Pharmazeutische Zeitung online

Nicht um jeden Preis

18.07.2018  10:29 Uhr

Der chargenbezogene Rückruf Valsartan-haltiger Arzneimittel hat in den vergangenen Tagen für große Verunsicherung bei Patienten und deutliche Mehrarbeit in den Apotheken gesorgt. Grund für den Rückruf ist die Verunreinigung des Arzneistoffs eines chinesischen Herstellers mit dem wahrscheinlich krebserregenden N-Nitrosodimethylamin. Es wird ver­mutet, dass die Verunreinigung deshalb in den Arzneistoff und die daraus hergestellten Fertigarzneimittel gelangte, weil das Unternehmen ein ­neues – gewinnträchtigeres – Verfahren zur Synthese von Valsartan einsetzte (lesen Sie dazu Verunreinigung: Wie kam NDMA ins Valsartan?).

 

Es bleibt festzuhalten, dass das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte nach Bekanntwerden der Verunreinigung zuverlässig ­reagiert hat und die Rückrufe schnell organisiert beziehungsweise in ­enger Abstimmung mit der Apotheker- und Ärzteschaft Informationen und Handlungsanweisungen für Patienten bereitgestellt hat. Dennoch bleiben Fragen, die von den Verantwortlichen in den Unternehmen und Aufsichtsbehörden schnell und umfassend beantwortet werden müssen. Wurde die Änderung im Herstellungsprozess des Arzneistoffs den ­nationalen und internationalen Überwachungsbehörden rechtzeitig ange­zeigt? Welche Maßnahmen wurden getroffen, um Qualität und Unbedenklich­keit des Arzneistoffes nach der Umstellung des Syntheseprozesses zu garantieren? Seit wann besteht das Wissen um die gefähr­liche Verunreinigung und wer wurde wann wie informiert? Die Beant­wortung dieser Fragen drängt, nicht zuletzt um massiv erschüttertes Patienten­vertrauen nicht gänzlich zu verlieren.

 

Der Skandal wirft darüber hinaus kein gutes Licht auf das deutsche ­System der Arzneimittelversorgung, dessen eine Grundfeste darin besteht, möglichst niedrige Preise für generische Arzneimittel durch Rabattverträge zu erzwingen. Es besteht kein Zweifel, dass ein solidarisches Gesundheits­system kostengünstige Arzneimittel benötigt, allerdings nicht um jeden Preis. Wirksamkeit, Unbedenklichkeit, pharmazeutische Qualität und Fälschungssicherheit von lebenswichtigen Arzneien können mit Tagestherapie­kosten von wenigen Eurocent – Monopräparate mit Valsartan kosteten im Jahr 2017 im Schnitt 0,14 Euro pro Tag – nicht dauerhaft sichergestellt werden. Wer also irrlichternd meint, dass der Preisdruck auf generische Arzneimittel beliebig erhöht werden kann, der befindet sich auf einer gesundheitspolitischen Geisterbahnfahrt mit ungewissem Ausgang für die Patienten.

 

Professor Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz 

Mitglied der Chefredaktion 

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