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Fettstoffwechselstörungen

Ernährung gezielt umstellen

13.08.2012  14:49 Uhr

Von Ulrike Gonder / Fettstoffwechselstörungen sind in Überflussgesellschaften häufig. Doch nicht jede Erhöhung eines Blutfett- oder Blutcholesterolwerts ist mit einem Risiko für Herz- und Kreislauf-Erkrankungen verbunden. Wer die wichtigsten Störungen des Fettstoffwechsels kennt, kann mit einer gezielten Ernährungsumstellung meist sehr gut gegensteuern.

Die bekannteste Fettstoffwechselstörung dürfte noch immer ein erhöhter Cholesterolspiegel sein. Dabei ist Cholesterol selbst gar kein Fett, sondern ein fettlösliches Sterol, das zusammen mit anderen lipophilen Substanzen in Fett-Eiweiß-Konglomeraten (Lipoproteinen) durch den Körper transportiert wird. Der Gesamtcholesterolwert sagt kaum etwas über ein eventuell erhöhtes Koronarrisiko aus. Eher korreliert ein erhöhtes LDL-Cholesterol positiv mit dem Risiko, eine Herz- oder Gefäß- Erkrankung zu erleiden.

Das LDL-Cholesterol ist jener Anteil des Cholesterols, der in Lipoproteinen geringer Dichte (Low density lipoproteins, LDL) von der Leber zur Körperperipherie transportiert wird, um die Zellen mit Fettsäuren, Phospholipiden, fettlöslichen Vitaminen, Cholesterol und Ähnlichem zu versorgen. LDL-Partikel sind also per se nichts Schlechtes, im Gegenteil: Sie transportieren lebensnotwendige Stoffe zu den Zellen. Erst wenn zu viel LDL im Blut kreist (ab 160 mg/dl, bei sehr hohem Koronarrisiko ab 100 mg/dl) oder wenn die LDL abnorm zusammengesetzt sind, kann es problematisch für Herz und Gefäße werden (1).

 

»Moderne« Lipidstörungen

 

Obwohl die Hypercholesterolämie so bekannt ist, ist sie längst nicht mehr die häufigste und wichtigste Fettstoffwechselstörung. Ein Grund dafür ist, dass es heute mehr übergewichtige und adipöse Menschen gibt. Zudem änderten sich die Arbeits- und Lebensbedingungen vieler Menschen ungünstig – zumindest aus Sicht des Herz- und Gefäßsystems. Es gibt mehr Distress, weniger körperliche Bewegung und weniger Lichtexposition. Mit der Zeit entwickelt sich häufig eine Insulinresistenz, also ein fortschreitendes Nach­lassen der Insulinwirkung, die über ein metabolisches Syndrom bis zum Typ-2-Diabetes führen kann.

 

Unter diesen Umständen – zunehmender Körperfettanteil, wenig(er) Bewegung bei zunehmend unwirksamem Insulin – kommt es typischerweise zu Fettstoffwechselstörungen, die gerade nicht durch hohe LDL-Werte auffallen. Sie sind vielmehr durch eine Hypertriglyzeridämie gekennzeichnet, also durch erhöhte Triglyzeridwerte im Blut (über 150 mg/dl). Dies geht gewöhnlich mit niedrigen HDL-Cholesterolspiegeln einher. Die LDL-Partikel sind zwar in der Regel nicht erhöht, jedoch besonders klein und dicht (sdLDL, small dense), was zur hohen Atherogenität dieses Lipid­profils beiträgt (2).

 

Medikamentös sind Hypertriglyze­ridämien kaum zu behandeln, durch eine angemessene Ernährung jedoch sehr gut (1). Dazu brauchen die Patienten eine individuelle, auf ihr persön­liches Risikoprofil abgestimmte Ernährungsberatung. Hier kann die Apotheke Hilfe bieten und gegebenenfalls zu detaillierteren Untersuchungen raten.

