Pharmazeutische Zeitung online
Boykottverdacht

Kartellamt stellt Verfahren ein

13.09.2011  17:36 Uhr

Von Daniel Rücker / Der Pharmagroßhändler Gehe/Celesio hat beim Bundeskartellamt eine schwere Schlappe hinnehmen müssen. Die obersten deutschen Wettbewerbshüter haben das Verfahren wegen vermeintlicher Boykottaufrufe eingestellt.

Die ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, mehrere Landesapothekerverbände und der damalige Leiter des Hauptstadtbüros der Pharmazeutischen Zeitung, Thomas Bellartz, können aufatmen. Die im Jahr 2007 erhobenen Vorwürfe werden fallengelassen.

Auslöser für das Verfahren war damals die Übernahme des Internetversenders DocMorris und seiner deutschen Apotheken durch Gehe/Celesio. Die Kritik der Apothekerschaft hatte der Pharmagroßhändler als Boykott-aufruf gedeutet. Nach mehrjährigen Ermittlungen und der Androhung hoher Geldbußen hat das Kartellamt nun das Verfahren ohne Angabe der Gründe zu den Akten gelegt. Insgesamt drohten Strafen von mehr als 1,2 Millionen Euro, wovon die ABDA knapp die Hälfte hätte tragen müssen. Die Betroffenen hatten dagegen Einspruch eingelegt.

 

Entsprechend froh sind die Beteiligten: »Die gegen die ABDA erhobenen Vorwürfe haben sich als haltlos erwiesen und sind nun vom Bundeskartellamt selbst zurückgenommen worden«, sagte ABDA-Hauptgeschäftsführer Dr. Sebastian Schmitz. »Wir werden unsere Mitglieder auch in Zukunft unabhängig vertreten und ihre Interessen in politischen Debatten wahrnehmen. Und auch die Interessen der Verbraucher werden wir weiterhin ganz offen vertreten.«

 

Außergewöhnlicher Fall

 

Die Vorwürfe des Kartellamts waren von Beginn an umstritten. Deutscher Presserat und Deutscher Journalistenverband (DJV) wunderten sich über das Vorgehen gegen den ehemaligen PZ-Redakteur Bellartz. »Mir ist kein vergleichbarer Fall bekannt«, sagte Hendrik Zörner vom DJV der Pharmazeutischen Zeitung im Juli 2009. Und Arno Weyand vom Deutschen Presserat warnte: »Dem Artikel 5 des Grundgesetzes muss ein hoher Stellenwert beigemessen werden, da kann nicht einfach ein Amt kommen und diesen Grundsatz untergraben.«

 

Auch ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf, der auch als Person vom Kartellamt belangt werden sollte, sah sich in seinen Aufgaben eingeschränkt: »Wir werden nicht zulassen, dass uns im Handstreich die Möglichkeit zur unabhängigen Vertretung unserer Mitglieder und deren Interessen in der politischen Diskussion genommen wird«, sagte er damals der Pharmazeutischen Zeitung. Die Gefahr ist nun gebannt.

 

Vorwurf nicht haltbar

 

Der Landesapothekerverband (LAV) Baden-Württemberg ist mit der Einstellung des Verfahrens beim Bundeskartellamt hochzufrieden. Neben der ABDA und anderen Apothekerverbänden war auch der LAV im Jahr 2007 in das Visier der Bonner Behörde geraten. Er sollte mehr als 250 000 Euro Strafe bezahlen.

 

LAV-Geschäftsführerin und Rechtsanwältin Ina Hofferberth: «Wir waren uns vom ersten Augenblick an sicher, dass der Vorwurf des Boykottaufrufes nicht haltbar sein wird. Einer unserer Kritikpunkte damals war eine erste DocMorris-Apotheke in Fremdbesitz in Saarbrücken. Heute ist bewiesen, dass diese Apotheke damals unrechtmäßig betrieben wurde.« / 

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