Pharmazeutische Zeitung online
COPD

Kranke Lunge, schlechte Prognose

03.08.2015  13:52 Uhr

Von Katja Renner / Die chronisch obstruktive Bronchialerkrankung (COPD) ist eine Volkskrankheit mit einer hohen Mortalitätsrate. Die Therapieziele sind vielfältig: Akutverschlimmerungen und die Progression der Symptomatik reduzieren sowie die Belastbarkeit und Lebensqualität der Patienten verbessern. Apotheker leisten einen wichtigen Beitrag zu einem optimalen Krankheits­management.

Die COPD ist mehr als eine oft lapidar als Raucherhusten bezeichnete Erkrankung. Sie ist eine lebensbedrohliche Lungenerkrankung, die Menschen in ihrer Lebensqualität enorm beeinträchtigt, stetig fortschreitet und nicht zu heilen ist. Medikamentöse und nicht-medikamentöse Maßnahmen können nur den Verlauf verlangsamen und die Symptome reduzieren.

 

Die World Health Organisation (WHO) berichtet, dass 2012 weltweit mehr als drei Millionen Menschen an den Folgen einer COPD gestorben sind. Diese steht damit auf Platz vier der Liste der häufigsten Todesursachen. Bis 2020 soll sie laut Statistik sogar auf den dritten Rang aufsteigen (1). In Deutschland sind etwa 15 Prozent der über 40-Jährigen und etwa 30 Prozent der über 70-Jährigen an einer COPD erkrankt (2). Experten schätzen, dass die Zahl der Betroffenen von etwa 6,8 Millionen (2010) weiter steigen wird auf 7,9 Millionen im Jahr 2030 (3).

 

Ursachenforschung

Wie bei vielen Krankheiten sind genetische und individuelle, aber auch exo­gene Einflüsse für die Entstehung der COPD verantwortlich. Der entscheidende Risikofaktor ist langjähriger ­Tabakkonsum (Tabelle 1). So sind etwa 90 Prozent der Erkrankungen auf das Rauchen zurückzuführen. Die verbleibenden 10 Prozent werden mit anderen Risikofaktoren, zum Beispiel Passivrauchen, Exposition gegenüber Feinstäuben, Anstieg der Innenraumverschmutzung in den Entwicklungsländern und wiederholte Atemwegsinfektionen im Kindesalter (6) in Zusammenhang gebracht.

 

Nicht jeder Raucher erkrankt an ­einer COPD. Die körpereigene Widerstandsfähigkeit gegen die ständige Noxe Tabakrauch ist individuell sehr unterschiedlich. Ein internationales Forschungskonsortium konnte 16 neue Genorte identifizieren, die mit der Funktion und Gesundheit der Lunge assoziiert sind. Wissenschaftler postulieren, dass das Krankheitsrisiko durch das Zusammentreffen bestimmter genetischer Polymorphismen mitbestimmt wird (4, 5). Bisher gibt es allerdings keine diagnostischen Möglichkeiten, die eine »Prognose« für eine spätere Lungenschädigung ­erlauben. Generell steigt das Risiko für die COPD in Abhängigkeit von den Raucherjahren und der Anzahl der ­gerauchten Zigaretten.

 

Die Abkürzung COPD steht für die englische Bezeichnung »chronic obstructive pulmonary disease«, die im Deutschen mit »chronisch obstruktive Lungenerkrankung« übersetzt wird. Der Krankheitsbegriff beinhaltet, dass es sich um eine lebenslange fortschreitende Erkrankung handelt, die mit ­einer Verengung (Obstruktion) der Atemwege einhergeht.

Tabelle 1: Differenzialdiagnose von Asthma und COPD (2)

Merkmal Asthma COPD
Alter bei Erstdiagnose meist Kindheit und Jugend meist 5. bis 6. Lebensdekade
Tabakrauchen kein Kausalzusammenhang überwiegend Raucher
Atemnot anfallsartig auftretend bei Belastung
Allergie häufig selten
Reversibilität der Obstruktion Gut reversibel: Δ FEV1 > 15 %, variabel, episodisch nicht voll reversibel, progredient
Ansprechen auf Corticosteroide regelhaft vorhanden gelegentlich


Fortschreitende Symptome

 