 

Damit die Ernährungsumstellung tatsächlich hilft und nicht schadet, muss die jeweilige Störung exakt dia­gnostiziert werden. Die Behandlung richtet sich nach der Diagnose (1). Hier sind Ernährungsfachkräfte gefragt, denn allzu oft wird pauschal zu fett­armer Kost geraten, die jedoch kontraproduktiv sein kann (3).

 

Die gute Nachricht für das Gespräch in der Apotheke: Ernährung und Bewegung helfen wirksam, und die nötige Diät schmeckt auch noch gut, weil beim Fett (in vielen Fällen) nicht gespart werden muss.

 

Exogener Fettstoffwechsel

 

Die Fette aus der Nahrung müssen zunächst emulgiert, verdaut und resorbiert werden, bevor sie dem Körper als Energielieferanten, Bau- und Wirkstoffe zur Verfügung stehen. Nahrungsfette sind in der Regel Triglyzeride oder Phospholipide, vergesellschaftet mit fettlöslichen Vitaminen und Sterinen wie Cholesterol (Grafik 1). Durch die Einwirkung verschiedener Lipasen entstehen daraus bei der Verdauung Glyzerin und freie Fettsäuren sowie Mono- und Diglyzeride, die von den Enterozyten der Darmschleimhaut aufgenommen werden.

Während die kurz- und mittelkettigen Fettsäuren (bis zu zwölf C-Atome) von den Enterozyten unverändert in die Pfortader und damit rasch zur Leber gelangen, werden die längerkettigen Fettsäuren und Glyzerin zu Triglyzeriden resynthetisiert und zusammen mit Cholesterol, anderen fettlöslichen Sub­stanzen und speziellen Proteinen zu Chylomikronen zusammengesetzt. Diese werden von den Darmzellen in die Lymphe abgegeben. Chylomikronen sind demnach die Transportform für langkettige Fettsäuren aus der Nahrung. Die triglyzeridreichen Partikel gelangen erst am Aortenbogen, dem Ductus thoracicus, ins Blutgefäßsystem.

 

Auf ihrem Weg zur Leber geben Chylomikronen, vermittelt durch die endotheliale Lipoproteinlipase (LPL), Fettsäuren ab. Dabei werden sie zu Chylomikronen-Remnants, die von der Leber aufgenommen und verstoffwechselt werden (1, 4).

 

Völlerei führt zur Chylomikronämie

 

Bei zu üppigen Mahlzeiten mit hohem Fettgehalt kann es passieren, dass die LPL nicht nachkommt, sodass die Triglyzerid-reichen Chylomikronen zu lange im Blut bleiben. Sie sind nicht atherogen! Bei Triglyzeridwerten ab etwa 1000 mg/dl kommt es jedoch zur Pan­kreatitis und heftigen Schmerzen.

 

Am besten und schnellsten hilft Fasten, also reichlich Wasser trinken und keinesfalls Kohlenhydrate zuführen. Ohne Nahrungszufuhr sinken die Triglyzeride innerhalb von 24 Stunden um jeweils 50 Prozent ab (5). So kann das Problem in wenigen Tagen gelöst werden (Zielwert unter 200 mg/dl). Zu beachten ist, dass durch den enormen Triglyzeridabbau vorübergehend die LDL-Cholesterolwerte ansteigen, sich aber bald wieder normalisieren (6).

 

Freie Fettsäuren, die via Chylomikronen (aus der Nahrung) oder aus dem endogenen Stoffwechsel zur Leber gelangen, können von den Leberzellen zu ihrer eigenen Energieversorgung oxidiert werden. Stehen den Leberzellen jedoch andere oxidierbare Substrate wie Alkohol, Glucose, Fructose oder kurz- und mittelkettige Fettsäuren zur Verfügung, werden diese vorrangig oxidiert. Die anderen Fette bleiben »übrig«.

 

Alle überschüssigen Substrate wandelt die Leber in Triglyzeride um und gibt sie in Form von Lipoproteinen sehr geringer Dichte (VLDL) ins Blut ab, um die Peripherie mit energiereichen Verbindungen zu versorgen. Bei kalorischer Überernährung gelangen zu viele Triglyzerid-reiche VLDL ins Blut (1, 5).

