Ohne Anlass schweißgebadet |
23.07.2010 17:50 Uhr |
Von Annette Immel-Sehr / Schwitzen ist eine lebensnotwendige Fähigkeit unseres Organismus. Wenn der Körper jedoch zu viel Schweiß produziert, kann es zur Qual werden. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, eine Hyperhidrose zu behandeln.
Schwitzen schützt den Körper vor Überhitzung. Zentrale Schaltstelle zur Regulierung der Körpertemperatur ist der Hypothalamus. Wenn thermosensorische Afferenzen melden, dass die Ist-Temperatur über der Soll-Temperatur liegt, werden die Schweißdrüsen angeregt. Das Verdunsten des Schweißes kühlt den Körper ab, zusätzlich führt die Weitstellung der kutanen Blutgefäße zur Wärmeabgabe. Die Thermoregulation ist ein komplexes Geschehen, bei dem zahlreiche Faktoren eine Rolle spielen. So erhöht beispielsweise Progesteron die Körpertemperatur und senkt die Schweißrate, wohingegen Estrogen den gegenteiligen Effekt hat (1).
Der Mensch hat etwa zwei Millionen Schweißdrüsen. Die weitaus überwiegende Zahl gehört zu den ekkrinen Schweißdrüsen. Ihre wichtigste Funktion ist die Thermoregulation. Ekkrine Drüsen sind im Durchmesser nur 0,4 Millimeter groß und kommen überall auf der Haut vor. Besonders zahlreich sind sie an Handflächen, Fußsohlen, Achselhöhlen und Stirn. Diese Schweißdrüsen werden über das sympathische Nervensystem aktiviert. Dabei wird Acetylcholin freigesetzt, das postsynaptisch an Muskarinrezeptoren bindet und die Sekretion auslöst.
Neben der thermoregulatorischen Schweißbildung gibt es beim Menschen auch ein emotional bedingtes Schwitzen. Emotionen und Stress regen die Schweißproduktion vor allem im Gesicht, unter den Achseln, an Handflächen und Fußsohlen an.
Der andere Drüsentypus, die apokrinen Schweißdrüsen, kommt insbesondere in den Achselhöhlen und in der Urogenitalregion vor. Diese sind wesentlich größer, nämlich drei bis fünf Millimeter im Durchmesser. Ab der Pubertät sezernieren sie unter hormoneller Steuerung ein visköses Sekret, das den individuellen Geruch eines Menschen prägt. Bei der Hyperhidrose spielen sie praktisch keine Rolle (2).
Lokal oder am ganzen Körper
Krankhaft vermehrtes Schwitzen ist relativ häufig. Etwa drei Prozent der Bevölkerung, Männer und Frauen gleichermaßen, sind von einer Hyperhidrose betroffen. Allerdings ist die Grenze zwischen normalem und übermäßigem Schwitzen fließend. Ob man im Grenzbereich von einer Erkrankung spricht, liegt vor allem daran, ob der Betroffene darunter leidet.
Übermäßiges Schwitzen kann den ganzen Körper oder ausschließlich eine oder mehrere Körperflächen betreffen. Man unterscheidet daher zwischen einer generalisierten und einer fokalen Hyperhidrose. Meist zeigt sich die Störung erstmals in der Pubertät. Die fokale Form betrifft am häufigsten die Axillen und/oder Handflächen und Fußsohlen, kann jedoch auch auf Stirn, Nacken und Oberkörper auftreten. Meist ist keine Ursache erkennbar, die Betroffenen sind ansonsten ganz gesund. Dagegen ist die generalisierte Hyperhidrose in vielen Fällen sekundärer Natur, das heißt, sie ist Ausdruck einer anderen Erkrankung (Kasten). Auch einige Arzneimittel kommen als Ursache infrage. So können beispielsweise Venlafaxin, Duloxetin, Opioide und Parasympathomimetika die Schweißproduktion verstärken.
