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Arzneimittel am Steuer

Häufig unterschätzte Gefahr

26.07.2013  10:37 Uhr

Von Conny Becker, Berlin / Der diesjährige Tag der Apotheke am 13. Juni hat sich mit Arzneimitteln beschäftigt, die die Fahrtüchtigkeit beeinflussen können. Dass zu diesem Thema in der Tat Aufklärungsbedarf besteht, zeigt eine Forsa-Umfrage unter 3014 Deutschen, die ABDA-Präsident Friedemann Schmidt vergangene Woche in Berlin vorgestellt hat.

»99 Prozent der Befragten wissen, dass Medikamente die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigen können. Aber das gilt nur für verschreibungspflichtige Medikamente«, sagte Friedemann Schmidt, Präsident der ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, auf einer Pressekonferenz anlässlich des Tags der Apotheke in Berlin. Zu OTC-Präparaten hätten die Deutschen offenbar »ein sehr entspanntes Verhältnis« und unterschätzten die Risiken daher oft.

Zu wenige informieren sich

 

So ergab eine von der ABDA in Auftrag gegebene telefonische Umfrage des Forsa-Instituts, dass zwar 96 Prozent der Befragten wissen, dass Beruhigungs- und Schlafmittel die Verkehrstüchtigkeit beeinträchtigen können. Bei Ophthalmika sehen hingegen nur 81 Prozent ein Risiko, bei Migränepräparaten sind es 75 Prozent. Bei Husten- und Erkältungsmitteln gehen 66 Prozent von einer möglichen Gefährdung im Straßenverkehr aus, bei Antiallergika sind es sogar nur 50 Prozent der Befragten. »Hier zeigt sich, dass die Werte unbedingt verbesserungswürdig sind«, so Schmidt. Das Thema des Tags der Apotheke, der in diesem Jahr vom Allgemeinen Deutschen Automobil-Club unterstützt wurde, sei laut Umfrage von großer Relevanz.

 

Die Umfrage ergab ferner, dass sich zwei Drittel der Befragten über das Risiko der eigenen Medikation schon einmal informiert haben. Dabei dienten ihnen in erster Linie der Beipackzettel (72 Prozent), der Arzt (49 Prozent) sowie das Apothekenteam (31 Prozent) als Informationsquelle (Mehrfachnennungen möglich). Im Internet recherchieren nur 10 Prozent. »Die schlechte Nachricht ist: Ein Drittel hat sich gar nicht informiert«, unterstrich der ABDA-Präsident. Diese Situation wolle man durch Aktionstage verbessern, die sowohl die Kunden motivieren sollen, sich zu erkundigen, als auch die Apotheken dazu anregen sollen, offensiver zu beraten.

 

Schaut man auf die Subanalysen, so wird deutlich, dass sich Befragte zwischen 30 und 59 Jahren ebenso wie Erwerbstätige intensiver informieren als die übrigen Teilnehmer der Umfrage. Gleichzeitig korreliert ein höheres Einkommen mit dem Informationsstand zur Arzneimitteltherapie. Doch offenbar schützt Wissen nicht vor Torheit. Denn 58 Prozent der befragten Autofahrer gaben an, schon einmal selbst gefahren zu sein, obwohl sie sich wegen einer Krankheit nicht fit gefühlt haben. Jeder Fünfte hat sich zudem schon einmal hinters Steuer gesetzt, obwohl er sich wegen einer Arzneimittelnebenwirkung unwohl gefühlt hat.

 

Dabei ignorierten mehr Männer als Frauen, mehr Erwerbstätige als Arbeitslose und mehr Menschen zwischen 30 und 44 Jahren als aus anderen Altersgruppen das Risiko einer eingeschränkten Verkehrstüchtigkeit durch Krankheit oder Nebenwirkungen. Das Paradoxe an diesem Ergebnis: Informierte verhalten sich unvorsichtiger als Nicht-Informierte. »Die Beratung muss aus unserer Sicht intensiviert werden und personalisierter erfolgen«, folgerte Schmidt. In der Apotheke könne gegebenenfalls auch ein Alternativpräparat gefunden werden, bei dem das Risiko einer möglichen Gefährdung im Straßenverkehr nicht besteht.

 

Kombination mit Alkohol

 

Im Rahmen der Umfrage wurde auch das Fehlverhalten während der Einnahme von Medikamenten eruiert. Obwohl weitläufig bekannt ist, dass Alkohol bei vielen Medikamenten zu Wechselwirkungen führen kann, gab fast jeder dritte Bürger an, schon einmal Alkohol getrunken zu haben, obwohl er am selben Tag ein Arzneimittel eingenommen hatte. Schmidts Fazit: »Was überhaupt nicht befriedigen kann, ist das hohe Maß an Ignoranz.« Wichtig für die Akzeptanz sei aber, weder das Autofahren noch den Alkoholkonsum unter bestimmten Medikationen pauschal zu verbieten. Vielmehr müsse man insbesondere bei chronisch kranken Menschen die Botschaft an der Lebens­realität orientieren. /

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