 

Zudem ist die Leber in der Lage, selbst Fett einzulagern, was bei übermäßiger Kohlenhydrat- und Kalorienzufuhr zur nichtalkoholischen Fettleber (NASH) führt. Die NASH ist heute die häufigste erworbene Lebererkrankung. Durch Reduktion der Kalorien- und/oder Kohlenhydratzufuhr bildet sie sich zurück (7).

 

Endogener Fettstoffwechsel

 

Der komplexen Aufbereitung der Nahrungsfette im Verdauungstrakt folgen die mindestens ebenso aufwendigen Transport- und Umbauvorgänge des internen Fettstoffwechsels (Grafik 2). Aus den von der Leber synthetisierten VLDL spaltet die Lipoproteinlipase in den Blutgefäßen Triglyzeride ab. So entstehen aus den VLDL die Triglyzerid-ärmeren, Cholesterol-reicheren Lipoproteine intermediärer Dichte (IDL). Sie können rezeptorvermittelt von der Leber wieder aufgenommen werden. Üblicherweise entstehen jedoch aus den meisten IDL-Partikeln unter dem Einfluss der hepatischen Triglyzeridlipase in den Blutgefäßen die Triglyzerid-armen, Cholesterol-reichen Lipoprote­ine geringer Dichte (LDL).

 

LDL gelangen mithilfe spezieller Rezeptoren in die Gewebe, wo sie Chole­sterol und andere fettlösliche Substanzen abliefern, die dort unter anderem für die Stabilität und Flexibilität der Zellmembranen sowie für die Synthese von Vitamin D und Steroidhormonen gebraucht werden. Die restlichen LDL werden wieder von der Leber aufgenommen. Diese beiden rezeptorvermittelten Wege sind sättigbar.

 

Alle überschüssigen LDL-Partikel, vor allem jedoch kleine dichte LDL sowie LDL, die oxidiertes Cholesterol transportieren und daher nicht an die entsprechenden Rezeptoren passen, werden von Fresszellen des Immunsystems (Makrophagen) aufgenommen. Dieser Weg ist praktisch unbegrenzt offen. Kommt es zur Überladung der Makrophagen und befinden sich diese in der (vorgeschädigten) Gefäßwand, fördert dies über die Bildung von Schaumzellen und Plaques die Arteriosklerose (1, 5).

 

Lipoproteine hoher Dichte (HDL) schützen vor Herz- und Gefäß-Erkrankungen, unter anderem indem sie Cholesterol aus den Gefäßwänden abtransportieren. Ein spezielles Transferprotein (Cholesterylester-Transferprotein, CETP) überträgt das »eingesammelte« Cholesterol vom HDL auf VLDL-Partikel (Grafik 2, links unten). Im Gegenzug nehmen die HDL Triglyzeride aus den VLDL auf (1).

Hypercholesterolämien: vererbt oder erworben

 

Der Fettstoffwechsel ist also ein äußerst dynamisches Geschehen. Bei den rund 70 bekannten Fettstoffwechselstörungen handelt es sich teils um seltene, genetisch bedingte Defekte, häufiger um ernährungs­induzierte Störungen. Dazu kommen sekundäre Hypercholesterolämien, ausgelöst durch Krankheiten wie Anorexia nervosa, Morbus Cushing, Nieren­insuffizienz oder durch Medikamente wie Cortico­steroide, Gestagene, Betablocker oder Androgene (1). Darauf sollte das Apothekenteam Patienten hinweisen, die diese Medikamente bekommen und erhöhte Cholesterolwerte haben. Mitunter ist eine Rücksprache mit dem Arzt nötig. Gemeinsam ist diesen Störungen ein erhöhtes LDL.