Typischerweise wird die COPD im fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert, wenn der Betroffene erste Beschwerden bemerkt. Dann sind die irreversiblen Umbauprozesse in der Lunge meist schon so weit fortgeschritten, dass ein großer Teil des Lungenvolumens nicht mehr wiederherstellbar ist. Viele COPD-Patienten erleben die ersten Symptome im vierten bis fünften Lebensjahrzehnt. Zunächst stellt sich häufiger Husten mit Auswurf ein, dieser wird mit den Jahren chronisch und von Atemnot unter Belastung begleitet. Später leiden die Patienten auch in Ruhe unter Atemproblemen. Mediziner sprechen von der sogenannten AHA-Symptomatik: Auswurf – Husten – Atemnot. Als weitere Krankheitszeichen nennen Betroffene Engegefühl in der Brust und Atemgeräusche wie Giemen und Pfeifen.

 

Rauchen schädigt das für die Reinigung der Bronchien so wichtige Flimmerepithel nachhaltig. Der Schleim wird nicht mehr ausreichend aus den Bronchien heraustransportiert und ­bietet einen guten Nährboden für Bakterien und Viren. Die unspezifische ­Reizung der Schleimhäute führt zur vermehrten Freisetzung von Acetylcholin und Entzündungsmediatoren, die eine Konstriktion der Bronchialmuskulatur, vermehrte Schleimsekretion und Ödembildung begünstigen.

 

Insgesamt kommt es zu einer Verengung der Bronchien. Anders als bei Asthma bronchiale ist diese Obstruk­tion irgendwann irreversibel. Während die Entzündungsprozesse bei Asthma über CD4+-T-Zellen, Eosinophile und Mastzellen gesteuert werden, sind bei der COPD CD8+-T-Zellen mit Neutrophilen und Makrophagen für die Ausprägung verantwortlich (7).

 

Die Obstruktion der Bronchien bewirkt, dass die Luft nicht mehr vollständig ausgeatmet und weniger sauerstoffreiche Luft eingeatmet werden kann. Der Patient spürt dabei Luftnot, besonders bei Anstrengung. Viele COPD-Patienten vermeiden deshalb körperliche Bewegung und kommen so in einen Teufelskreis. Verminderte Muskelarbeit führt zum Muskelabbau, die allgemeine Kondition nimmt ab – so auch die Funktion des Herzens. In der Folge verschlechtert sich die allgemeine Belastbarkeit bei der Bewältigung des normalen Alltags, oft begleitet vom sozialen Rückzug der Betroffenen.

 

Leiden Raucher regelmäßig unter Luftnot bei Anstrengungen, sollte das Apothekenteam ihnen dringend raten, ihre Lungenfunktion beim Arzt überprüfen zu lassen.

 

Akute Verschlechterung

Immer wieder leiden Patienten im fortgeschrittenen Stadium unter Exazerbationen. Diese sind definiert als akutes Ereignis, das durch eine akute Verschlechterung der Symptomatik und einer damit verbundenen Anpassung der Therapie charakterisiert ist (6). Exazerbationen können die Reaktion auf extreme Temperaturschwankungen, Infektionen, Abgase oder Stäube sein.

 

Um Komplikationen unter Atemwegsinfekten im Winter vorzubeugen, sollten Apotheker COPD-Patienten auf die Pneumokokken- und Influenza-Schutzimpfung hinweisen. In den Phasen der Exazerbation sind im Gegensatz zur Standardtherapie Antibiotika und Glucocorticoide angezeigt, um die Dauer und Schwere der Symptome zu verringern.

 

COPD-Patienten identifizieren

 

Für die zielgerichtete Beratung in der Apotheke ist es wichtig zu wissen, für welche Lungenerkrankung der Patient seine Medikamente bekommt. Allein aufgrund der ärztlichen Verordnung ist der Rückschluss auf eine COPD nicht immer möglich. Die Tabelle 1 stellt die typischen Unterschiede zwischen Asthma bronchiale und COPD gegenüber (2). Im Beratungsgespräch sind folgende Fragen hilfreich:

 

  • Gegen welche Erkrankung hat Ihnen der Arzt diese Medikamente verordnet?
  • Treten bei Ihnen Husten, Luftnot und Auswurf auf; wenn ja wie oft?
  • Wie lange leiden Sie bereits unter den Atembeschwerden – sind diese chronisch?
  • Gibt es bekannte Allergien?
  • Verschlimmert sich Ihre Luftnot ­unter körperlicher Anstrengung?
     

