Kosten für ersten Neuling stehen fest |
19.06.2012 18:41 Uhr |
Von Stephanie Schersch / Ende Mai hatten sich der Spitzenverband der Krankenkassen und der Arzneimittelhersteller Astra-Zeneca auf einen Erstattungspreis für den Blutverdünner Ticagrelor (BriliqueTM) geeinigt. Nun gaben beide Seiten den verhandelten Betrag bekannt.
Er liegt bei 2 Euro pro Tag, die Jahrestherapiekosten betragen damit 730 Euro. Der Listenpreis für das Medikament liegt bei 2,48 Euro am Tag (Jahrestherapiekosten 905,20 Euro). In den Indikationen, in denen der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) Ticagrelor einen Zusatznutzen attestiert hat, wird das Medikament zudem als Praxisbesonderheit anerkannt. In diesen Fällen belastet die Verordnung des Thrombozytenaggregationshemmers das Budget des Arztes also nicht. Der Erstattungsbetrag gilt rückwirkend ab dem 1. Januar 2012 für drei Jahre. Laut GKV-Spitzenverband liegen die Einsparungen »mindestens im einstelligen Millionenbereich«.
Brilique ist das erste Arzneimittel, für das Krankenkassen und Hersteller einen Preis nach Vorgaben des AMNOG verhandelt haben.
Foto: Jonathan
Knowles
Die Einigung zwischen Astra-Zeneca und Kassenverband war mit Spannung erwartet worden, denn es war das erste Mal, dass Krankenkassen und Hersteller nach den Vorgaben des Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetzes (AMNOG) verhandelt haben. Vor dieser Gesetzesänderung konnte die Pharmaindustrie die Preise für neuartige Medikamente einfach selbst bestimmen. Ausgangspunkt der Verhandlungen war die Bewertung des GBA, der Ticagrelor einen erheblichen Zusatznutzen für Patienten mit einem akuten Koronarsyndrom in Form einer instabilen Angina pectoris oder eines Myokardinfarkts ohne ST-Strecken-Hebung im EKG bescheinigt hatte. Demnach profitieren rund 80 Prozent der Patienten mit akutem Koronarsyndrom stärker von Ticagrelor als von bisherigen Therapiemöglichkeiten.
Der Verhandlungsführer von Astra-Zeneca, Claus Runge, zeigte sich zufrieden mit dem Resultat. »Die Verhandlungen waren herausfordernd und beide Seiten haben Neuland betreten. Am Ende steht vor allem ein gutes Ergebnis für die Versorgung von Herzinfarktpatienten.« Johann-Magnus von Stackelberg, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des GKV-Spitzenverbands, sagte: »Der erste Erstattungspreis liegt vor und belegt, dass ein fairer Ausgleich zwischen den Interessen der Industrie und den Kassen auf dem Verhandlungswege möglich ist.« Innovationen bräuchten eine Zusatznutzenbewertung und eine Preisverhandlung nicht zu fürchten.
Geheime Preise
Viele Pharmaunternehmen haben hingegen große Bedenken beim Verfahren der Preisverhandlungen in Deutschland. Sie fürchten, dass damit auch ihr Auslandsgeschäft in Mitleidenschaft gezogen wird, da sich zahlreiche Länder bei der Festlegung von Erstattungsbeträgen am deutschen Preisniveau orientieren.
Die Preise in Deutschland dürften daher nicht veröffentlicht werden, fordert die Industrie. Sie will, dass die Verhandlungen vertraulich stattfinden. Einige Koalitionspolitiker haben in dieser Sache bereits Entgegenkommen signalisiert. Dem Vernehmen nach erwägen die Regierungsparteien, den Mechanismus der Preisverhandlungen zugunsten der Hersteller zu verändern. /