Kartellamt durchsucht Verbände |
24.07.2007 16:51 Uhr |
Kartellamt durchsucht Verbände
Von Daniel Rücker
Das Bundeskartellamt hat vergangenen Mittwoch die Büros von Apothekerverbänden in fünf Bundesländern durchsuchen lassen. Betroffen waren die Geschäftsstellen der Landesapothekerverbände Baden-Württemberg, Nordrhein, Mecklenburg-Vorpommern, Berlin und Thüringen. Die Verbände sollen ihre Mitglieder zum Boykott des Pharmagroßhändlers Celesio/Gehe aufgefordert haben.
Alle Verbände weisen die Anschuldigungen entschieden zurück. »Wir haben zu keiner Zeit Boykottaufrufe verfasst«, sagt etwa der Geschäftsführer des Apothekerverbands Mecklenburg-Vorpommern, Dr. Heinz Weiß. Sein Verband habe die Mitglieder über die Übernahme von DocMorris durch Gehe und die damit »geplante Transformation des Apothekenwesens« zu informieren. Das sei die Pflicht des Verbandes. Den Vorwurf, die Mitglieder beeinflusst zu haben, hält er, wie die anderen Verbände auch, für aus der Luft gegriffen.
Der Geschäftsführer des Berliner Apothekervereins, Friedrich-Wilhelm Wagner, sieht dem Ausgang eines möglichen Rechtsstreits gelassen entgegen: »Die Vorwürfe werden sich im Laufe der Untersuchungen als haltlos erweisen.« Ähnlich sieht es die Geschäftsführerin des Landesapothekerverbandes Baden-Württemberg, Ina Hofferberth: »Wir haben nichts Unrechtes getan und nichts zu verbergen. Insofern kooperieren wir nach besten Kräften mit den ermittelnden Beamten, um den Sachverhalt schnell aufzuklären und die Vorwürfe zu entkräften.« Und auch der Vorsitzende des Apothekerverbands Nordrhein, Thomas Preis, bleibt gelassen: »Das Kartellamt steht am Anfang der Ermittlungen. In den kommenden Wochen wird sich zeigen, dass wir uns stets an die Gesetze gehalten haben.«
Sensible Daten beschlagnahmt
In Schwerin wunderte sich Weiß über das teils sehr energische Auftreten der Ermittlungsbehörden. Bei der Durchsuchung waren sie nicht zimperlich. Dabei fielen auch sensible Daten in ihre Hände. So konnte der Verband nicht verhindern, dass trotz seines Widerspruchs ein Ordner mit den Umsatzklassen der Mitglieder beschlagnahmt wurde. Geschäftsführer Weiß: »Die Unterlagen haben keinen Bezug zu den Vorwürfen. Wenn diese vollständige Marktübersicht aber in falsche Hände käme, hätte dies fatale Konsequenzen.« Kritik gab es auch in Erfurt: »Das Vorgehen war überzogen«, sagte der Vorsitzende des Thüringer Apothekerverbands, Michael Karow. Die Arbeit der Geschäftsstelle sei erheblich beeinträchtigt worden. Die Ermittler nahmen Rundschreiben, Schnellinformationen und Sitzungsprotokolle, Terminpläne und Briefe mit. Zudem kopierten die Ermittler die auf den Rechnern gespeicherten Daten. Warum gerade diese fünf Verbände ins Fadenkreuz des Kartellamtes geraten sind, ist den Betroffenen ein Rätsel. Das Amtsgericht Bonn wirft ihnen vor, »ihre Mitglieder mindestens seit Ende April 2007 zu einer Bezugssperre gegenüber dem bundesweit tätigen Pharmagroßhändler Celesio/Gehe aufgefordert zu haben, um Celesio/Gehe Unsatzeinbußen zuzufügen, die das Unternehmen dazu veranlassen sollen, von dem im April 2007 erfolgten Erwerb von DocMorris wieder Abstand zu nehmen.«
(1) Unternehmen und Vereinigungen von Unternehmen dürfen nicht ein anderes Unternehmen oder Vereinigungen von Unternehmen in der Absicht, bestimmte Unternehmen unbillig zu beeinträchtigen, zu Liefersperren oder Bezugssperren auffordern.
(2) Unternehmen und Vereinigungen von Unternehmen dürfen anderen Unternehmen keine Nachteile androhen oder zufügen und keine Vorteile versprechen oder gewähren, um sie zu einem Verhalten zu veranlassen, das nach diesem Gesetz oder nach einer aufgrund dieses Gesetzes ergangenen Verfügung der Kartellbehörde nicht zum Gegenstand einer vertraglichen Bindung gemacht werden darf.