Malignome (Lymphome)
Infektionserkrankungen (Tuberkulose, Endokarditis, Borreliose)
Hypertonie
Autoimmunerkrankungen
Morbus Parkinson
Läsionen des Rückenmarks
Dysregulation nach Querschnittslähmung
Hyperthyreose
Klimakterium
Phäochromozytom
adrenogenitales Syndrom
Hypoglykämie, Diabetes mellitus
Karzinoid
Eine Sonderform ist das gustatorische Schwitzen (Frey-Syndrom): Beim Essen und Trinken, vor allem heißer Speisen, bilden sich Schweißperlen auf Oberlippe, Wangen und Stirn. Auch beim gustatorischen Schwitzen ist die Grenze zwischen normal und krankhaft fließend. Ursache kann eine Nervenschädigung aufgrund von Läsionen oder Tumoren sein, die zu einer Fehlinnervation der Schweißdrüsen im Gesicht führt. Oft ist aber auch hier kein Grund erkennbar.
Die genaue Ätiologie der primären Hyperhidrose ist nicht bekannt. Die Schweißdrüsen sind weder histopathologisch verändert noch ist ihre Anzahl erhöht oder ihr Durchmesser vergrößert (2). Nach heutiger Kenntnis lässt sie sich, recht unpräzise, als komplexe Dysfunktion beschreiben, die zu einer sympathischen Übersteuerung der Schweißdrüsen führt. Offensichtlich gibt es eine genetische Prädisposition: Bei 30 bis 65 Prozent der Patienten findet man eine positive Familienanamnese.
Die Betroffenen klagen über anfallsartige Schweißausbrüche bei minimaler psychischer oder physischer Belastung. Schmerz, Angst, Lampenfieber oder Freude lassen den Schweiß in Sekundenschnelle aus den Poren schießen. Verstärkend wirken Nikotin und Koffein und eine erhöhte Außentemperatur. Häufig entwickelt sich eine vollständig autonome Fehlsteuerung, sodass die Patienten auch ohne jeden erkennbaren Anlass schweißgebadet sind.
Das belastet auch die Haut. Die Hornschicht weicht auf, was die Besiedelung mit Bakterien, Viren oder Pilzen begünstigt. Häufig erweisen sich diese Hautinfektionen so lange als therapieresistent, bis es gelingt, die Hyperhidrose effektiv zu therapieren (3, 4).
In ständiger Angst
Eine Hyperhidrose, insbesondere in mittlerer und schwerer Ausprägung, erzeugt einen erheblichen Leidensdruck. Die Patienten bekommen Probleme im sozialen Umfeld, denn nassgeschwitzte Kleidung oder nasskalte Hände wirken auf viele Mitmenschen abstoßend, wenn nicht sogar ekelerregend. Bei vielen Berufen ist Hyperhidrose an den Handflächen ein praktisches Hindernis, da Schweiß Werkstoffe angreift und diffizile Handarbeiten beeinträchtigt. Ärzte, Apotheker, Zahnärzte, Krankenpfleger oder Physiotherapeuten haben große Schwierigkeiten, wenn sie die Patienten mit nasskalten Händen anfassen sollen.
Die Betroffenen leben oft in der ständigen Angst, in einem ungelegenen Moment einen Schweißausbruch zu bekommen. Dieser psychische Stress reicht häufig schon aus, um wieder »schweißgebadet« zu sein. Schnell entsteht ein Teufelskreis, den sie ohne Hilfe kaum durchbrechen können.
Hitzewallungen und Schwitzattacken im Klimakterium: eine häufige Form der sekundären Hyperhidrose.
Foto: Superbild
Dabei gibt es eine Reihe von symptomatischen Therapien, die die übermäßige Schweißproduktion relativ schnell mildern können. Zusätzlich sollte man im Sinne einer kausalen Behandlung versuchen, die nervale Überaktivität »von innen« herunterzuregulieren. Entspannungstechniken wie autogenes Training oder progressive Muskelentspannung nach Jacobson und der Abbau von dauerhaften Stressfaktoren mithilfe einer Psychotherapie sind hilfreich. Mit diesem zweigleisigen Therapieansatz kann die Erkrankung meist sehr gut beherrscht werden.
