Im Visier des Bundeskartellamts |
21.09.2016 09:08 Uhr |
Von Ev Tebroke / Wegen des Verdachts auf wettbewerbsbeschränkendes Verhalten hat das Bundeskartellamt bundesweit Razzien bei insgesamt acht Pharmagroßhändlern durchgeführt. Möglicherweise hätten die Unternehmen illegale Absprachen getroffen, so der Vorwurf. Dies wäre nicht das erste Mal.
Die Wettbewerbsbehörde hat am 14. September bundesweit mit Razzien die Pharmagroßhandelsbranche aufgeschreckt. Betroffen von der Durchsuchungsaktion waren unter anderen die Geschäftsräume der Branchengrößen Phoenix, Noweda, Gehe, Sanacorp und Alliance Healthcare, wie die jeweiligen Firmensprecher auf Anfrage der Pharmazeutischen Zeitung bestätigten. Nach Angaben von Kartellamtssprecher Kay Weidner besteht die Vermutung, »dass die Großhändler wettbewerbsbeschränkende Absprachen« getroffen haben. Insbesondere geht es demnach um sogenannte Kundenschutzabsprachen, sagte er der Pharmazeutischen Zeitung. Dabei teilen die Unternehmen den Markt untereinander auf und vereinbaren, sich gegenseitig keine Kunden abzuwerben.
Beweismittel gesichert
Der Pharmagroßhandel gilt als hart umkämpfter Markt. Das Bundeskartellamt vermutet, die großen Player könnten untereinander eine Art Waffenstillstand vereinbart haben.
Foto: Noweda
Laut Weidner diente die Durchsuchung dazu, Beweismittel zu sichern, »die den Verdacht auf wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen bestätigen oder entkräften können«. Insgesamt waren nach Behördenangaben 50 Mitarbeiter des Bundeskartellamts an dem Einsatz beteiligt. Dabei wurden sie von Kräften der örtlichen Kriminalpolizei unterstützt. Weitere Details zu den durchsuchten Unternehmen wollte Weidner zum jetzigen Zeitpunkt nicht nennen. »Bis zum Abschluss des Verfahrens gilt die Unschuldsvermutung.«
Die betroffenen Großhändler zeigen sich durchweg überrascht und weisen die Vorwürfe von sich. So heißt es seitens der Apothekergenossenschaft Noweda: »Der Vorwurf, Marktabsprachen getätigt zu haben, trifft die Noweda nicht, da wir an Absprachen jeglicher Art nicht beteiligt und uns auch keinerlei Absprachen im Markt bekannt sind«, so Vorstandsvorsitzender Wilfried Hollmann. Dass auch die Noweda im Zuge der Ermittlungen des Bundeskartellamts durchsucht wurde, sei für das Unternehmen allenfalls insoweit nachvollziehbar, als die Genossenschaft auf dem deutschen Markt zu den größten pharmazeutischen Großhandelsunternehmen zähle. Im Rahmen der Durchsuchung der Hauptverwaltung in Essen sicherte Hollmann den Behörden uneingeschränkte Kooperation zu. »Ein schnelles Voranschreiten der Ermittlungen ist in unserem Sinne, damit alle Vorwürfe so schnell wie möglich entkräftet werden«, sagte er.
Auch Phoenix, Gehe und Sanacorp signalisieren ihre vollumfängliche Unterstützung, um den Verdacht aus dem Weg zu räumen. Bei Phoenix hatten die Beamten nach Angaben eines Unternehmenssprechers die Geschäftsräume in Mannheim, München und Fürth im Visier. Im Vorfeld habe es keinerlei Indizien für die Aktion gegeben, betonte er. Bei Sanacorp wurden Büros in Planegg und Ulm unter die Lupe genommen. »Wir waren völlig überrascht von den Vorwürfen und haben nichts zu befürchten«, erklärte ein Sprecher.
Bitte aufklären
Die Vermutung liegt nahe. Zehn Jahre nachdem das Bundeskartellamt hohe Strafen gegen Pharmagroßhändler ausgesprochen hatte, scheint sich die Geschichte zu wiederholen. Erneut stehen Großhändler wegen angeblicher Absprachen am Pranger, ob zu Recht muss sich noch zeigen. Bislang gibt es keine Beweise. Bis dahin muss die Unschuldsvermutung gelten. Sollte sich der Verdacht des Kartellamts allerdings bestätigen, dann wäre das schon dummdreist von den Großhändlern. Wenn diese Absprachen zum Nachteil ihrer Kunden treffen, dann wäre das ein unerhörter Vertrauensbruch. Doch was nützen Spekulationen. Es ist wichtig, dass das Kartellamt den Vorwürfen nachgeht. Die Apoteheker müssen wissen, ob sie ihren Geschäftspartnern noch trauen können.
Daniel Rücker
PZ-Chefredakteur
»Waffenstillstand«
Nach Angaben der »Braunschweiger Zeitung«, die als Erste über die Razzien berichtete, waren unter den durchsuchten Firmen auch die Büros des Braunschweiger Unternehmens Richard Kehr. Dies hatte der Geschäftsführer Hanns-Heinrich Kehr der Zeitung bestätigt. Das Unternehmen ist Gesellschafter von Pharma Privat, einer Kooperation von inhabergeführten Pharma-Großhandlungen. Kehr geht davon aus, dass sich die Durchsuchungen im Braunschweiger Unternehmen auf die Kooperation bezogen haben. »Es hat mit uns definitiv keine Absprachen gegeben«, sagte er der »Braunschweiger Zeitung«. Der Verdacht der Behörden begründet sich nach Aussagen von Kehr auf eine vermeintliche Marktberuhigung in der bislang hart umkämpften Großhandelsbranche. Seit Anfang Juli 2016 vermuten die Behörden demnach die Vereinbarung eines »Waffenstillstands«, so steht es laut Kehr im Durchsuchungsbeschluss.
Der Pharmagroßhandel verteilt sich hierzulande hauptsächlich auf die Branchengrößen Phoenix, Noweda, Gehe, Sanacorp und Alliance Healthcare. Diese fünf dominieren gut 90 Prozent des Markts. Die restlichen knapp 9 Prozent Marktanteil gehen an private Unternehmen. Der Verdacht, dass die großen Player sich abgesprochen haben könnten, ist nicht neu. So hatte das Bundeskartellamt zuletzt 2006 Bußgelder in Höhe von insgesamt rund 2,6 Millionen Euro gegen vier Großhändler wegen kartellrechtswidriger Absprachen verhängt. Betroffen waren damals Anzag (jetzt Alliance Healthcare), Phoenix, Gehe und Sanacorp. Ob diesmal an den Vorwürfen etwas dran ist, bleibt abzuwarten. /