Ausgaben wachsen weiter |
13.09.2010 21:45 Uhr |
Von Stephanie Schersch, Berlin / Die Arzneimittelausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sind auch im Jahr 2009 weiter angestiegen. Sie kletterten auf 32,4 Milliarden Euro, ein Plus von 4,8 Prozent. Die größten Kostentreiber sind patentgeschützte Präparate.
Insgesamt ist der Umsatz mit Fertigarzneimitteln 2009 um 1,8 Milliarden Euro gewachsen. »Die patentgeschützten Arzneimittel sind der Hauptgrund für diesen Kostenanstieg«, sagte Dr. Ulrich Schwabe, Professor an der Universität Heidelberg und Herausgeber des Arzneiverordnungsreports 2010 in Berlin. Seit 1993 sei dies ein ungebrochener Trend, daran habe sich auch 2009 nichts geändert. »Arzneimittel sind in Deutschland immer noch deutlich teurer als in anderen europäischen Staaten«, so Schwabe.
Ulrich Schwabe gibt den Arzneiverordnungsreport heraus.
Foto: PZ/Pietschmann
Dies belege auch ein exemplarischer Preisvergleich mit Schweden. »Die 50 führenden Patentarzneimittel sind in Deutschland im Durchschnitt 48 Prozent teurer als die entsprechenden Präparate in Schweden.« Bei Generika falle der Preisunterschied noch deutlicher aus. Als Grund nannte Schwabe die Pharmaindustrie. »Sie verlangt zu hohe Preise, weil Deutschland immer noch als Referenzland für andere europäische Märkte dient.«
Im Generikasegment gab es dennoch auch positive Entwicklungen zu beobachten: Obwohl die Verordnungszahl im Vergleich zum Vorjahr um 2,9 Prozent anstieg, blieb der Umsatz in diesem Bereich fast konstant. »Daran erkennt man, dass die Instrumente zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit, die den Kassen und der Ärzteschaft hier zur Verfügung stehen, ihre Wirkung entfalten«, sagte Dr. Dieter Paffrath, Vorstandsvorsitzender der AOK Schleswig-Holstein und Mitherausgeber des Reports. Die Arzneimittelrabattverträge seien ein erfolgreiches Instrument. »Für das Jahr 2009 haben gesetzliche Krankenkassen Erlöse von knapp 850 Millionen Euro aus Rabattverträgen verbucht.«
Paffrath und Schwabe sehen deutliche Einsparpotenziale für den deutschen Arzneimittelmarkt. »Ohne Einbußen in der Versorgungsqualität könnten knapp 4,1 Milliarden Euro eingespart werden, wenn konsequent preiswerte Generika verordnet sowie auf teure patentgeschütze Analogpräparate und Arzneimittel mit umstrittener Wirksamkeit verzichtet würde«, sagte Paffrath. Zöge man ausländische Arzneimittelpreise als Vergleichswert heran, ließen sich sogar Wirtschaftlichkeitsreserven von 9,4 Milliarden Euro berechnen, so die Herausgeber.
Schwabe: Privilegien der Pharmaindustrie abschaffen
Paffrath begrüßte die geplanten Regelungen im Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG), wonach künftig in die Preisfestsetzung für neue patentgeschützte Arzneimittel eingegriffen werden soll. Innovative Spezialpräparate machten 2009 mit rund 7,8 Milliarden Euro immerhin mehr als ein Viertel des Gesamtumsatzes bei den Fertigarzneimitteln aus. Auch Schwabe forderte, Privilegien der Pharmaindustrie abzuschaffen.
Der Verband forschender Pharma-Unternehmen (VFA) wies die Kritik an den Arzneimittelherstellern zurück. »Durch die Beschlüsse der Politik steht gerade der innovative Arzneimittelmarkt in Deutschland aktuell vor seiner größten Zäsur«, sagte Cornelia Yzer, Hauptgeschäftsführerin des VFA. »Die forschenden Pharma-Unternehmen werden durch Zwangsrabatte mit 1,2 Milliarden Euro im Jahr belastet.« Auch der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie wehrte sich gegen die Vorwürfe. Der Branchenverband Pro Generika monierte eine unrealistische Berechnung der Einsparpotenziale bei Generika. Der Arzneiverordnungsreport könne für eine seriöse Beurteilung des Marktes nicht mehr genutzt werden.
Der Arzneiverordnungsreport 2010 basiert auf 740 Millionen Verordnungen, ausgestellt von rund 138 700 Vertragsärzten. Er zeigt die Entwicklung der Arzneimittelausgaben von 2009 in 40 Indikationsgebieten. Die Analysen basieren im Wesentlichen auf den Daten des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO). /