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Stellungnahme

ABDA kritisiert Berechnung

14.08.2012  18:19 Uhr

Von Daniel Rücker / Die Apothekerorganisationen sind sich einig: 8,35 Euro pro abgegebene RX-Packung sind nicht in Ordnung. In ihrer Stellungnahme an das Bundesministerium für Wirtschaft kritisiert die ABDA den Verordnungsentwurf. Den meisten Krankenkassen ist selbst diese marginale Erhöhung zu viel.

Eine Honorarerhöhung um 25 Cent pro Packung ist der ABDA entschieden zu wenig. Sie hält an ihrer vorab geäußerten Kritik fest. Bei der Berechnung habe das Ministerium Fehler gemacht. Hauptkritikpunkt: Der Referentenentwurf sieht vor, den Anstieg des Rohertrags von der Kostensteigerung abzuziehen. Dies sei logisch falsch und leistungsfeindlich, heißt es in der Stellungnahme, die Ende vergangener Woche dem Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) übersendet wurde.

 

Kein angemessener Lohn

 

Der Rohertragsanstieg schlage sich kaum auf das Ergebnis nieder, denn der größte Teil des Ertrages werde zur Deckung der steigenden Personalkosten eingesetzt. Dies sei nötig, weil die Aufgaben und Leistungen der Apotheker in den vergangenen Jahren immer vielfältiger wurden. ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf lehnt deshalb die Berechnung des BMWi ab. Wegen der Verknüpfung von Kostensteigerung und Rohertragszuwachs verweigere das Ministerium dem Inhaber einer Apotheke de facto einen angemessenen Unternehmerlohn für die Mehrleistung, die er erbringen muss. Damit bekämen die Apotheker über all die Jahre nicht einmal einen Inflationsausgleich. Die Berechnung führe zwangsläufig »zu einer sehr deutlichen Unterschätzung des Anpassungsbedarfs«.

Immerhin habe das Ministerium in seiner Berechnung registriert, dass die Kosten der Apotheken deutlich gestiegen sind, so die ABDA. Die steigende Zahl der Rabattverträge erfordere mehr Aufwand für die verstärkte Beratung der Patienten, die immer häufiger andere und ihnen nicht ausreichend bekannte Medikamente verordnet bekommen. Seit der Einführung der Packungspauschale im Jahr 2004 seien zudem die Tarifgehälter der Apothekenmitarbeiter um 18 Prozent gestiegen, gleichzeitig sei der Anteil qualifizierter Mitarbeiter größer geworden. Ein Anstieg der Personalkosten um 29,1 Prozent von 2004 bis 2011 in den Apotheken sei das Resultat dieser Entwicklung. Schließlich seien auch Apotheken von generellen Preissteigerungen betroffen. Das gelte besonders für Mieten, Gebühren, Abschreibungen oder Investitionen aller Art. Sollte die Verrechung von Rohertrag gegen Kosten auch für zukünftige Anpassungen des Apothekenentgelts angewendet werden, bedeute dies eine dauerhafte Abkopplung der Apotheken von der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.

 

Wo bleibt die Perspektive?

 

Wolf hält das für eine fatale Botschaft: »Wo bleibt da die Perspektive für einen wirtschaftlich leistungsfähigen Berufsstand? Der Gewinn aus dem Apothekenbetrieb wird langfristig auf dem nominalen Niveau des Jahres 2004 gedeckelt. Das ist leistungsfeindlich.« Eine solche vollständige Gegenrechnung der durch Mehrleistungen erzielten zusätzlichen Roherträge gebe es bei keinem anderen Leistungserbringer im Gesundheitswesen.

 

Die von der ABDA kritisierte Rechenweise begründet das BMWi auch mit Paragraf 78 Absatz 2 Satz 1 des Arzneimittelgesetzes. Im Verordnungsentwurf argumentiert das Ministerium, bei der Festsetzung des Apothekenabschlages müssten die berechtigten Interessen der Arzneimittelverbraucher berücksichtigt werden. Tatsächlich erwähnt der Gesetzestext jedoch gleichrangig auch die zu berücksichtigenden Interessen von Apothekern, Großhandel und Tierärzten. Zudem sei eine ausreichende Honorierung der Apotheker durchaus im Sinn der Verbraucher, denn diese sei die Basis für eine flächendeckende Arzneimittelversorgung rund um die Uhr. Darauf weist die ABDA in ihrer Stellungnahme hin.

 

Zwei Jahre unberücksichtigt

 

Unzufrieden ist man in der Jägerstraße auch mit dem für die Berechnung ausgewählten Zeitraum. Der 2004 eingeführte Festzuschlag von 8,10 Euro basiere auf den Zahlen von 2002. Die beiden folgenden Jahre hätten deshalb vom Ministerium berücksichtigt werden müssen.

 

Zum Abschluss ihrer Argumentation stellt die ABDA ihre Rechnung für die Anpassung auf. Danach stiegen die Kosten für die Versorgung mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln von 2004 bis 2011 um durchschnittlich 28 915 Euro. Verteilt auf 35 032 Packungen wären dies jeweils 83 Cent, in etwa ein Anstieg von 10 Cent pro Jahr. Berechnet man den Anpassungsbedarf für 2002 und 2003 mit derselben Summe, ergibt dies insgesamt 1,03 Euro und damit ziemlich genau die Höhe der ABDA-Forderung von 1,04 Euro pro Packung.

