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Lungenkrebs

ACE-Hemmer erhöhen das Risiko – ein bisschen

Patienten, die mehrere Jahre lang ACE-Hemmer einnehmen, erkranken einer aktuellen Studie zufolge häufiger an Lungenkrebs als Patienten, die stattdessen Angiotensin-Rezeptorantagonisten verwenden. Der Risikoanstieg ist zwar nur gering, aber angesichts der hohen Verordnungszahlen relevant. Der Zusammenhang sollte in weiteren Studien über einen längeren Zeitraum untersucht werden.
Annette Mende
25.10.2018  00:30 Uhr

ACE-Hemmer und Angiotensin-Rezeptorantagonisten (Sartane) gehören weltweit zu den am häufigsten eingesetzten Wirkstoffklassen. Beide senken den Blutdruck über eine Interaktion mit dem Renin-Angiotensin-Aldosteron-System, ACE-Hemmer indem sie die Umwandlung von Angiotensin I in Angiotensin II verhindern, Sartane indem sie die Bindung von Angiotensin II an den AT1-Rezeptor blockieren. Da ACE-Hemmer auch den Abbau des Neuropeptids Bradykinin unterbinden, akkumuliert dieses in der Lunge, was unter anderem die bekannte Nebenwirkung des trockenen Hustens zur Folge haben kann.

Bradykinin und das unter ACE-Hemmer-Einnahme ebenfalls akkumulierende Neuropeptid Substanz P können ein Tumorwachstum über verschiedene Mechanismen begünstigen, unter anderem über die Freisetzung des Gewebewachstumsfaktors EGF. »Eine Assoziation zwischen ACE-Hemmern und Lungenkrebs ist demnach biologisch plausibel«, schreibt eine Gruppe um Dr. Blánaid M. Hicks von der McGill University in Montreal in Kanada im »British Medical Journal«. Beobachtungsstudien hierzu hätten bisher widersprüchliche Ergebnisse geliefert. In randomisierten, kontrollierten Studien sei zwar noch kein erhöhtes Krebsrisiko nachgewiesen worden. Diese seien aber auch nicht auf die Klärung dieser Frage ausgelegt gewesen und hätten deshalb zu kleine Teilnehmerzahlen und eine zu kurze Nachbeobachtungszeit gehabt.

Die Forscher werteten nun die Daten von mehr als 992.000 Patienten aus Hausarztpraxen aus, die zwischen 1995 und 2015 eine antihypertensive Therapie begonnen hatten und für die Studie durchschnittlich 6,4 Jahre lang beobachtet wurden. Im Studienzeitraum bis Ende 2016 erkrankten knapp 8000 Teilnehmer an Lungenkrebs, das entsprach einer Inzidenz von 1,3 pro 1000 Personenjahre. Bei Patienten, die ACE-Hemmer einnahmen, war eine Erkrankung um 14 Prozent wahrscheinlicher als bei Teilnehmern, die Sartane einnahmen (Hazard Ratio 1,14). Das Risiko stieg kontinuierlich mit der Einnahmedauer an; ab dem fünften Einnahmejahr bestand eine evidente Assoziation, die im weiteren Verlauf auf eine 31-prozentige Risikoerhöhung nach mindestens zehnjähriger Einnahmedauer anstieg.

»Die beobachteten Assoziationen haben zwar nur eine geringe Größenordnung, aber angesichts des weitverbreiteten Einsatzes der ACE-Hemmer können auch kleine Effekte eine große Anzahl an Patienten mit erhöhtem Krebsrisiko bedeuten«, schreiben die Autoren. Das Risiko sollte in Langzeitstudien noch weiter untersucht werden.

Die Studie gibt weder Anlass zur Panikmache noch zur Sorglosigkeit, kommentiert Professor Dr. Deirdre Cronin-Fenton von der dänischen Universität Aarhus in einem begleitenden Editorial. Ob bei einem Patienten das Langzeitrisiko für Lungenkrebs oder der Zugewinn an Lebenserwartung durch den Einsatz eines ACE-Hemmers schwerer wiegt, sei stets eine individuelle Entscheidung. Wie die Autoren des Hauptartikels fordert auch die Epidemiologin weitere Langzeitstudien, um die Sicherheit der Wirkstoffklasse zu untersuchen.

Foto: Fotolia/WavebreakmediaMicro

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