»Letztes Wort noch nicht gesprochen« |
07.09.2010 18:47 Uhr |
Von Stephanie Schersch / Die Koalition hat über die konkrete Umsetzung der Gesundheitsreform diskutiert. Für Zündstoff sorgen immer noch die geplanten Zusatzbeiträge mit Sozialausgleich. Einig wurden sich die Partner dagegen in einem anderen Punkt: Private Krankenversicherungen sollen für neue Arzneimittel künftig nur noch den gesetzlichen Tarif zahlen.
Die erste Gesundheits-Koalitionsrunde zur Umsetzung der Reformpläne von Minister Philipp Rösler (FDP) war am vergangenen Sonntag in Berlin zusammengekommen. Hauptstreitpunkt des Treffens waren wieder einmal die Zusatzbeiträge plus Sozialausgleich. Dabei geht es besonders um die Frage, wie der soziale Ausgleich gerecht gestaltet werden kann, wenn Arbeitnehmer mehrere Einkünfte beziehen.
Die CSU fordert von Philipp Rösler Nachbesserungen im Referentenentwurf zur Gesundheitsreform. Streit gibt es wieder einmal um die Zusätzbeiträge.
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Bayerns Gesundheitsminister Markus Söder (CSU) sieht hier hohe Kosten auf die Krankenkassen zukommen. Schon heute fielen bei einem Zusatzbeitrag von acht Euro rund zwei Euro für Bürokratiekosten an. »Die Pläne des Bundesgesundheitsministeriums würden diese Relation weiter verschlechtern«, sagte Söder in der »Süddeutschen Zeitung«. Er forderte deutliche Korrekturen im Entwurf und zeigte sich sogar offen dafür, Teile der Reform aufzuschieben.
Auch der CSU-Gesundheitsexperte Johannes Singhammer sieht Nachbesserungsbedarf. Bei den Zusatzbeiträgen komme es auf die konkrete Ausgestaltung an. »Und da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen«, so Singhammer in einem Interview der »Berliner Zeitung«.
Entlastungen für die PKV
In einem anderen Bereich haben die Koalitionspartner hingegen konkrete Beschlüsse gefasst. Union und FDP einigten sich darauf, dass Preise für neue Arzneimittel, die künftig der Spitzenverband der gesetzlichen Kassen mit den Pharmaherstellern aushandelt, auch für die privaten Versicherer gelten sollen. Regelungen der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) sollten in bestimmten Bereichen in der privaten Krankenversicherung (PKV) angewendet werden, erklärte Rösler-Sprecher Christian Lipicki in Berlin. Im Ministerium erarbeiteten derzeit Fachleute Vorschläge über das künftige Verhältnis von GKV und PKV. Das bedeute aber nicht, dass die Trennung zwischen beiden Systemen aufgehoben werde, so Lipicki. Sie blieben getrennt bestehen.
Scharfe Kritik an dem Vorhaben kam von den gesetzlichen Krankenkassen und aus der Opposition. Auch der Verband der forschenden Arzneimittelhersteller (vfa) setzte sich zur Wehr. »Nun ist die Politik tatsächlich auf dem Weg in die Einheitsversicherung«, sagte vfa-Geschäftsführerin Cornelia Yzer. Erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken stünden dagegen, GKV-Instrumente zur Kostendämpfung auf die PKV zu übertragen – im Gegenzug aber die PKV gegen Wettbewerb durch die GKV abzuschirmen. Damit spielte Yzer auf erwogenen Einschränkungen für die GKV bei der Gestaltung von Wahltarifen zugunsten der PKV an.
Laut einem Bericht der »Süddeutschen Zeitung« hat Rösler bei dem Treffen der Gesundheitsexperten auch Pläne vorgelegt, die Pharma-Importeure von dem erhöhten Zwangsrabatt von 16 Prozent auszunehmen. Dafür kämen auf die Unternehmen jedoch Einschnitte an anderer Stelle zu, so das Blatt. Das BMG schlage vor, die Importförderungsklausel zu verschärfen. Die Preisersparnis, bei der Apotheken bevorzugt ein Importarzneimittel abgeben, soll demnach künftig bei mindestens 15 Prozent oder 60 Euro (bislang 15 Euro) liegen. Die Ausnahme vom Zwangsrabatt würde damit teilweise gegenfinanziert.
Löcher in der Staatskasse
Die geplante Reform zur Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung dürfte dem »Spiegel« zufolge spürbare Löcher in den Staatskassen reißen. Das Magazin zitiert aus einem internen Schreiben des Bundesfinanzministeriums. Demnach wird die geplante Beitragssatzerhöhung der Krankenversicherung Belastungen für den Bundeshaushalt in Höhe von 420 Millionen bescheren. Zudem wird mit Steuermindereinnahmen von rund einer Milliarde Euro gerechnet, da die erhöhten Sätze steuerlich absetzbar sind. »Ganz erhebliche Risiken« sieht das Ministerium durch den geplanten Sozialausgleich auf den Bundeshaushalt zukommen, der mit steigenden Zusatzbeiträgen mittel- bis langfristig wachsen dürfte. /