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Aliskiren

Weiter Weg zum ersten Renin-Inhibitor

04.09.2007  10:51 Uhr

Aliskiren

Weiter Weg zum ersten Renin-Inhibitor

Von Brigitte M. Gensthaler

 

Nach jahrzehntelanger Forschung kommt der erste peroral applizierbare Renin-Inhibitor auf den deutschen Markt. Aliskiren blockiert das Enzym Renin und senkt in der Folge wirksam den Blutdruck. In den Studien war das Präparat ausgezeichnet verträglich.

 

Das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAS) spielt eine Schlüsselrolle bei der Blutdruckregulation. Enzymatischer Ausgangspunkt der RAS-Kaskade ist die Freisetzung von Renin aus der Niere. Renin ist eine Aspartatprotease, die relativ selektiv die Spaltung von Angiotensinogen zu Angiotensin (Ang) I katalysiert, das seinerseits durch das Angiotensin-Converting-Enzyme (ACE) zu Angiotensin II umgewandelt wird. Die Stimulation der Angiotensin-II-Rezeptoren vom Typ AT1A und AT1B bewirkt eine starke Vasokonstriktion und induziert die Freisetzung von Aldosteron aus der Nebenniere. Dieses fördert die Retention von Natrium und Wasser in der Niere. Die Folge: Extrazelluläres Volumen und Blutdruck steigen.

 

Die Aktivität des Renin-Systems wird durch ein negatives Feedback reguliert. Bei ausreichender Stimulation der AT1-Rezeptoren wird die Freisetzung von Renin gedrosselt. Dadurch nimmt auch die Besetzung der AT1-Rezeptoren ab und Renin wird erneut freigesetzt. Zusätzlich zum im Blut zirkulierenden Renin-System wurde das RAS im Gewebe von Niere, Herz, Blutgefäßen und Gehirn nachgewiesen. Man geht davon aus, dass diese Systeme im Gewebe eine Rolle bei den durch Ang II verursachten Organschäden spielen. Die Plasma-Reninaktivität (PRA) ist ein Maß für die Aktivität des RAS. Erhöhte PRA-Werte sind ein eigenständiger Risikofaktor für kardiovaskuläre Probleme bei Menschen mit normalem und erhöhtem Blutdruck.

 

RAS von Anfang an stoppen

 

Die Spaltung von Angiotensinogen durch Renin ist nach heutiger Kenntnis der entscheidende Schritt in der Bildung von Ang II. Daher lag es nahe, die RAS-Kaskade gleich zu Beginn zu stoppen. Schon vor mehr als 20 Jahren wurden Renin-Inhibitoren entwickelt, die aber entweder als Peptide parenteral appliziert werden mussten oder als Nicht-Peptide nach peroraler Gabe kaum resorbiert wurden.

 

Der Durchbruch gelang mit Aliskiren, einem nicht-peptidischen, selektiven kompetitiven Inhibitor des humanen Renins (»Kiren«). Trotz einer schwachen Bioverfügbarkeit von 2 bis 3 Prozent ist das Molekül peroral wirksam. »Damit kommt seit zehn Jahren erstmals wieder eine neue Wirkstoffklasse zur Behandlung der essenziellen Hypertonie auf den Markt«, sagte Professor Dr. Friedrich Luft von der Charité Berlin bei der Einführungspressekonferenz von Aliskiren (Rasilez®, Novartis) in München.

 

Das Molekül besetzt die enzymatische Bindetasche von Renin und verhindert so die Spaltung von Angiotensinogen. »Damit kontrolliert Aliskiren ein hoch komplexes System von Angiotensinpeptiden«, erklärte der Internist. Die Spiegel von Ang I und II sinken. Während ACE-Hemmer und AT1-Rezeptor-Antagonisten (»Sartane«) einen kompensatorischen Anstieg der PRA auslösen, nimmt diese unter Aliskiren ab. Dies lasse auf ein verbessertes Organschutzpotenzial schließen, so Luft. Dafür sprächen auch Studien mit transgenen Ratten. Humanstudien zum organprotektiven Nutzen, zum Beispiel bei Menschen mit Diabetes oder Herzinsuffizienz, laufen noch.

 

Dauerhafte Blutdrucksenkung

 

Gut belegt ist der antihypertensive Effekt von Aliskiren. In großen Studien senkte die einmal tägliche Einnahme von 150 oder 300 mg dosisabhängig den diastolischen und systolischen Blutdruck über 24 Stunden. Der Blutdruck ist auch in den Morgenstunden erniedrigt, in denen besonders häufig Schlaganfälle und Herzinfarkte auftreten, betonte Professor Dr. Hermann Haller von der Medizinischen Hochschule Hannover.

 

In Monotherapiestudien wirkte der Neuling vergleichbar gut wie andere Antihypertensiva, zum Beispiel ACE-Hemmer und Sartane, und stärker als das Diuretikum Hydrochlorothiazid (HCT). Zusätzlich zu HCT oder Ramipril wirkte Aliskiren additiv. Die Kombination von Amlodipin und Aliskiren war genauso effektiv wie eine höhere Amlodipin-Dosis, jedoch traten deutlich weniger Ödeme auf, berichtete der Nephrologe. Die Kombination mit Valsartan senkte den Blutdruck stark.

 

Der neue Arzneistoff ist erstaunlich gut verträglich. Die Gesamtinzidenz an Nebenwirkungen lag bis zu einer Dosis von 300 mg auf Placeboniveau. Am häufigsten wurde Diarrhö beobachtet.

 

Haller riet, in der Praxis vorsichtig mit einer Tagesdosis von 150 mg zu beginnen und bei Bedarf auf 300 mg zu erhöhen. Bei Hypertonikern sei in der Regel eine Kombitherapie nötig; als gute Partner für Aliskiren nannte er Calcium-Antagonisten, Sartane, ACE-Hemmer und Diuretika.

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