Systemisch therapieren
Welche Therapieoption geeignet ist, hängt von der Ausprägung und Schwere der Erkrankung ab (Tabelle). Vor allem bei der generalisierten Hyperhidrose gilt es zunächst zu klären, ob eine andere Erkrankung möglicherweise die Beschwerden verursacht. Primärerkrankungen sollten unbedingt gezielt behandelt werden; meist normalisiert sich dadurch auch die Überaktivität der Schweißdrüsen.
Ansonsten sind bei generalisierter Hyperhidrose anticholinerge Medikamente die Mittel der Wahl. Zugelassen für diese Indikation sind Bornaprin (Beispiel: Sormodren®) und Methantheliniumbromid (Beispiel: Vagantin®). Letzteres wird meist besser vertragen, ist aber laut klinischer Erfahrung vieler Dermatologen weniger effektiv (3). Beide müssen einschleichend dosiert werden. Wie bei Anticholinergika nicht anders zu erwarten, können Obstipation, Schlafstörungen, Tachykardien, Mundtrockenheit und Akkomodationsstörungen als Nebenwirkungen auftreten. Diese sind häufig der Grund, warum die Dosis nicht so weit erhöht werden kann, dass sich die Schweißproduktion völlig normalisiert.
Schweregrad | Hyperhidrosis axillaris | Hyperhidrosis palmoplantaris |
---|---|---|
leicht | Haut ist verstärkt feucht, Schwitzflecken in der Kleidung: 5 bis 10 cm Durchmesser | Hand- oder Fußflächen sehr feucht |
mäßig stark | Schweißperlen auf der Haut, Schwitzflecken: 10 bis 20 cm Durchmesser | Schweißperlen, Schwitzen streng auf Handflächen und Fußsohlen beschränkt |
stark | Schweiß tropft ab, Schwitzflecken größer 20 cm | Schweißperlen auch an rückseitigen Flächen von Fingern oder Zehen sowie am seitlichen Fußrand, Schweiß tropft ab |
Eine Empfehlung für die Selbstmedikation bei milder Hyperhidrose ist Salbeitee oder -extrakt (Beispiel: Sweatosan®). Die Anwendung von Zubereitungen aus Salvia officinalis bei vermehrter Schweißsekretion geht auf eine lange Tradition zurück. Das zuständige Komitee der Europäischen Medizinagentur (EMA) hat eine entsprechende Monographie erarbeitet und die Plausibilität der Wirksamkeit bestätigt.
Darüber hinaus gibt es für viele Arzneistoffe Einzelfallberichte über eine antihidrotische Wirkung. Dies sind beispielsweise Amitriptylin und Paroxetin, Propranolol, Diltiazem, Phentolamin, Clonidin, Gabapentin und Indometacin (1, 2).
Topisch bei fokalem Schwitzen
Eine fokale Hyperhidrose wird meist topisch behandelt. Bei leicht und mäßig ausgeprägter Symptomatik sind Aluminiumsalze wie Aluminiumchloridhexahydrat oder -acetat Mittel der ersten Wahl. Aluminiumsalze bilden mit Eiweißen und nekrotischen Zellen einen Pfropf und verschließen so die Ausführungsgänge der Schweißdrüsen. Magistralrezepturen für 15- und 20-prozentige Zubereitungen als Gel, wässrige oder alkoholische Lösung findet man im Neuen Rezeptur Formularium (NRF).