 

Zu den ererbten Störungen im Fettstoffwechsel, die einer Ernährungsumstellung zugänglich sind, gehören die seltenen monogenen LDL-Hypercholesterolämien. Hierbei sind entweder die LDL-Rezeptoren defekt oder das Apolipoprotein B der LDL-Partikel ist derart verändert, dass es nicht mehr (ausreichend) an den Rezeptor binden kann. Folglich können die Zellen nicht genug LDL aufnehmen. Es bleibt zu viel davon im Blut (LDL je nach Störung entweder bis 200 oder über 220 mg/dl) und muss über Makrophagen entsorgt werden. Das atherogene Risiko ist hoch (1, 5).

 

Das Apothekenteam sollte dem Patienten erklären, dass die notwendigen LDL-Senkungen von etwa 40 Prozent nur medikamentös zu erreichen sind. Allerdings kann eine begleitende Ernährungsumstellung helfen, die Medikamentendosis zu senken, was die Verträglichkeit verbessert und die Compliance erhöht. Zielführend ist eine fettmodifizierte Ernährung (Tabelle 1) (5). Das bedeutet: weniger gesättigte Fettsäuren (vor allem in Butter und Kokosfett), weniger Cholesterol (vor allem in Innereien, Eiern, Meeresfrüchten), dafür mehr ungesättigte Fettsäuren (vor allem in Pflanzenölen, Nüssen, Fleisch und Fisch) sowie mehr Ballaststoffe (Gemüse, Salate sowie gut verträgliche Vollkornbrote).

Tabelle 1: Ernährungstherapie bei diversen Hypercholesterolämien; modifiziert nach (5)

Hypercholesterolämie (Anteil an Fettstoffwechselstörungen) Ernährungsmaßnahme (eventuell in Kombination mit Medikation)
ernährungsinduzierte (40 Prozent) und monogene (selten) LDL-Hypercholesterolämie fettmodifizierte (nicht fettarme) Kost: nicht unter 30 Energieprozent Fett, bevorzugt ungesättigte Fettsäuren
polygene Hypercholesterolämie (40 Prozent) Therapie des zugrunde liegenden Manifestationsfaktors, zum Beispiel Typ-2-Diabetes, Adipositas
Apo-E4-Polymorphismus (7 Prozent) Reduktion der alimentären Cholesterolzufuhr
fettarme Kost (8 Prozent) mehr Fett (zulasten der Kohlen­hydrate)
familiäre kombinierte Hyperlipidämie (Hypertriglyzeridämie mit Erhöhung von LDL-Cholesterol) (2 Prozent) Reduktion von Kohlenhydraten und Alkohol (vorrangig wird die Hypertriglyzeridämie behandelt), ggf. mehr ungesättigte und/oder weniger gesättigte Fettsäuren

Bei den polygenen Hypercholesterol­ämien (LDL über 180 mg/dl) muss zu einer genetischen Veranlagung ein Manifestationsfaktor wie Übergewicht, Überernährung oder Diabetes mellitus Typ 2 hinzukommen, um sie manifest werden zu lassen. Allerdings können auch Schilddrüsenerkrankungen oder Medikamente wie Beta­blocker, Corticosteroide, Gestagene und Ciclosporin A die LDL-Werte erhöhen. Dann muss in Absprache mit dem Arzt gegebenenfalls die Medikation geändert werden (1, 5).

 

Für die Beratung ist ebenfalls wichtig, dass eine gute Diabeteseinstellung, mehr körperliche Aktivität sowie eine langsame, moderate Gewichtsabnahme meist genügen, um die Lipidwerte wieder in den Normbereich zu bringen. Hierfür stehen verschiedene Diäten zur Verfügung (8), wobei sich unter einer Kohlenhydratreduktion mehr Risikofaktoren verbessern als unter Fettreduktion (9).

Bei einem Apolipoprotein-E4-Polymorphismus werden im Darm deutlich mehr als die üblichen 50 Prozent des Nahrungscholesterols resorbiert. Aufgrund des erhöhten Cholesteroleinstroms aus dem Darm reduziert die Leber die Zahl ihrer LDL-Rezeptoren, um nicht noch zusätzlich viel Cholesterol aus dem Blut aufzunehmen. Beides führt zu einem Anstieg der LDL-Werte (über 180 mg/dl) im Blut. Diese sprechen jedoch sehr gut auf eine verringerte Cholesterolzufuhr mit der Nahrung an (Tabelle 1). Nur selten sind zusätzlich Medikamente nötig, um das atherogene Risiko zu senken.

