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Kampf gegen die Veranlagung

21.07.2008  16:31 Uhr

Kampf gegen die Veranlagung

Übergewicht verbreitet sich wie eine Epidemie. Die Zahl der Dicken steigt seit Jahren immer schneller: Während 1995 etwa 200 Millionen Menschen als fettleibig galten, waren es im Jahr 2000 bereits 300 Millionen. Das Problem ist auch in Deutschland zu erkennen: Zwei Drittel der Männer und die Hälfte der Frauen haben einen Body-Mass-Index von mehr als 25 und gelten damit als übergewichtig. Jeder fünfte Deutsche ist sogar adipös, wie die Nationale Verzehrsstudie II ergab. Dem Kinder- und Jugendgesundheitssurvey zufolge sind 1,9 Millionen Kinder und Jugendliche übergewichtig und etwa 800.000 adipös. Gegenüber den 1980er-Jahren hat sich die Zahl verdoppelt.

 

Der Anstieg hängt eindeutig auch mit den Veränderungen der Lebensgewohnheiten zusammen: Die Menschen bewegen sich zu wenig und essen zu viel, zu süß, zu fett. Heute weiß man jedoch, dass die Ernährung nur die eine Seite der Medaille ist. Es mehren sich die Hinweise, dass auch die Gene für Körpergewicht und die Figur entscheidend sind (siehe dazu Adipositas: Fehler in der Appetitregulation). Aus Zwillingsstudien ist bekannt, dass das Gewicht zu 70 Prozent durch die genetische Veranlagung bestimmt wird.

 

Das bedeutet jedoch nicht, dass Dicksein schicksalhaft ist. Die genetische Ausstattung der Menschheit hat sich in den vergangenen drei Jahrzehnten nicht so dramatisch verändert, als dass dies die Übergewichtsepidemie erklären könnte. Es ist vielmehr wie bei anderen Erkrankungen, etwa Diabetes: Wie sich eine ungünstige Veranlagung auswirkt, kann jeder durch seinen Lebensstil selbst beeinflussen. Übergewicht entsteht nur, wenn mehr Energie aufgenommen als verbraucht wird. Doch viele Deutsche brauchen dabei Hilfe. Nur etwa 8 Prozent der Deutschen können ihren täglichen Energiebedarf korrekt einschätzen.

 

Apotheker können hier helfen. Sie sind ein kompetenter Ansprechpartner in Ernährungsfragen. Gerade diejenigen Patienten, die ihr Übergewicht auf ihre Erbanlagen schieben, müssen zu einer gesunden Ernährung motiviert werden. Die genetische Disposition ist kein Alibi für Fatalismus, sie muss ein Ansporn sein, gegen Übergewicht und die damit assoziierten Erkrankungen anzukämpfen. Viele Apotheker haben ihre Bedeutung bereits erkannt: Rund 2000 Apothekerinnen und Apotheker haben von den Kammern angebotene Weiterbildungsseminare besucht und tragen die Zusatzbezeichnung »Ernährungsberatung«.

 

Die grundsätzlichen Zusammenhänge der Ernährungsphysiologie sollte jeder Apotheker kennen. Das verlangt schon sein Selbstverständnis als Gesundheitsexperte.

 

Christina Hohmann

Ressortleitung Medizin

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