(3) Unternehmen und Vereinigungen von Unternehmen dürfen andere Unternehmen nicht zwingen, einer Vereinbarung oder einem Beschluss im Sinne der §§ 2, 3 oder 28 Abs. 1 beizutreten oder zweitens sich mit anderen Unternehmen im Sinne des § 37 zusammenzuschließen oder drittens in der Absicht, den Wettbewerb zu beschränken, sich im Markt gleichförmig zu verhalten.
(4) Es ist verboten, einem anderen wirtschaftlichen Nachteil zuzufügen, weil dieser ein Einschreiten der Kartellbehörde beantragt oder angeregt hat.
Konkretere Vorwürfe gebe es bislang nicht, sagt Frank Eickmann, Sprecher des LAV Baden-Württemberg. Er kann nicht erkennen, dass sein Verband anders über die Marktentwicklungen informiert haben soll, als die zwölf Verbände, die nicht durchsucht wurden. Wer die Verbände angezeigt hat, ist nicht bekannt. Aus anderen Quellen gibt es allerdings deutliche Hinweise darauf, dass die Anzeige aus dem Umfeld von Celesio/Gehe selbst kommt. Sollten die Verbände tatsächlich bestraft werden, dann kann das für sie teuer werden. Verstöße gegen das Boykottverbot (siehe Kasten) sind Ordnungswidrigkeiten, sie können mit hohen Geldstrafen belegt werden.
Wir sollen mundtot gemacht werden
Die Apothekerverbände halten die Anzeige für einen Versuch, die Interessensvertretungen zu schwächen. Weiß: »Wir sollen mundtot gemacht werden.« Es sei eine der zentralen Aufgaben der Verbände, ihre Mitglieder über Trends und Marktentwicklungen zu informieren. Ein Aufruf zum Boykott sei das nicht. Jedem Apotheker stehe es frei, aus solchen Informationen seine Schlüsse zu ziehen. Er sei für sein Unternehmen alleine verantwortlich.
Celesio nahm die Durchsuchungen zum Anlass, gegen die Verbände Stimmung zu machen. Es werde deutlich, dass den Apothekerverbänden legale Argumente gegen Celesio fehlten, hieß es aus der Stuttgarter Konzernzentrale. Eine mutige Interpretation, wird doch bislang lediglich ermittelt, noch wurde kein Verband angeklagt.
Nach Informationen der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 20. Juli haben zwei Gehe-Zweigstellenleiter die Apothekerverbände angezeigt. Das ist wenig verwunderlich, denn die Zahl der Apotheker, die dem DocMorris-Besitzer den Rücken kehren, steigt weiter. Nach Brancheninformationen hat Gehe seit April kräftig verloren. Zwischen 20 und 25 Prozent soll der Umsatz eingebrochen sein. Bemerkenswert und nicht wirklich ein Argument für ein gesetzeswidriges Verhalten ist hierbei eine Aussage des Großhändlers gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Dort verkündete ein Unternehmenssprecher, man habe mit diesen Rückgängen gerechnet und werde die Verluste binnen eines Jahres wieder aufholen. Warum dann eine Anzeige, wenn alles nach Plan läuft?
ABDA und Deutscher Apothekerverband sind von dem Verfahren nicht betroffen. Das Deutsche Apothekerhaus in Berlin wurde nicht durchsucht. Auch bei den Spitzenverbänden hält sich die Sorge über die Ermittlungen des Kartellamtes in Grenzen. Dort kann man sich nicht vorstellen, dass die fünf betroffenen Verbände tatsächlich zum Boykott aufgerufen haben.
Das Bundeskartellamt will nun prüfen, ob bereits die Information über die 90-Prozent-Beteiligung von Celesio an DocMorris ein Boykottaufruf ist. Aus meiner Überzeugung nein! Dann hätten auch wir, als Pharmazeutische Zeitung, vom Kartellamt durchsucht werden müssen. Immerhin sind wir im Spiegel dieser Woche im Zusammenhang mit der Celesio/DocMorris-Aktion als Branchenorgan mit Giftbiss charakterisiert worden. Ähnlich, wie es unsere Pflicht ist, über aktuelles Marktgeschehen zu berichten und dieses auch kritisch zu bewerten, müssen auch die Apothekerverbände ihre Mitglieder informieren. Was der einzelne Apotheker mit der Information macht, ist allein seine Sache. Offensichtlich haben viele die Konsequenz gezogen und ihre geschäftlichen Beziehungen mit der Celesio-Tochter Gehe abgebrochen. Vor dem Hintergrund, dass Celesio/Gehe selbst in einer Pressemeldung den Umsatzrückgang als einkalkuliert bezeichnet, ist es allerdings nicht nachvollziehbar, dass zwei Gehe-Zweigstellenleiter die Verbände angezeigt haben sollen. Offensichtlich tun die Einbußen den Stuttgartern doch weh, zumindest den Mitarbeitern, die dadurch ihre Provisionen verlieren.
Professor Dr. Hartmut Morck
Chefredakteur