Kabinett beschließt Finanzreform |
28.09.2010 17:52 Uhr |
Von Stephanie Schersch, Berlin / Das Bundeskabinett hat die Gesundheitsreform von Union und FDP beschlossen. Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) hält das Gesetz für gerecht und alternativlos. Kritik kam jedoch von allen Seiten – auch aus den eigenen Reihen.
Das Kabinett stimmte dem Referentenentwurf ohne Änderungen zu. Rösler zeigte sich zufrieden mit dem Beschluss. Die geplanten Maßnahmen würden nicht nur die für 2011 erwarteten Finanzprobleme der Kassen lösen. Es werde auch der Einstieg in ein neues Finanzierungssystem gelingen. Zudem würden die Voraussetzungen für einen effizienten Wettbewerb unter den Krankenkassen geschaffen. »Alle drei Ziele werden mit dem Entwurf erfüllt.«
Nachdem die Bundesregierung sich auf die Eckpfeiler der GKV-Finanzreform geeinigt hat, ist nun der Bundestag am Zug.
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Der Kabinettsbeschluss sieht einen Anstieg der Kassenbeiträge von derzeit 14,9 auf 15,5 Prozent ab 2011 vor. Der Arbeitgeberbeitrag wird auf 7,3 Prozent festgeschrieben. Kostensteigerungen sollen künftig die Versicherten über einkommensunabhängige Zusatzbeiträge zahlen, deren Höhe nach oben offen ist. Ein steuerfinanzierter Sozialausgleich soll gewährleisten, dass niemand mehr als 2 Prozent seines Einkommens für die Extrabeiträge zahlen muss.
Wie dieser Ausgleich durchgeführt werden soll, hat der Regierungsentwurf festgelegt. »Die Umsetzung findet direkt bei den Arbeitgebern beziehungsweise Rentenversicherungsträgern statt«, sagte Rösler. Der einkommensabhängige Beitragssatzanteil wird dabei um den Betrag abgesenkt, um den das Mitglied durch Entrichtung des durchschnittlichen Zusatzbeitrages überfordert wäre. Der Minister kündigte an, man wolle prüfen, ob hier auch weitere Einkommensarten einbezogen werden könnten. Diese sollten nicht verbeitragt werden, sondern lediglich zur Prüfung dienen, ob wirklich Anspruch auf Sozialausgleich besteht.
Steigende Zusatzbeiträge
Der Zusatzbeitrag soll auch zu mehr Wettbewerb unter den Kassen führen. Er wirke wie ein »transparentes Preissignal«, sagte Rösler. Für das nächste Jahr wird erwartet, dass die Kassen im Schnitt noch ohne Zusatzbeitrag auskommen. 2012 soll er dann rund 8 Euro betragen, 2014 könnten es laut BMG schon 16 Euro sein. Experten rechnen mit weit höheren Beträgen.
Neben der Einnahmeseite nimmt der Gesetzentwurf auch die Ausgaben ins Visier. Rösler sprach von einem ausgewogenen Sparpaket. Arbeitnehmer und Arbeitgeber, aber auch Ärzte, Apotheker, Krankenhäuser, Kassen und die Pharmaindustrie würden an der Lösung der Finanzprobleme der Kassen beteiligt.
Insgesamt sollen durch Begrenzung der Ausgaben im nächsten Jahr 3,5 Milliarden Euro eingespart werden, 2 Milliarden davon allein bei den pharmazeutischen Herstellern. Den Vorwurf, die Bundesregierung würde die Industrie verschonen, wies Rösler daher als abwegig zurück.
Den Ausdruck »Jahrhundertreform« wollte der Minister ausdrücklich nicht verwenden. Man müsse das GKV-System schrittweise umgestalten, das könne nicht von heute auf morgen passieren, sagte Rösler. Die Pläne der Koalition sind hoch umstritten, Kritik kam aus der Opposition und von Gewerkschaften, aber auch von Sozialverbänden und von Arbeitgeberseite. Rösler gab sich dennoch gelassen. Die Reaktionen hätten ihn nicht überrascht, sagte er. »Wenn man den Menschen Geld wegnimmt, kann man dafür keinen Applaus erwarten«. Die Reform sei jedoch alternativlos. Angesichts des wachsenden Defizits in der Krankenversicherung komme er an »unangenehmen Entscheidungen« nicht vorbei, so Rösler.
In Erstaunen dürfte den Minister hingegen die erneute Kritik aus Bayern versetzt haben. Rösler hatte vor Journalisten betont, er erwarte keinen Widerstand aus der CSU. Bei der Reform handele es sich um einen Beschluss der Bundesregierung und die werde nicht nur von CDU und FDP, sondern eben auch von der CSU getragen. Doch nur kurz nachdem Rösler das Reformpapier der Öffentlichkeit präsentiert hatte, meldete sich Bayerns Gesundheitsminister Markus Söder (CSU) zu Wort. Der Gesetzentwurf sei aus bayerischer Sicht enttäuschend, sagte er der »Passauer Neuen Presse«. »Er bedeutet erhebliche Nachteile für Patienten und Ärzte in Bayern.« Söder forderte Nachbesserungen auch bei den Hausarztverträgen. Der Kabinettsentwurf sei nur der Beginn des Gesetzgebungsverfahrens. »Es wird in den nächsten Wochen intensiv zu diskutieren sein, was tatsächlich Gesetz wird«, so Söder.
Bereits am 30. September soll im Bundestag über die Reform beraten werden. Der Bundesrat muss nach Regierungsangaben nicht zustimmen. /