 

Im Grunde ist der Apo-E4-Polymorphismus die einzige Fettstoffwechsel­störung, bei der eine Senkung des Nahrungs­cholesterols unabdingbar ist. Zusätzlich kann es sinnvoll sein, auch die Zufuhr gesättigter Fettsäuren zu begrenzen (1, 5).

 

Ernährungsbedingte Hypercholesterolämie

 

In etwa 40 Prozent der Fälle handelt es sich bei erhöhten LDL-Werten (LDL bis 180 mg/dl) um eine rein ernährungsbedingte Hypercholesterolämie. Auch hier sollte eine fettmodifizierte (nicht fettarme!) Kost empfohlen werden (5). Fettmodifiziert bedeutet: mehr (einfach) ungesättigte Fettsäuren, bei Bedarf auch weniger Cholesterol und weniger gesättigte Fettsäuren sowie mehr Ballaststoffe. Die Ernährungsumstellung reicht als alleinige Maßnahme aus.

 

Diese Form der Hypercholesterol­ämie kann auch durch eine sehr fett­arme Kost entstehen (weniger als 25 Prozent der Tageskalorien), weil dann weniger Gallensäuren zur Fett­ver­dauung nötig sind und folglich mehr Cholesterol, aus dem die Gallensäuren gebildet werden, im Blut verbleibt. In diesem Fall muss der Fettanteil in der Nahrung erhöht (!) werden, um die LDL-Werte zu senken.

 

Zu viel Triglyzeride im Blut

 

Auch die Triglyzeridwerte können erblich bedingt erhöht sein. So steigen die Nüchternwerte bei der familiären Hypertriglyzeridämie meist auf 200 bis 400 mg/dl (Norm unter 150 mg/dl). Die LDL-Werte sind niedrig, ebenso das HDL-Cholesterol. Es gibt keine frühen Herzinfarkte in der Familie, und das atherogene Risiko der Betroffenen ist nicht erhöht.

 

Problematisch wird diese Fettstoffwechselstörung bei kalorischer Überernährung, vor allem bei zu viel Alkohol, Zucker und Stärke. In diesen Fällen bildet die Leber sehr viele große, Triglyzerid-reiche VLDL-Partikel, die die Aktivität der Lipoproteinlipase hemmen. Da dieses Enzym auch für den Abbau der Chylomikronen aus dem Darm zuständig ist, finden sich bei Triglyzeriden über 1000 mg/dl auch zwölf Stunden nach der letzten Mahlzeit noch Chylomikronen im Blut; durch den hohen Fettanteil wird das Blut sehr zähfließend. Es kommt zu Durchblutungsstörungen, die zu Bauchschmerzen, Pankreatitis und Angina Pectoris führen können. Das Risiko für Aneurysmen ist erhöht, da aufgrund der niedrigen LDL-Werte nicht genügend festigendes Cholesterol in die Blutgefäßwände gelangt und diese leichter aussacken (5, 10).

 

Beim Gespräch in der Apotheke kann man auch nach juckenden, gelben Papeln auf roten Hautflecken, neurologischen Störungen, Fehlempfindungen und Kribbeln der Haut fragen. Diese zeigen ebenfalls eine Chylomikronämie an (5).

 

Die wichtigsten Ernährungsmaßnahmen sind Alkoholkarenz sowie eine Verringerung der Kalorienzufuhr, vorrangig durch weniger leicht resorbierbare Kohlenhydrate (Tabelle 2) (2, 5, 10). Dazu gehören in erster Linie süße Getränke (Limonaden, aber auch Säfte, Saftschorlen, Eistees), fettarme Süßigkeiten sowie Weißmehlgebäcke und -brote. Eine Zufuhr von mindestens 1,5 g langkettigen Omega-3-Fettsäuren senkt die Triglyzeride zusätzlich (5). Da dies – außer bei regelmäßigen Fettfischessern – über die Nahrung praktisch nicht erreichbar ist, kann das Apotheken­team die Patienten zu Fisch- oder Krillölpräparaten beraten.