Ein langjähriger Raucher ist leicht an der Stimme, der grauen Hautfarbe und am Geruch zu erkennen. Berichten ­ältere Menschen (über 50 Jahre), die rauchen, aber keine Allergien haben, über die typischen Symptome, liegt der Verdacht auf eine COPD nahe. Da es aber auch Mischformen – COPD mit asthmatischer Begleitkomponente – gibt, ist eine Allergiehistorie nicht per se ein Ausschlusskriterium.

 

Leider kennen viele Patienten ihre Diagnose selbst nicht genau und können mit dem Begriff COPD nicht viel an­fangen. Eine Befragung anlässlich des deutschen Lungentags 2011 hat gezeigt: 89 Prozent der Befragten ­wussten, dass Rauchen zu den Risikofaktoren von Lungen- und Atemwegs­erkrankungen zählt. Jedoch kannten nur 6 Prozent die Erkrankung COPD (8).

Tabelle 2: Schweregrad-Einteilung der stabilen COPD mittels FEV1-Werten (in Prozent vom Soll), gemessen nach Gabe eines Bronchodilatators; nach Global Initiative for Obstructive Lung Disease, GOLD (6)

Schweregrad Charakteristika
0 (Risikogruppe) normale Spirometrie; chronische Symptome (Husten, Auswurf)
I (leichtgradig) FEV1 ≥ 80 Prozent vom Soll; FEV1/VK < 70 Prozent; mit oder ohne chronische Symptome (Husten, Auswurf, Dyspnoe, evtl. bei starker körperlicher Belastung)
II (mittelgradig) FEV1: 50 bis < 80 Prozent vom Soll, FEV1/VK < 70 Prozent mit oder ohne chronische Symptome (Husten, Auswurf, Dyspnoe)
III (schwer) FEV1: 30 bis < 50 Prozent vom Soll, FEV1/VK < 70 Prozent, mit oder ohne chronische Symptome (Husten, Auswurf, Dyspnoe)
IV (sehr schwer) FEV1< 30 Prozent vom Soll oder FEV1< 50 Prozent vom Soll mit chronischer respiratorischer Insuffizienz, FEV1/VK < 70 Prozent

FEV1: forciertes Ausatemvolumen in einer Sekunde; VK: Vitalkapazität

Blue Bloater und Pink Puffer

 

COPD-Patienten im fortgeschrittenen Krankheitsstadium sind oft an blau-­roten Verfärbungen der Haut und der Lippen – Zeichen einer ständigen Sauerstoffunterversorgung des Blutes – zu identifizieren. Dieser Patiententyp wird deshalb als »Blue Bloater« bezeichnet. Oft ist er übergewichtig mit gleichzeitigem Verlust an Muskelmasse und ­leidet unter starkem Husten, Auswurf und Sauerstoffmangel. Diese Patienten sollte der Apotheker auf eine ­fettarme, aber eiweißreiche Ernährung mit dem Ziel der Gewichtsreduktion hinweisen.

 

Im Gegensatz dazu ist der »Pink Puffer« stark untergewichtig und leidet an Reizhusten und Atemnot. Hier steht das Lungenemphysem, eine irrever­sible Überblähung der Alveolen mit Untergang des Lungengewebes, im Vordergrund. Die »Pink-Puffer-Patienten« verbrennen extrem viel Energie durch Beanspruchung der Atemhilfsmuskulatur und brauchen eine hyperkalorische Ernährung. Können sie nicht ausreichend Energie mit der Nahrung aufnehmen, nehmen sie ungewollt ab ­Untergewicht hat jedoch negative Auswirkungen auf die Prognose und die ­Lebensqualität. Wenn das Körpergewicht weiter sinkt und sich der Ernährungszustand nicht stabilisiert, kann hochkalorische Trinknahrung aus der Apotheke helfen, die Energie- und Nährstoffversorgung zu sichern.

