Diagnose, doch kann neben einer Operation und Bestrahlung auch gut medikamentös behandelt werden. Noch vor 60 Jahren gab es nur eine Handvoll Krebstherapeutika, mittlerweile sind es Dutzende. »Derzeit sind mehr als 500 Stoffe in der klinischen Entwicklung«, sagte Professor Dr. Günther Wiedemann. Der Onkologe aus Ravensburg beleuchtete die verschiedenen intelligenten Strategien und Targets von Zytostatika. So ging er besonders auf Angiogenesehemmer ein, die den Krebs durch Stilllegung der Blutzufuhr aushungern.
Klinikapotheker Michael Höckel stieg tiefer in die Thematik der Pharmazeutischen Betreuung ein. »Maximal drei wichtige Informationen kann ich als Apotheker dem Patienten mündlich vermitteln. Den Rest kann ich schriftlich durch Beratungsbroschüren mitgeben«, sagte der Fachapotheker für Offizinpharmazie. Auch wenn es oft wenig medikamentöse Lösungen gebe, wie zum Beispiel bei Fatigue, der chronischen Müdigkeit, so könne der Apotheker trotzdem noch viel wertvolle Ratschläge mitgeben. Hinweise auf Selbsthilfegruppen, Ernährungstherapien oder auf Angebote von Physiotherapeuten werden gerne angenommen. Am wichtigsten sei es aber, den Patienten dazu zu motivieren, dass er seine Medikamente richtig einnimmt – denn ansonsten können sie, trotz aller Nebenwirkungen, nicht zur Heilung beitragen.
Um das gelernte Wissen auch anzuwenden, arbeiteten die Teilnehmer an Fallbeispielen. Das Seminar zeigte, dass es viele Möglichkeiten gibt, sich bereits als Student über pharmazeutische Aspekte der Krebstherapie zu informieren. So gibt es die Möglichkeit, in der DGOP auch schon als Student Mitglied zu werden. Alle Seminarteilnehmer bekamen einen Ordner mit pharmazeutisch-onkologischen Fallbeispielen aus dem Alltag, der ständig erweitert wird. Bei besonderem Interesse kann man in seiner Ausbildungsapotheke oder am Institut anbieten, einen dieser Fälle zu besprechen. /