Risikogruppe Geschwisterkinder |
12.07.2010 17:37 Uhr |
Von Ulrike Abel-Wanek, Frankfurt am Main / Chronisch kranke und behinderte Kinder fordern meistens die ganze Aufmerksamkeit der Eltern. Das kann sich auch auf die Entwicklung gesunder Geschwister auswirken. Die Novartis-Initiative »Familienbande« setzt sich für diese Kinder ein.
Mit knapp drei Jahren wurde bei Justus ein Diabetes Typ 1 diagnostiziert. Für den zwei Jahre älteren Adrian ein doppeltes Problem: zunächst die »Entthronung« als Einzelkind durch die Geburt des Bruders und dann die Krankheit, um die sich lange Zeit alles zu drehen schien. Adrian entwickelte ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung) mit einer ausgeprägten Störung des Sozialverhaltens. Er kam in der Schule nicht mehr mit, fing als Jugendlicher mit Drogen an und musste später in eine Klinik zum Entzug. »Hier wurde zu spät erkannt, dass ein therapeutischer Bedarf bestand«, sagte Dr. Dirk Mundt. Der Chefarzt des Sozialpädiatrischen Zentrums in Düren begrüßte bei einem Pressegespräch im Juni in Frankfurt am Main die Initiative »Familienbande«, da sie erstmals eine Vernetzung bestehender Angebote ermögliche.
Zwischen 2,6 und 4,4 Millionen Kinder wachsen in Deutschland mit einem Bruder oder einer Schwester auf, die ein chronisches Gesundheitsproblem haben. Das kranke Kind spielt zwangsläufig eine zentrale Rolle in der Familie. Die gesunden Kinder fühlen sich nicht nur zurückgesetzt, es lastet der ständige Druck auf ihnen, funktionieren zu müssen, um Mutter und Vater zu entlasten. Nicht jedes Kind hält das auf Dauer unbeschadet aus. Verhaltensstörungen in Schule und Freizeit, Ängste, Depressionen und Isolation können die Folge sein. »Viele Familien werden den Anforderungen zwar irgendwie gerecht, jedoch ist der Preis, den auch das gesunde Geschwister dafür zahlt, in einigen Familien sehr hoch«, erläuterte Privatdozent Dr. Michael Kusch vom Institut für Gesundheitsförderung und Versorgungsforschung an der Uni Bochum. Von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen, ist die Geschwisterthematik zumindest aber den Kinderärzten geläufig. Einer Studie des Beta-Instituts Augsburg zufolge halten über 90 Prozent eine systematische Prävention für nötig. Geschwisterkinder kämen häufig zu kurz, so die Beobachtung der Ärzte.
Mit der neuen Infoline »Familienbande« steht nun erstmals ein telefonischer Fachinformationsdienst zur Verfügung. Hier können Apotheker und Ärzte anrufen, wenn in Praxis oder Offizin Familien und Kinder auffallen, die aufgrund eines erkrankten oder behinderten Geschwisterkindes besonders belastet erscheinen. Die speziell geschulten Mitarbeiter der Hotline beraten, vermitteln Hilfsangebote und nennen passende örtliche Institutionen für die betroffenen Familien. In einer Datenbank werden zu diesem Zweck erstmals bundesweit systematisch alle Angebote für Geschwister gebündelt. Um herauszufinden, ob und welche Unterstützung ein Kind braucht, erarbeiten Kusch und sein Institut außerdem zurzeit einen Fragebogen für Arztpraxen.
Auch die Apotheker sind gefragt. Sie seien als Partner in diesem Projekt wirklich wichtig, sagte Novartis-Pressesprecherin Herlinde Schneider und hofft auf rege Beteiligung der Pharmazeuten bei der Infoline: Telefonnummer: 0180 5 322633, E-Mail: infoline(at)initiative-familienbande.de, www.initiative-familienbande.de. /