 

Klassifikation nach GOLD

 

Die Ausprägung einer COPD wird im aktuellen GOLD-Report (GOLD: Global Initiative for Obstructive Lung Disease) anhand von vier Parametern beurteilt (Abbildung 1 und Tabelle 2): objektiv messbare Werte der Lungenfunktion, subjektive Beschwerden, Symptom­ausmaß des Patienten (COPD-Assessment-Test, CAT, oder mMRC-Score) und Exazerbationsrisiko, gemessen an der Häufigkeit von Schüben in den vergangenen zwölf Monaten.

Der CAT ist ein Fragebogen mit acht Fragen, die zum Beispiel die Häufigkeit des Hustens, die Menge des Auswurfs und die Einschränkungen bei den Alltagsaktivitäten abfragen. Aus dem abschließend gebildeten Score wird der aktuelle Gesundheitszustand abgeleitet. Der mMRC-Score wird nach dem Interview eines Patienten mithilfe des modifizierten Medical-Research-Council-Dyspnoe-Fragebogens ermittelt. Hier wird der Status der Atemnot des Patienten festgestellt und mit dem Sterblichkeitsrisiko korreliert.

 

Anhand dieser Kriterien werden die Patienten in die Risikogruppen A bis D eingeteilt (Abbildung 1). Patienten der Gruppe A haben eine geringe Symptomatik (Atemnot, Husten), eine nur ­wenig eingeschränkte Lungenfunktion und nicht mehr als eine Exazerbation im letzten Jahr. Die Symptome der Patienten der Gruppe B sind stärker ausgeprägt. Patienten der Gruppe C leiden unter stärkeren funktionellen Beeinträchtigungen und/oder häufigeren oder schwereren Exazerbationen. In der Gruppe D sind die Patienten mit der stärksten Symptomatik, hohem Exazerbationsrisiko sowie starker Beeinträchtigung der Lungenfunktion.

 

Für die Bestimmung des Schweregrads zählt immer der höchste Risikoparameter. Beispiel: Ein Patient hat relativ gute FEV1-Werte (FEV1: forciertes Einsekunden-Ausatemvolumen) und gehört danach betrachtet zum GOLD-Stadium 2. Da er aber ein hohes Exazerbationsrisiko (zwei oder mehr Exazerbationen im Jahr) und einen CAT-Score von 15 hat, ist sein Schweregrad D. Das Schema berücksichtigt also, dass das Exazerbationsrisiko und die Symptome bei Patienten mit ähnlichen FEV1-­Werten unterschiedlich stark ausgeprägt sein können.

Fallbeispiel: Adhärenzprobleme

Ein Stammkunde, etwa 70 Jahre alt, Raucher und COPD-Patient, legt in der Apotheke eine Verordnung vom Pneumologen über Spiriva®, Salbutamol und Prednisolon-Tabletten 20 mg vor. Er erzählt der Apothekerin, dass er aufgrund eines Infekts sehr schlecht Luft bekomme und daher zusätzlich zu den bekannten Medikamenten Tabletten einnehmen müsse. Von Cortison halte er aber gar nichts. Vielleicht reichten doch höhere Dosierungen der beiden Inhalationsmittel aus.

 

Die Apothekerin erkennt ein klares Adhärenz-Problem. Sie überprüft in der Kundenkartei die weiteren Medikamente des Patienten und stellt fest, dass dieser auch noch ein Budesonid-Dosieraerosol im Bestand haben müsste. Auf Rückfrage stellt sich heraus, dass der Patient dieses seit Längerem nicht mehr benutzt, weil es keinerlei spürbare Besserung brachte.

 

Auch wenn die klinischen Laborwerte für die genaue Bewertung der Therapie fehlen, ordnet die Apothekerin den Patienten aufgrund der Exazerbation in die Klassifikation C ein. Die Therapie des Pneumologen entspricht den Leitlinien. Die Apothekerin überzeugt den Patienten mit einer klaren Nutzen­argumentation, die Cortison-Tabletten einzunehmen und die Budesonid-Inhalation wie verordnet durchzuführen – mit dem Ziel, die starken Beschwerden rasch zu reduzieren. Sie erklärt, dass der Arzt vermutlich die Dosierung von Prednisolon ausschleichen wird und bei einer kurzzeitigen Cortison-Anwendung keine nennenswerten Nebenwirkungen auftreten. Um die Verbesserung sichtbar zu machen, gibt sie ein Peak-Flow-Meter mit und empfiehlt die zweimal tägliche Kontrolle und Dokumentation der Werte in einem Tagebuch. Weiter rät sie, vor der nächsten Grippesaison unbedingt an die Influenza- und Pneumokokken-Impfung zu denken. Schließlich greift sie das Thema Raucherentwöhnung auf. Tatsächlich antwortet der Patient, dass die Zigaretten wegen der starken Erkältung gar nicht so gut schmecken und er seit zwei Tagen nur eine bis zwei Zigaretten rauche. Motivierend hakt die Apothekerin ein: Dies sei eine gute Gelegenheit, komplett den Ausstieg zu probieren. Bereitwillig nimmt der Patient Informationsmaterial mit und verspricht, es zu versuchen.