Tabelle 2: Ernährungstherapie bei Hypertriglyzeridämie; modifiziert nach (5)

Hypertriglyzeridämie, Koronarrisiko Ernährungsmaßnahme Ziel
familiäre Dysbetalipoproteinämie: hohes Koronarrisiko weniger Kalorien (Fett und Kohlenhydrate reduzieren), Alkoholkarenz, weniger schnell resorbierbare Kohlen­hydrate, Normalgewicht halten oder anstreben, mehr körperliche Aktivität, nicht rauchen Triglyzeride (TG) unter 150 mg/dl
familiäre Hypertriglyzeridämie: nicht atherogen Verzicht auf Alkohol, Reduktion der Kohlen­hydrate, vor allem der rasch resorbierbaren, nicht fettarm ernähren(!), Betonung der ungesättigten Fettsäuren, ausreichend langkettige Omega-3-Fettsäuren, mehr körperliche Aktivität, nicht rauchen TG unter 200 mg/dl
Familiäre kombinierte Hyperlipidämie: hohes Koronarrisiko wie oben, ggf. zusätzlich Medikamente sdLDL unter 13 mg/dl Verhältnis VLDL-TG/ VLDL-APO B unter 6 LDL unter 100 mg/dl
Metabolisches Syndrom: hohes Koronarrisiko wie oben, ggf. zusätzlich Medikamente sdLDL unter 13 mg/dl Verhältnis VLDL-TG/ VLDL-APO B unter 6 LDL unter 100 mg/dl

Die familiäre Dysbetalipoprotein­ämie ist zwar selten (Vorkommen 1 : 10 000), erhöht das Risiko für Herz- und Gefäßerkrankungen jedoch stark. Hierbei kommt es durch eine ererbte Veränderung des Apolipoprotein A dazu, dass sowohl IDL als auch Chylomikronen-Remnants nicht mehr richtig an die Rezeptoren in der Leber binden können. Bei Überernährung reichern sich diese atherogenen Partikel im Blut an. Die LDL- und Triglyzeridwerte steigen etwa im gleichen Ausmaß an, erkennbar daran, dass ihr Verhältnis zueinander zwischen 0,8 und 1,2 liegt (5, 10).

Die wichtigste Ernährungsmaßnahme ist, eine übermäßige Kalorienzufuhr zu senken. Weniger Fett auf dem Teller senkt die Menge der Chylomikronen-Remnants. Alkoholkarenz und weniger rasch resorbierbare Kohlenhydrate senken die VLDL und damit die IDL (5, 10). Hilfreich sind auch körperliche Aktivität und Nicotinverzicht (Nicotin hemmt die LPL).

 

Familiär kombinierte Hyperlipidämie

 

Mit einem Vorkommen von 1 : 50 in der Bevölkerung ist die familiär kombinierte Hyperlipidämie nicht nur häufig, sondern erhöht auch das Koronarrisiko deutlich. Bei dieser Fettstoffwechselstörung sind – familiär gehäuft – etwa ab dem dritten Lebensjahrzehnt verschiedene Lipidwerte erhöht. Die Betroffenen haben meist mäßig erhöhte Triglyzeridwerte (200 bis 300 mg/dl). Zusätzlich oder auch ausschließlich können die LDL-Werte erhöht sein (bis 220 mg/dl). Entscheidend ist, dass sowohl die VLDL als auch die LDL abnorm zusammengesetzt sind (5, 10).

 

Die Leber bildet zahlreiche kleine dichte VLDL, aus denen via IDL viele kleine dichte LDL-Partikel werden (sdLDL über 13 mg/dl). Sie sind besonders atherogen, weil sie vorrangig von Makrophagen aufgenommen werden und leicht oxidieren (11). Durch den hohen Umsatz an VLDL wird auch mehr HDL verbraucht, sodass die HDL-Werte sinken (unter 35 mg/dl Männer, unter 45 mg/dl Frauen).