Anfangs sollte der Patient das betroffene Areal alle zwei bis drei Tage abends behandeln. Eine abendliche Anwendung ist sinnvoll, da die Sympathikusaktivität nachts minimal ist und die Zubereitung nicht gleich wieder vom Schweiß abgewaschen wird. Vor allem zu Beginn der Behandlung sind Hautreizungen relativ häufig, die jedoch nach wiederholten Anwendungen meist fast vollständig verschwinden (3). Um die Irritationen zu mildern, sollte man die behandelte Stelle morgens reinigen. Aluminiumsalze wirken an Handflächen und Fußsohlen weniger stark als unter den Achseln; der Effekt kann durch Okklusion, zum Beispiel Plastikhandschuhe oder -folie, verbessert werden. Ein deutlicher therapeutischer Effekt ist innerhalb von drei Wochen zu spüren (2). Er hält nach Absetzen einige Wochen bis zur Erneuerung der Epidermis an.
Bei milder Form der Hyperhidrosis helfen auch frei verkäufliche Antiperspiranzien, die Aluminiumchlorid meist in 1- bis 2-prozentiger Konzentration enthalten. Mitunter muss man das Produkt jedoch mehrmals täglich anwenden, um einen ausreichenden Effekt zu erzielen.
Auch natürliche und synthetische Gerbstoffe (Beispiele: Tannolact®, Tannosynt®) können über eine Eiweißfällung die Ausführungsgänge der Schweißdrüsen verschließen. Der entstehende Pfropf wird mit der natürlichen Abschilferung der Hornzellen wieder beseitigt. Gerbstoffpräparate sind in der Regel sehr gut verträglich, wirken aber im Vergleich zu Aluminiumsalzen schwächer und kürzer (3).
Eine weitere Substanz zur topischen Applikation ist das Anticholinergikum Glycopyrrolat, das bei gustatorischem Schwitzen angewendet wird. Das NRF enthält eine Magistralrezeptur. Die Salbe soll vor dem Essen auf die betreffende Hautpartie aufgetragen werden.
Mit Strom gegen das Übel
Vor allem für die Behandlung einer fokalen Hyperhidrose an Handflächen und/oder Fußsohlen hat sich die Leitungswasser-Iontophorese als nebenwirkungsarme und effektive Methode etabliert. Dabei werden Hände oder Füße in ein Wasserbad getaucht oder mit feuchten Elektroden versehen. Mittlerweile gibt es auch spezielle Schwämme und Masken für die Iontophorese unter den Achseln und im Gesicht. Diese ist bisher jedoch kaum verbreitet.
Bei der Iontophorese werden kontinuierliche oder hochfrequent gepulste Ströme durch definierte Hautareale geleitet. Als Wirkungsmechanismus vermutet man, dass der Strom den Ionentransport im sekretorischen Knäuel der Schweißdrüsen reversibel stört. Heute bevorzugt man zunehmend die Pulsstrommethode, da es bei Gleichstrom bei falscher Handhabung leicht zu kleinen Stromschlägen (Weidezauneffekt) kommt (5).
Die Therapie ist relativ zeitaufwendig: Initial sollte sie mindestens drei- bis viermal wöchentlich erfolgen. Je Extremität dauert sie 10 bis 15 Minuten. In der Erhaltungsphase können eine bis zwei Therapiesitzungen pro Woche ausreichen. Nach sechs bis zehn Anwendungen hat sich die Schweißproduktion in der Regel normalisiert (2). Bei acht von zehn Patienten wirkt das Verfahren (6). Allerdings hält der Therapieerfolg meist nur so lange an, wie die Anwendung regelmäßig erfolgt. Als Nebenwirkungen können Erytheme, Brennen und Bläschenbildung auftreten.
Eine Iontophorese ist kontraindiziert bei Menschen mit einem implantierten elektronischen Gerät, zum Beispiel einem Herzschrittmacher, oder Metallimplantaten, bei Patienten mit Herzrhythmusstörungen sowie bei Schwangeren und Frauen mit einem metallhaltigen Intrauterinpessar (5).