Komorbiditäten sind häufig

 

Bei der Beratung sollten Apotheker bedenken, dass die meisten COPD-Patienten weitere chronische Erkrankungen haben. An erster Stelle stehen koronare Herzkrankheit und Herzinsuffizienz (9). Aber auch Osteoporose, metabolisches Syndrom und Krebserkrankungen treten häufig auf.

 

Unklar ist bisher, ob es sich dabei um Komorbiditäten, die durch die gleichen Noxen ausgelöst werden, oder um extrapulmonale Manifestationen der COPD handelt. Dessen ungeachtet sollten Begleiterkrankungen ebenfalls sorgfältig kontrolliert und behandelt werden (10).

Umfassende Therapie

 

Eine optimale Behandlung der COPD umfasst sowohl präventive als auch medikamentöse und nicht-medikamentöse Maßnahmen. Eine kluge Kombination aller Optionen trägt dazu bei, die Therapieziele zu erreichen:

 

  • Reduktion der Symptome,
  • Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit,
  • Prävention und Reduktion der Schwere von Exazerbationen,
  • Steigerung der allgemeinen Lebensqualität.
     

Das A und O der Prävention sind die Schutzimpfungen (gegen Pneumokokken und Influenza) und die Raucherentwöhnung. Langjährige Raucher zum Verzicht zu motivieren, ist nicht leicht. Apotheker sollten sich dennoch trauen, Patienten offen und mit der Technik der motivierenden Gesprächsführung (11) darauf anzusprechen. Selbst kurze Beratungsangebote mit Information führen bei jedem Zehnten zum Rauchstopp (12).

 

Nicht-medikamentöse Maßnahmen werden in der Apotheke viel zu selten vorgeschlagen, sind aber unverzichtbar. Dazu gehören körperliches Training, Physiotherapie, Ernährungsberatung und die Patientenschulung. Um den Teufelskreis von Luftnot – Bewegungsvermeidung – Dekonditionierung – Muskelabbau zu durchbrechen, sind Lungensportprogramme oder ­Rehabilitationsmaßnahmen wichtige Bausteine der Therapie. Empfehlenswert sind Ausdauersportarten wie Radfahren, Wandern oder Schwimmen, die die Kondition verbessern. Spezielle Atemübungen (13) können helfen, die Atemmuskulatur zu trainieren, zu optimieren und die Atem­leistung zu intensivieren.

 

Außerdem sollte jeder COPD-Patient Übungen wie Lippenbremse, Kutscher- oder Tischsitz beherrschen, denn diese sind wichtige Hilfen für akute Notfallsituationen mit Atemnot (Abbildung 2). Diese beiden Haltungen steigern das Luftvolumen und entspannen die Muskulatur. Bei der Lippenbremse wird gegen die leicht geschlossenen Lippen ausgeatmet; damit steigt der Druck in den tieferen Atemwegen ­etwas an und der Schleim kann besser mobilisiert werden.

 

Das Apothekenpersonal sollte die Patienten über diese Atemtechniken informieren und zum regelmäßigen Üben motivieren. Dann wird der Patient diese im Akutfall quasi automatisch machen.

 

Um die eigene Krankheit besser zu managen, ist ein gutes Wissen über die pathophysiologischen Prozesse, die Wirkung der Arzneimittel und die Inhalationstechniken essenziell. Informa­tionen aus der Apotheke können dazu beitragen, die Selbstkontrolle der COPD zu verbessern und Exazerbationen zu reduzieren (14).