 

Typischerweise findet man in der Familienanamnese einen vorzeitigen Herzinfarkt bei Verwandten ersten Grades (1). Daher sollte die Diagnose auch bei nur grenzwertig erhöhten Lipidwerten gesichert werden. Unbedingt sollte man die Patienten zu einer Ernährungsumstellung motivieren. Die Diät ist unabdingbar, da es kein Medikament mit vergleichbarem Wirk­spek­trum gibt (5).

Da aus jedem kleinen dichten VLDL ein kleines dichtes LDL wird, gilt es, die Bildung abnorm zusammengesetzter VLDL zu vermeiden. Die wichtigsten Maßnahmen sind – neben mehr Bewegung und eventuell Gewichtsreduktion – Alkoholkarenz (zumindest vorübergehend) und eine deutliche Einschränkung der Kohlenhydrate, vor allem der schnell resorbierbaren (alle Zucker, Stärke, Weißmehlprodukte, in schweren Fällen auch Obst) (5). Dann kann die Leber die Fettsäuren aus der Nahrung und dem Blut zur eigenen Energieversorgung nutzen, sodass sie weniger VLDL bilden muss (12). Es geht hier also explizit nicht darum, fettarm zu essen. Dies kann den Zustand der Patienten sogar verschlimmern.

 

Metabolisches Syndrom

 

Auch das Metabolische Syndrom fällt durch ein atherogenes Lipidprofil bei abnorm zusammengesetzten Lipoproteinen auf: erhöhte Triglyzeride (über 150 mg/dl) und niedriges HDL (unter 40 mg/dl Männer, unter 50 mg/dl Frauen), wobei der Anteil kleiner dichter LDL erhöht ist (sdLDL über 13 mg/dl). Im Mittelpunkt dieser Stoffwechselstörung steht die Insulin­resistenz. Meist leben die Betroffenen bewegungsarm, sind übergewichtig oder adipös und weisen viel (viszerales) Fettgewebe auf (2).

 

Bei Insulinresistenz lässt die hemmende Wirkung des Hormons auf die Lipolyse nach und es kommt zu einem stetig erhöhten Strom freier Fettsäuren in die Leber, die in der Folge mehr VLDL bilden muss. Die Insulinresistenz sorgt außerdem dafür, dass die VLDL langsamer abgebaut werden. Dies erhöht die Triglyzeride weiter und verbraucht mehr HDL (10). Bei Insulinresistenz ist zudem die Natriumrückresorption in der Niere erhöht, sodass häufig auch der Blutdruck steigt.

Über viele Jahre kann der Körper kompen­satorisch mehr Insulin bilden und so die Nüchternglucose im Normbereich halten. Sind aber die Beta-Zellen der Bauchspeicheldrüse erschöpft, kommt es zum manifesten Diabetes mellitus Typ 2, der das Risiko für Mikro- und Makro­angiopathien weiter erhöht (2).

 

Aus all dem folgt, dass die Verringerung der Insulinresistenz die wichtigste Maßnahme ist, den Stoffwechsel zu entlasten. Dies lässt sich unzweifelhaft durch Gewichtsreduktion und mehr körperliche Aktivität erreichen. Auf jeden Fall sollte die Ernährung so zusammengestellt sein, dass sich die Stoffwechselwerte auch ohne Gewichtsabnahme verbessern. Dies ist möglich, wenn ein Teil der Kohlenhydrate durch Eiweiß und Fett ersetzt wird (2, 12). Bei Bedarf können ungesättigte Fettsäuren (einfach ungesättigte und Omega-3-Fettsäuren) bevorzugt werden.

 

Die Patienten dürfen reichlich Gemüse, Pilze und Salate essen, dazu Fleisch, Fisch, normalfette Milchprodukte, Eier, Nüsse und Hülsenfrüchte. Nur in Maßen erlaubt sind Vollkornbrot, Nudeln, gekochte Kartoffeln und Reis. Stark eingeschränkt werden sollten alle Süßgetränke sowie Weißmehlbackwaren und andere stärkereiche Lebensmittel. Der Alkoholgenuss sollte auf 10 bis 20 g (Frauen) sowie 20 bis 30 g (Männer) täglich beschränkt werden, da größere Alkoholmengen sowohl die Triglyzeride als auch den Blutdruck steigern können.