Mittlerweile gibt es die Iontophorese auch für die Anwendung zu Hause. Nach erfolgreichem Therapiebeginn in der ärztlichen Praxis und Verordnung eines Geräts durch den Arzt übernimmt die Krankenkasse in den meisten Fällen die Kosten für das Gerät.
Allzweckwaffe Botulinumtoxin A
Ein weitere, mittlerweile etablierte Therapie bei fokaler Hyperhidrose ist die intradermale Injektion von Botulinumtoxin A (1, 4, 7-9). Das Toxin hemmt die Freisetzung von Acetylcholin aus den Synapsen an den Schweißdrüsen und damit den Nervenimpuls. Um eine effektive Hemmung der Schweißproduktion zu erreichen, muss Botulinumtoxin in Abständen von ein bis eineinhalb Zentimetern tief in die Haut gespritzt werden. Pro Achselhöhle sind etwa acht bis zwölf Injektionen nötig.
Vor der Behandlung sollte das Areal mit einem Iod-Stärke-Test eingegrenzt werden (Kasten). Bei bis zu 95 Prozent der Patienten ist die Schweißproduktion nach drei bis fünf Tagen erheblich gedrosselt. Die Wirkung hält meist sechs bis sieben Monate an – so lange bis neue Nervenendigungen einsprossen (1, 2). Dann kann die Behandlung wiederholt werden.
Da die Injektionen an der Handfläche aufgrund der vielen Gefühlsnerven schmerzhaft sind, erfolgen sie unter Lokalanästhesie. Unter den Achseln ist eine Anästhesie meist nicht nötig (3). Als Nebenwirkung bei Injektionen an der Hand kann es zu einer vorübergehenden Schwächung der Handmuskeln kommen. In der Regel führt diese jedoch zu keiner wesentlichen Einschränkung und klingt innerhalb weniger Wochen wieder ab (4). Kontraindikationen für Botulinumtoxin sind neuromuskuläre Erkrankungen wie Myasthenia gravis sowie Schwangerschaft und Stillzeit (2).
Hinsichtlich Wirkdauer und Ansprechrate ist die Injektion von Botulinumtoxin den anderen Therapieoptionen überlegen. Es ist selbst bei stark ausgeprägter Hyperhidrose wirksam.
Letzter Ausweg
Wenn die konservative Behandlung keinen befriedigenden Therapieerfolg bringt, kann es mit einem chirurgischen Eingriff gelingen, die Hyperhidrose zu beherrschen. Man unterscheidet zwei Strategien: Blockade der Nervenleitung oder Entfernung von Schweißdrüsen.
Bei der endoskopischen thorakalen Sympathikusblockade blockiert der Arzt in einer minimal invasiven Operation den Sympathikusnerv auf Höhe der Brust. Die Übertragung des Schwitzimpulses zu den Händen, den Achseln und/oder zum Kopf wird so unterbrochen. Diese Methode wird schon seit Jahrzehnten angewandt und führt beispielsweise bei Hyperhidrose an den Handflächen bei gut drei Viertel der Patienten zu einer Besserung über Jahre (1). Zur Behandlung einer Fußsohlen-Hyperhidrose werden tieferliegende Ganglien entfernt (endoskopische lumbale Sympathektomie). Hier liegt die Erfolgsquote etwas niedriger (2).
Mit dem Iod-Stärke-Test lässt sich die von einer fokalen Hyperhidrose betroffene Körperfläche näher eingrenzen. Dazu wird Iodlösung auf die Haut aufgetragen und anschließend Stärkepulver darüber gestreut. Kommen diese Substanzen in Kontakt mit Schweiß, färben sie sich violett.
Der Schweregrad der Hyperhidrose lässt sich mithilfe der Gravimetrie erfassen: Ein Filterpapier wird für eine definierte Zeiteinheit, zum Beispiel eine Minute, auf die zuvor abgetrocknete Fläche von Achseln, Handfläche oder Fußsohle aufgebracht. Die absorbierte Schweißmenge wird durch Abwiegen bestimmt. Die Methode eignet sich nicht nur zur Diagnose, sondern auch zur Kontrolle des Therapieerfolgs.
