Es gibt genug für alle Berufsgruppen zu tun |
Daniela Hüttemann |
04.07.2022 13:10 Uhr |
Als »Chemotherapie für Zuhause« werden die oralen Antitumormittel auch bezeichnet. Die Apotheke vor Ort kann helfen, Neben- und Wechselwirkungen zu managen und die Adhärenz zu fördern. / Foto: Getty Images/FatCamera
»Das System steht vor dem Kollaps« – damit brachte Hauke Jagau, SPD-Politiker und ehemaliger Regionspräsident der Region Hannover, die derzeitige Lage des Gesundheitssystems auf den Punkt. »Selbst in Ballungsräumen haben wir bereits Probleme«, erläuterte er bei einer Podiumsdiskussion am vergangenen Freitag im Rahmen des 30. NZW-Kongresses und der European Conference of Oncology Pharmacy (ECOP) in Hamburg stattfand.
Im ländlichen Raum müssten die verbliebenen Krankenhäuser mehr und mehr auch die ambulante Versorgung übernehmen, da immer mehr Arztpraxen schließen, berichtete Jagau bei dem Kongress für Apotheker in der Krebsversorgung. »Man müsste die Verteilung komplett neu denken«, so der Politiker im Hinblick auf Praxis- und Krankenhausplanung, aber auch die Finanzierung des Gesundheitswesens allgemein.
Ein weiterer Punkt: Es werde viel zu wenig zusammen gearbeitet, zum Teil sogar gegeneinander – privat versus gesetzlich, Krankenkassen gegen Leistungserbringer, aber auch die Leistungserbringer untereinander. Jeder verteidige seinen eigenen Topf, statt besser zusammenzuarbeiten und Aufgaben zu teilen oder abzugeben. Ärzte und Krankenhäuser verschiedener Spezialisierungen sollten sich zum Beispiel besser vernetzen und telemedizinisch unterstützen.
Hans-Ulrich Schmidt, Geschäftsführer der Klinikgruppe Ernst-von-Bergmann in Potsdam, die auch kleinere Krankenhäuser in dünner besiedelten Regionen wie der Lausitz betreibt, kann sich zum Beispiel vorstellen, dass bei entlassenen Krebspatienten unter oraler Antitumortherapie die Apotheken die Nachsorge übernehmen. Generell dürfe die Versorgung nicht an den alten Sektorengrenzen scheitern.
Aus Sicht von Dr. Helmut Hildebrandt, Apotheker, Gesundheitswissenschaftler und Vorstandsvorsitzender von Optimedis, einem Spezialisten für regionale Versorgung, muss sich auch an der Kooperation der an der Versorgung beteiligten Berufsgruppen etwas ändern. Die niederschwelligeren Einstiegspunkte wie Apotheken, Pflegedienste und Physiotherapeuten müssten eine stärkere Lotsenfunktion bekommen, einfachere Probleme selbst lösen dürfen und erst die schwierigeren Fälle an spezialisierte Fachkräfte verweisen. »Diese Berufsgruppen können viel mehr, als wir sie bislang machen lassen«, so Hildebrandt und nannte auch explizit die PTA. Die Not werde uns dazu treiben, stärker auf ihre Kompetenzen zurückzugreifen, sagte er.