Fokus auf Bronchial­erweiterung

 

Wesentliches Ziel der Arzneimittel­therapie ist es, die Obstruktion der Bronchien zu vermindern. Beta-2-Sympathomimetika und Muscarinrezeptor-Antagonisten sind die zentralen Wirkstoffgruppen zur Bronchodilatation (Tabelle 3). Sie können entweder bei Bedarf (kurz wirksame Stoffe) oder regelmäßig (lang wirksame) angewendet werden. Die Inhalation ist die bevorzugte Applikationsweise der Bronchodilatatoren (15).

 

Bei leichten Beschwerden wird eine Monotherapie eingeleitet. In fortgeschrittenen Stadien kommen häufig Kombinationen und lang wirksame Substanzen zum Einsatz. So kann beispielsweise eine Kombination aus zwei Bronchodilatatoren besser wirksam sein und weniger Nebenwirkungen auslösen als die Erhöhung der Dosis ­eines einzelnen Bronchodilatators (16).

 

Ob man die Therapie mit einem lang wirksamen Beta-2-Sympathomimetikum oder einem Anticholinergikum einleitet, ist dem Arzt überlassen. Bezüglich der Wirksamkeit gibt es keine signifikanten Unterschiede. Dagegen wird Theophyllin wegen der engen therapeutischen Breite bei neu diagnostizierten COPD-Patienten nur noch als Mittel der zweiten Wahl verordnet.

 

Die Bronchialerweiterung steht bei der Therapie der COPD im Mittelpunkt – im Gegensatz zum Asthma bronchiale. Hier ist die antientzündliche Therapie mit inhalativen Glucocorticoiden vorrangig. Inhalative Steroide in Kombination mit lang wirksamen Bronchodilatatoren sind bei der COPD vor allem bei schwer erkrankten Patienten mit hohem Exazerbationsrisiko angezeigt, wenn diese nicht mehr ausreichend auf Bronchodilatatoren ansprechen (15).

 

Der Phosphodiesterase-(PDE-4)-Hemmer Roflumilast ist eine Therapieergänzung für Patienten mit schwerer bis sehr schwerer COPD und häufigen Exazerbationen. Der peroral bioverfügbare Wirkstoff hat keine bronchial­erweiternden Effekte, sondern wirkt antiinflammatorisch und senkt so die Rate an schweren Exazerbationen. Die Therapie sollte langfristig erfolgen, zumal die Wirkung erst nach einigen ­Wochen eintritt. Allerdings können gastrointestinale Nebenwirkungen die Patienten belasten.

Schulung zu den Inhalationshilfen

 

Jeder Patient, der Arzneimittel inhaliert, braucht eine Einführung in die richtige Inhalationstechnik des jeweiligen Gerätes. Denn nur bei korrekter Inhalation ist ein maximaler Anwendungserfolg möglich. Apotheker können mit einer Schulung der Inhalationstechnik erheblich dazu beitragen (17).

Bei den inhalativen Arzneiformen unterscheiden Experten die Flüssig- und Trockensysteme. Dosieraerosole, die eine Lösung oder Suspension vernebeln, haben verschiedene Vorteile: Sie sind unabhängig von der Atmungskapazität und dosisgenau auch unter Luftnot anwendbar. Dies ist insbesondere für Patienten im fortgeschrittenen Krankheitsstadium günstig. Allerdings erfordert die Inhalation eine koordinierte Auslösung des Sprühstoßes parallel zur Einatmung. Haben Patienten Probleme mit der Koordination, sollten sie einen Spacer verwenden.

 

Bei Pulverinhalatoren ist keine Mund-Hand-Koordination nötig, da der Auslösemechanismus vom Atemzug gesteuert wird. Nachteilig ist, dass die Freisetzung der Dosis vom Inspirationsfluss abhängt und im Notfall oft nicht ausreichend funktioniert. Pulverinhalatoren, die ein Pulverreservoir enthalten, sind außerdem feuchtigkeitsempfindlich und müssen trocken gelagert werden.

 

Langzeitbehandlung mit Sauerstoff


Für Patienten mit einer stark fortgeschrittenen COPD und Hypoxämie im Stadium III oder IV, bei denen auch die medikamentöse Therapie keine Besserung bringt, kann eine Sauerstoff-Langzeitbehandlung angezeigt sein.