Doch der Erfolg der Sympathektomie wird mitunter teuer erkauft. Bis zu 90 Prozent der Patienten entwickeln kompensatorisch milde bis heftige Schwitzattacken an anderen Körperstellen. Während beispielsweise die Hände nun trocken sind, kann es zu erheblicher Schweißbildung am Unterleib und den Beinen kommen (10).
Ein anderer operativer Eingriff, der nur bei axillärer Hyperhidrose angewandt wird, ist die möglichst vollständige Entfernung der Schweißdrüsen durch Achselsaugkürettage. Über kleine Hautschnitte wird die Haut unter örtlicher Betäubung von ihrer Rückseite her behandelt. Anders als es die Bezeichnung der Methode vermuten lässt, wird nichts abgesaugt, sondern die untere Hautschicht, in der die Schweißdrüsen sitzen, wird teilweise abgetragen. Je radikaler die Abtragung, desto besser ist der Erfolg. Allerdings steigt gleichzeitig das Risiko von Wundheilungsstörungen. Insgesamt liegen die Erfolgsraten bei bis zu 90 Prozent. Das kosmetische Ergebnis ist in der Regel gut, doch sind Narbenbildung, Hautnekrosen und Hautverfärbungen möglich (1). Unter Umständen kommt es zu Rezidiven, sodass Wiederholungsoperationen nötig sein können (11).
Früher war ein drastischeres Verfahren üblich. Dabei wurde über einen oder mehrere Schnitte ein Hautareal mitsamt den Schweißdrüsen herausgeschnitten. Die Folgen waren häufig Wundheilungsstörungen und große Narben. Heute wird diese Methode kaum noch angewandt.
Einfache Tipps für den Alltag
In der Apotheke kann man dem Kunden auch einige Allgemeinmaßnahmen empfehlen. Wichtig sind lockere luftige Kleidung aus Baumwolle oder Leinen sowie Lederschuhe statt Schuhe mit Gummisohlen und -innenfutter. Der tägliche Wechsel der (Baumwoll-)Socken sollte selbstverständlich sein.
Beim Essen sollte man etwas aufpassen: Heiße Speisen und Getränke, große, voluminöse Mahlzeiten, scharfe Gewürze, Alkohol und Koffein können die Schweißbildung drastisch verstärken (3). Mehrmaliges tägliches Waschen mit Deoseifen oder Syndets sowie die Verwendung von Desodoranzien und feuchtigkeitsabsorbierenden Pudern auf Talkum-Basis können die Schweißproduktion und Geruchsbildung mindern.
Es ist nicht sinnvoll, zwischen der Therapie fokaler und generalisierter Hyperhidrose streng zu trennen. Patienten mit ausgeprägter Hyperhidrosis axillaris können durchaus von einer systemischen Therapie etwa mit Methantheliniumbromid profitieren; andererseits kann es bei einer generalisierten Hyperhidrose sinnvoll sein, einzelne Areale zusätzlich mit Aluminiumchlorid zu behandeln (12). Auf keinen Fall sollten die Dinge und Verfahren außer Acht gelassen werden, die der Seele guttun und sie stärken. /
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Annette Immel-Sehr studierte Pharmazie in Bonn und Frankfurt/Main. Nach der Approbation 1988 wurde sie mit einer Arbeit über ein pharmakologisches Thema am Pharmakologischen Institut für Naturwissenschaftler der Universität Frankfurt promoviert. Von 1992 bis 1999 war Dr. Immel-Sehr als Referentin für Aus- und Fortbildung bei der ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände tätig. Seither arbeitet sie freiberuflich als Beraterin für Wissenschafts-PR und als Fachjournalistin.
Dr. Annette Immel-Sehr
Behringstraße 44
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