Die inhabergeführte Apotheke hat Zukunft |
11.09.2008 13:40 Uhr |
Die inhabergeführte Apotheke hat Zukunft
Von Uta Grossmann
Die SPD-Bundestagsabgeordnete Dr. Marlies Volkmer hat nie einen Hehl aus ihrer Sympathie für die Individualapotheke gemacht. Sie setzt sich deshalb auch für die Versandhandelsinitiative ein und vertraut darauf, dass der EuGH das Fremdbesitzverbot nicht aufhebt.
PZ: Frau Dr. Volkmer, am 3. September begann die Verhandlung vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) über die Frage der Vereinbarkeit des Fremdbesitzverbotes mit Europäischem Gemeinschaftsrecht. Rechnen Sie mit einem Urteil, das Fremdbesitz von Apotheken in Deutschland zulässt?
Volkmer: Ich rechne damit eigentlich nicht. Zunächst wird es darauf ankommen, was der Generalanwalt im Dezember vortragen wird. Ich bin da recht zuversichtlich, denn auch das EuGH-Urteil zur Arzneimittelversorgung von Krankenhäusern hat gezeigt, dass ein Mitgliedsstaat der Europäischen Union bestimmte Regelungen treffen kann, um eine besonders hohe Qualität der Versorgung sicherzustellen. Qualität ist also ein Argument, das durchaus beim EuGH gehört wird.
PZ: Wie wird sich Ihrer Einschätzung nach die Apothekenlandschaft in den nächsten Jahren verändern?
Volkmer: Ich glaube an die Zukunft der Apothekenstruktur mit der inhabergeführten Apotheke, wie wir sie heute haben. Der Apotheker wird neue Aufgaben bekommen, etwa beim Arzneimittelmanagement.
Es wird immer mehr chronisch kranke Menschen geben, und gerade für sie ist der Apotheker ein wichtiger Ansprechpartner. Die Apotheke ist ein niedrigschwelliges Angebot. Patienten haben hier weniger Hemmungen, etwas zu fragen als beim Arzt.
Sensibilisierung für Prävention ist ein weiteres wichtiges Feld, das an Bedeutung gewinnt. Denken Sie an die Raucherentwöhnung, zu der der Apotheker den Anstoß geben kann, indem er das Thema beim Patienten anspricht. Ich halte auch die Orientierung der Kunden an einer bestimmten Apotheke für sinnvoll, weil so der Apotheker mögliche Wechselwirkungen unterschiedlicher Verschreibungen erkennen kann. Allerdings müssen die Apotheken diese Beratungsaufgaben auch wahrnehmen. Untersuchungsergebnisse, wie sie kürzlich Stiftung Warentest vorgelegt hat, sind da nicht dienlich. Es ist im eigenen Interesse der Apotheker, ihr Personal so zu schulen, dass die Beratung tatsächlich einen hohen Qualitätsstandard gewährleistet.
PZ: Sachsen und Bayern haben einen Gesetzesentwurf zur Begrenzung des Versandhandels auf verschreibungsfreie Arzneimittel in den Bundesrat eingebracht. Er wurde in der Sitzung des Gesundheitsausschusses von der Tagesordnung genommen. Welche Chancen hat die Initiative?
Volkmer: Ich denke, dass die Initiative eine gute Chance hat. Nun müssen sich die einzelnen Länder positionieren. Thüringen hat unter anderen bereits Zustimmung signalisiert, andere haben sich vielleicht noch nicht intensiv mit dieser Frage beschäftigt. Es geht darum, ein Ausfransen der Vertriebswege zu verhindern. Die Initiatoren wollen nur so weit gehen, wie der Europäische Gerichtshof es zulässt, also den Versandhandel auf rezeptfreie Arzneimittel beschränken.
Wichtig ist aber auch, dass die Menschen in strukturschwachen Regionen, in denen es keine Apotheke gibt, an ihre Medikamente kommen. Deshalb begrüße ich den Vorschlag, einen besonderen Botendienst durch Apotheken einzurichten. Mit diesem Botendienst sollen Arzneimittel von der Apotheke direkt an den Patienten zugestellt werden können, wenn die Arzneimittel in den Räumen der Apotheke für jeden Empfänger getrennt verpackt und mit Namen und Anschrift versehen wurden. Rezeptpflichtige Medikamente dürfen demnach nur von pharmazeutischem Personal ausgeliefert werden.
PZ: Die FDP hat kurz vor der parlamentarischen Sommerpause einen Antrag in den Bundestag eingebracht, der die Abgabe von Arzneimitteln über Abholstellen wie Drogeriemärkte unterbinden soll. Wie stehen Sie zu diesem Vorhaben?
Volkmer: Zunächst ist zu beobachten, wie es mit der Bundesratsinitiative weitergeht. Das ist eine weitergehende, sinnvolle Initiative. Etwa 95 Prozent der verschreibungspflichtigen Medikamente, die über das Internet bestellt werden, sind dort illegal ohne Rezept erhältlich. Dieses Problem lösen Sie nicht durch ein Verbot der Pick-up-Stellen, sondern nur dadurch, dass der Versand verschreibungspflichtiger Medikamente verboten wird.
PZ: Das von Ihrer Parteigenossin Ulla Schmidt geführte Gesundheitsministerium sieht bisher keine Notwendigkeit, den Versandhandel mit Arzneimitteln einzuschränken oder Auswüchse wie die Pick-up-Stellen zu stoppen. Wie ist das Meinungsbild in der SPD-Bundestagsfraktion, haben Sie dort Mitstreiter für Ihre Position, Versandhandel auf rezeptfreie Arzneimittel zu beschränken?
Volkmer: Das ist unterschiedlich. Es gibt einige, die das so sehen wie ich und auf die Bundesratsinitiative setzen. Andererseits ist es natürlich nicht das Topthema, mit dem sich die Fraktion beschäftigt. Nicht jeder Abgeordnete hat sich mit dem Problem überhaupt befasst.
PZ: Viele Apotheken sind inzwischen Mitglied einer Kooperation. Halten Sie das für einen klugen Weg?
Volkmer: Kooperationen sind grundsätzlich positiv zu sehen, weil sie gegenüber dem Großhandel eine Einkaufsmacht darstellen können. Eine sehr sinnvolle Form der Kooperation ist das Medizinische Versorgungszentrum (MVZ). Früher war in den ostdeutschen Polikliniken fast immer eine Apotheke integriert. Das spart den Patienten Wege. Die Apotheker waren in die Fortbildungen der Ärzte aller Fachrichtungen eingebunden, und sie haben zum Beispiel auch regelmäßig die Praxisräume hinsichtlich der Lagerung der Medikamente kontrolliert.
PZ: Sehen Sie die Apotheker auf dem richtigen Weg?
Volkmer: Gerade aus meiner früheren Tätigkeit als Ärztin weiß ich die Apotheker zu schätzen. Sie haben eine wichtige Kontrollfunktion. Es kann vorkommen, dass sich ein Arzt vertut. Gerade wenn ein Patient immer in dieselbe Apotheke geht, weiß der Apotheker, welche Medikamente er bekommt, und greift dann im Zweifel zum Telefonhörer.
Ein ganz entscheidender Vorteil ist eine gute Beratung, die müssen die Apotheken hochhalten. Prävention ist ein weiteres Zukunftsthema, hier sollten die Apotheker stärker auf die Patienten zugehen. Schließlich halte ich eine Vernetzung von Ärzten und Apothekern für wichtig, zum Beispiel durch gemeinsame Fortbildungen. Der Beruf des Apothekers ist nicht umsonst ein Heilberuf.