 

Normalerweise erhält der Betroffene über die Nase mindestens 16 Stunden lang Sauerstoff aus einer Gasflasche. Ziel ist es, den arteriellen Sauerstoffpartialdruck über 60 mmHg (die Normwerte liegen zwischen 81 und 94 mmHg) anzuheben und so die Atemmuskulatur zu unterstützen. /

Die Autorin

Katja Renner studierte Pharmazie an der Rheinischen Friedrich Wilhelm Universität, Bonn, und wurde an der Universität Köln promoviert. Seit 1996 ist sie in öffentlichen Apotheken tätig. Sie arbeitet seit 2000 als Dozentin für verschiedene Apothekerkammern und die ABDA. Ihr Schwerpunkt ist die praxisnahe Fortbildung zu Themen wie Depression, Kinder- oder Atemwegs­erkrankungen sowie zu Arzneimitteln in der Schwangerschaft. Sie ist Mitglied des Fort- und Weiter­bil­dungs­ausschusses der Apothekerkammer Nordrhein und gehört zum Projektteam von ATHINA. Dr. Renner veröffentlichte zahlreiche Artikel in Fachzeitschriften und ist Buchautorin.

 

Dr. Katja Renner

Patersgraben 9

41849 Wassenberg

E-Mail: k.k.renner@t-online.de

Literatur 

  1. Chronic obstructive pulmonary disease (COPD). Factsheet Nr. 315. www.who.int/&shy; mediacentre/factsheets/fs315/en/
  2. Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Fachgesellschaften (AWMF), Nationale Versorgungsleitlinie COPD. Version 1.9 2012.
  3. Interview mit Prof. Heinrich Worth zum Welt-COPD-Tag. Ärztezeitg. vom 17. 11. 2010; www.aerztezeitung.de/medizin/krankhei ten/asthma/article/626622/welt-copd-tag-fruehe-therapie-haelt-copd-kranke-laenger-fit.html?sh=6&h=725567036
  4. Repapi, E., et al., Genome-wide association study identifies five loci associated with lung function. Nature Genetics 42 (2010) 36-44.
  5. Artigas, M. S., et al., Genome-wide associa­tion and large-scale follow up identifies 16 new loci influencing lung function. Nature Genetics 43 (2011) 1082-1090.
  6. GOLD – Global Initiative for Chronic Ob­structive Lung Disease, Global Strategy for Diagnosis, Management, and Prevention of Chronic Obstructive Pulmonary Disease (evidence-based guidelines). Update 2010.
  7. Holloway, R. A., Donnelly, L. E., Immunopathogenesis of chronic obstructive pulmonary disease. Curr. Opin. Pulm. Med. 19 (2013) 95-102.
  8. www.forschung-fuer-unsere-gesundheit.de/zielgruppen-navigation/presse/meldungen-aus-der-gesundheitsforschung/copd-weitgehend-unbekannt.html
  9. Müllerova, H., et al., Cardiovascular comorbidity in COPD: systematic literature review. Chest 144 (2013) 1163-1178.
  10. Worth, H., Leitliniengerechte Diagnostik und Therapie der COPD. Der niedergelassene Arzt 5 (2013) 52-56.
  11. Miller, W. R., Rollnick, S., Motivierende Gesprächsführung. Lambertus-Verlag 2009.
  12. Britton, J., Knox, A., Helping people to stop smoking: the new smoking cessation guidelines. Thorax 54 (1999) 1-8.
  13. www.luft-zum-leben.de/lzl/content/rund_um_die_therapie/nichtmedikamentoese_therapie/mit_atemuebungen_lernen_bes ser_luft_zu_bekommen/index_ger.html
  14. Worth, H., Dhein, Y., Does patient education modify behavior in the management of COPD? Patient Educ. Couns. 52 (3) (2004) 267-270.
  15. Rose, O., Friedland, K., Angewandte Pharmakotherapie. Wiss. Verlagsges. 2015, S. 117.
  16. Borchard-Tuch, C., COPD – Atmung in Not. Pharm. Ztg. 157, Nr. 19 (2012) 24-31.
  17. Hämmerlein, A., Müller, U., Schulz, M., Pharmacist-led intervention study to improve inhalation technique in asthma and COPD patients. J. Eval. Clin. Practice (2010) 1-10.

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