Einst neues Prinzip bei Bluthochdruck |
Manfred Schubert-Zsilavecz |
16.01.2019 10:00 Uhr |
Sartane, ACE-Hemmer und Renin-Inhibitoren greifen an verschiedenen Stellen im Renin-Angiotensin-System an, sodass sie miteinander kombiniert werden können.
ACE-Hemmer, AT1-Rezeptorantagonisten (Sartane) und der Renin-Inhibitor Aliskiren sind Hemmstoffe des Renin-Angiotensin-Systems (RAS). Bedeutendster Faktor mit pathophysiologischer Relevanz in diesem System ist das stark vasokonstriktorisch wirkende Oktapeptid Angiotensin II, das maßgeblich an der Blutdruckregulation beteiligt ist. Darüber hinaus hat es vielfältige indirekte Gefäßeffekte, da es unter anderem die Freisetzung von Noradrenalin, die Aldosteronsynthese und die tubuläre Natriumrückresorption erhöht. Über die Beeinflussung der Bildung von Wachstumsfaktoren ist Angiotensin II außerdem verantwortlich für Remodeling-Effekte und die pathologische Hypertrophie des Myokards.
Hemmstoffe des RAS gehören zu den erfolgreichsten Arzneimitteln in der Behandlung von Hypertonie sowie von Herz- und Nierenerkrankungen. Die Verordnungen zulasten der Krankenkassen waren im Jahr 2017 mit rund 9 Milliarden definierter Tagesdosen so hoch, dass sie knapp 60 Prozent des Verordnungsvolumens aller Antihypertensiva ausmachten.
Die Erfolgsgeschichte der Hemmstoffe des RAS begann 1978 mit der Einführung des ACE-Hemmers Captopril, dessen Entwicklung auf die Erkenntnis zurückgeht, wonach das Gift der südamerikanischen Grubenotter Bothrops jararaca antihypertensiv wirkt. Ungeachtet seines großen Erfolgs wurde Captopril aufgrund ungünstiger pharmakokinetischer Eigenschaften alsbald durch Vertreter der zweiten Generation von ACE-Hemmern wie Enalapril, Ramipril und Lisinopril abgelöst, die auch heute noch marktbestimmend sind.
Vor dem Hintergrund des enormen therapeutischen Erfolgs war es in den 1970er- und 1980er-Jahren kaum vorstellbar, dass sich neben den ACE-Hemmern andere Hemmstoffe des RAS als wirksame und wirtschaftlich erfolgreiche Arzneistoffe etablieren lassen würden. Im japanischen Unternehmen Takeda führte diese Ansicht zu einer strategischen Fehlentscheidung, da ein firmeneigenes Patent, das Benzylimidazolderivate als kompetitive Hemmstoffe des Angiotensin II am AT1-Rezeptor mit antihypertensiver Wirkung beschreibt, nicht weiter verfolgt wurde.
Es dauerte bis 1995, bis das von der Firma DuPont entwickelte Losartan (Lorzaar®) von MSD Sharp & Dohme als erster klinisch relevanter AT1-Rezeptorantagonist in die Therapie eingeführt wurde. 1996 erhielt diese Sprunginnovation den PZ-Innovationspreis, ein Jahr später den Galenus-von-Pergamon-Preis. Seit 2010 sind Generika von Losartan erhältlich.
Die Struktur von Losartan ist durch ein Benzylimidazol-Template und das für viele Sartane typische Biphenyltetrazolsystem charakterisiert. Grafik: Wurglics
ACE-Hemmer und Sartane werden entsprechend der aktuellen Therapieempfehlungen als Mittel der Wahl zur antihypertensiven Therapie eingesetzt. Einige Vertreter der Sartane (Losartan, Valsartan, Candesartan) sind auch zur Behandlung der Herzinsuffizienz und zur Behandlung der diabetischen Nephropathie (Losartan, Irbesartan) zugelassen. Losartan außerdem zur Schlaganfallprävention bei links-ventrikulärer Hypertrophie. Eine Überlegenheit der Sartane im Vergleich zu ACE-Hemmern ist bei unerwünschten Arzneimittelwirkungen (Husten, Angioödem) zweifelsfrei belegt. Für die Verhinderung koronarer Ereignisse ist eine leichte Unterlegenheit der Sartane, bei der Vermeidung zerebraler Ereignisse eine geringe Überlegenheit wahrscheinlich.
Einen nicht unerheblichen und nach wir vor nicht bereinigten Vertrauensverlust erlebte die Wirkstoffklasse der Sartane seit Mitte des letzten Jahres aufgrund von Problemen bei der pharmazeutischen Qualität der Wirkstoffe, die nahezu ausschließlich in China produziert werden. Seit dem Sommer des letzten Jahres stehen neben Valsartan auch andere Sartane mit Tetrazolpartialstruktur im Mittelpunkt eines Arzneimittelskandals, bei dem es zu Verunreinigungen der Wirkstoffe mit Nitrosaminen kam.
Seit fast einem Vierteljahrhundert vergibt die Pharmazeutische Zeitung den PZ-Innovationspreis und würdigt damit das jeweils innovativste Arzneimittel eines Jahres. Beim diesjährigen Pharmacon-Kongress in Meran wird der Preis zum 25. Mal vergeben. Das Jubiläum nimmt die PZ zum Anlass, alle bisherigen Preisträger Revue passieren zu lassen und beleuchtet sie kritisch. Ließen sie sich in den Therapiealltag integrieren? Haben sie neue Therapierichtungen induziert? Als Autoren fungieren die Professoren Dr. Theo Dingermann und Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz, Mitglieder der externen PZ-Chefredaktion, sowie der stellvertretende PZ-Chefredakteur Sven Siebenand.