 

Einen höheren Betrag als die ABDA hat der Bundesverband deutscher Apothekenkooperationen (BVDAK) berechnet. Er nimmt als Berechnungsgrundlage den vollständigen Anstieg der Kosten, also nicht nur die 75 Prozent, die kalkulatorisch auf die Rx-Versorgung entfallen. Daraus errechnet sich ein Anpassungsbedarf von 1,09 Euro pro Packung. Darüber hinaus fordert der BVDAK eine Pauschale für den Notdienst von 250 Euro.

 

Abschließend geht die ABDA in der Stellungnahme noch auf die anstehenden Verhandlungen des Apothekenabschlages für das Jahr 2013 ein. Sie erwartet, dass mit dem Auslaufen des auf zwei Jahre befristeten Sonderopfers der Abschlag im kommenden Jahr wieder auf den Ausgangswert von 1,75 Euro sinkt, wobei das Ergebnis der noch laufenden Gerichtsverfahren für die Jahre 2009 und 2010 berücksichtigt wird. Bei den Verhandlungen zum Abschlag für 2013 sollen dann die Faktoren für die Anpassung des Festzuschlages kein zweites Mal berücksichtigt werden.

Auch die Apothekengewerkschaft Adexa hält die Berechnung des BMWi für falsch. Die Honorarerhöhung reiche nicht aus, um die gestiegenen Kosten in den Apotheken auszugleichen und angemessene Gehaltserhöhungen der Apothekenmitarbeiter zu finanzieren. Niedrige Löhne führten aber zu einer Abwanderung des Nachwuchses in andere Branchen. Diese Entwicklung wäre für die Arzneimittelversorgung einer alternden Gesellschaft fatal, schreibt die Gewerkschaft in ihrer Stellungnahme. Die Interessen der 131 000 Beschäftigten in Apotheken müssten im Änderungsentwurf zur Arzneimittelpreisverordnung berücksichtigt werden.

 

Bei den Krankenkassen kommen die Forderungen der Apotheker naturgemäß schlecht an. Zwar bezeichnen GKV-Spitzenverband, AOK-Bundesverband und der BKK-Bundesverband den Wunsch der Apotheker nach einer Honoraranpassung als grundsätzlich berechtigt. Die AOK schiebt dann aber gleich hinterher, dass die aktuelle Forderung sachlich falsch und interessengeleitet sei. Eine Anhebung um 25 Cent hält die Kasse für »nur schwer nachvollziehbar«. Beim BKK-Bundesverband vermisst man belastbare Zahlen, die eine solche Erhöhung rechtfertigten und der GKV-Spitzenverband findet die angebotenen 190 Millionen Euro »großzügig bemessen«. Die Spitzenorganisation der Kassen wirft den Apothekern sogar noch eine »seit Monaten vorgetragene Larmoyanz« vor.

 

Nur ein Taschenspielertrick

 

Den Vorsitzenden des Deutschen Apothekerverbandes (DAV), Fritz Becker, stört das Verhalten der Krankenkassen erheblich. Das Pauschalargument, die Apotheker hätten keine verlässlichen Daten, sei nicht mehr als ein durchschaubarer Taschenspielertrick, sagte er. Wer keine Argumente habe, ziehe eben die Daten des anderen in Zweifel. Der DAV-Vorsitzende stellt sich auch gegen die Forderungen der Krankenkassen, weitere Kostensteigerungen in den Apotheken bei den zukünftigen Abschlagsverhandlungen nicht mehr zu berücksichtigen. Die Schiedsstelle habe einen Kriterienkatalog zur Berechnung des Abschlages aufgestellt. Es gebe keinen Anlass, von diesem abzuweichen, so Becker.

 

Die Verbände hatten bis vergangenen Freitag Gelegenheit, ihre Stellungnahmen zum »Entwurf einer zweiten Verordnung zur Änderung der Arzneimittelpreisverordnung« abzugeben. Nun muss das BMWi diese bewerten. Auch das Kanzleramt wird in den weiteren Prozess einbezogen. Die Bundesländer sind es dagegen nicht. Sie haben bei der Änderung der Arzneimittelpreisverordnung kein Mitspracherecht. Voraussichtlich im September wird dann der Gesetzgeber die neue Preisverordnung verabschieden.

 

Ob eine Vergütung jenseits von 8,35 pro Packung noch möglich ist, lässt sich nur schwer prognostizieren. Die Apotheker in Schleswig-Holstein haben dafür in der vergangenen Woche mit rund 50 Apothekern vor dem Landtag in Kiel protestiert (lesen Sie dazu auch Apothekenhonorar: Protestaktion in Kiel). Über den Protest haben viele Medien berichtet. Der PR-Ausschuss der ABDA hat am vergangenen Mittwoch in Berlin auch bundesweite und regionale Protestaktionen der Apotheker diskutiert. Klein beigeben werden die Apotheker also sicher nicht.

 

Auf der anderen Seite ist die politische Unterstützung für die Apotheker auf einzelne Gesundheitspolitiker der Union und die Bundesländer Hessen, Bayern und Niedersachsen beschränkt. Das dürfte noch zu wenig sein. /

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