 

Empfehlenswert für Menschen mit Metabolischem Syndrom: Weniger als 40 Prozent der Kalorien sollten aus Kohlenhydraten stammen. 20 bis 30 Prozent der Kalorien kann das Eiweiß beisteuern, sodass die Kalorienzufuhr aus Fetten zwischen 40 und 55 Prozent liegt. Die Tatsache, dass dies nicht den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung entspricht (die für Gesunde formuliert wurden), darf hier nicht stören. Mit einer kohlenhydrat­reduzierten, eiweiß- und fettbetonten Kost lassen sich die atherogenen Lipidprofile des Metabolischen Syndroms und anderer Hypertriglyzeridämien sehr gut therapieren (2, 5, 8, 9, 12).

 

Eine kohlenhydratreiche, fettarme Kost kann zwar das LDL senken, steigert jedoch die Triglyzeride, senkt das HDL (13) und führt vor allem bei Übergewichtigen zur Bildung atherogener kleiner dichter LDL-Partikel (11). All dies ist nicht nur nicht sinnvoll, sondern schädlich! /

Literatur

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Richter, W. O., Taschenbuch der Fettstoffwechselstörungen. Wiss. Verlagsges. 2004.

Ströhle, A., Worm, N., Metabolisches Syndrom. Pathophysiologische Grundlagen und rationale Empfehlungen zur Ernährungstherapie. Dt. Apoth. Ztg. 152, Nr. 1 (2012) 48-66.

Worm, N., Mehr Fett. Warum die etablierten Ernährungsempfehlungen nicht haltbar und potenziell gefährlich sind. Ernährung & Medizin 27 (2012) 57-63.

Gurr, M. I., et al., Lipid Biochemistry. Blackwell 2002.

Deutsche Gesellschaft für Fettwissenschaft e. V., Ernährungstherapie von Fettstoffwechselstörungen. Verstehen – vermitteln – umsetzen. Tagung am 21./22. April 2012, Frankfurt, Wiss. Leitung Prof. W. O. Richter

Singer, P., Löhlein, I., Erhöhung von LDL-Cholesterin durch Omega-3-Fettsäuren – kein Hinweis auf KHK-Risiko. Ernährung & Medizin 27 (2012) 67-72.

Zivkovic, A. M., Comparative review of diets for the metabolic syndrome: implications for nonalcoholic fatty liver disease. Am. J. Clin. Nutr. 86 (2007) 285-300.

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Richter, W. O., Hypertriglyceridämie: Ein klinischer Leitfaden. Wiss. Verlagsges. 2008.

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Die Autorin

Ulrike Gonderist Diplom-Ökotrophologin und arbeitet seit 1994 selbstständig als freie Wissenschaftsjournalistin, Referentin, Buchautorin und Dozentin, unter anderem für die Apothekerkammer Westfalen-Lippe. Sie war Mitgründerin des Europäischen Instituts für Lebensmittel- und Ernährungswissenschaften (EU.L.E.) e. V. und kommt in diversen Medien als Ernährungsexpertin zu Wort. In ihrem Buch »Mehr Fett!« (systemed Verlag, 2010; zu beziehen über den Govi-Verlag) beschreibt Gonder unter anderem die positiven Effekte verschiedener Fette auf den Fettstoffwechsel. Anfang 2012 erschien im gleichen Verlag der kleine »Fett Guide« (Lemberger/Gonder/Worm), der für Verbraucher die wichtigsten Fakten zum Thema Fett und die Fett(säuren)gehalte von über 500 Lebensmitteln zusammenfasst.

 

Dipl. oec. troph. Ulrike Gonder

Taunusblick 21

65510 Hünstetten

ugonder@aol.com

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