Kassen klar im Vorteil |
14.05.2014 12:01 Uhr |
Seit 2011 müssen die Hersteller neuer Arzneimittel deren Preise mit dem Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) aushandeln. Einigen sie sich nicht, entscheidet die Schiedsstelle nach Paragraf 130 b SGB V. Die Kassen haben hierbei die besseren Karten.
Unparteiischer Vorsitzender der Schiedsstelle ist Manfred Zipperer. Er sieht bei den Verhandlungen zwischen Spitzenverband und pharmazeutischem Hersteller die GKV klar im Vorteil. Deren Vertreter seien systembedingt an allen Verfahren beteiligt, nicht nur vor der Schiedsstelle, sondern bereits im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA). Dort wird der Zusatznutzen eines neuen Medikaments ermittelt. Nach der Regelung im Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG) ist dieser Zusatznutzen ein wichtiges Kriterium für die Höhe des Erstattungsbetrags. Neben Zipperer gibt es zwei weitere unparteiische Mitglieder der Schiedsstelle. Hinzu kommen jeweils zwei Vertreter von GKV und Industrie.
Hat der G-BA über den Zusatznutzen eines neuen Arzneimittels entschieden, dann habe der Hersteller zwei Möglichkeiten, sagte Zipperer. Entweder er steigt in die Preisverhandlungen mit der GKV ein oder er nimmt das Präparat aus dem deutschen Markt. Die Entscheidung muss das Unternehmen spätestens vier Wochen nach Veröffentlichung des G-BA-Beschlusses treffen. Stimmt der Hersteller der Verhandlung zu, kann er das Verfahren nicht mehr stoppen. Ein zwischenzeitlicher Ausstieg ist im Gesetz ausgeschlossen.
Schiedsstellenverfahren klar definiert
Gibt es zwischen GKV und dem Arzneimittelhersteller nach der G-BA-Nutzenbewertung keine Einigung, muss die Entscheidung im Schiedsstellenverfahren fallen. Dieses dauert laut Zipperer maximal drei Monate und ist im Gesetz ganz klar definiert. Verhandelt wird an dieser Stelle nicht mehr, ob die Ermittlung des Zusatznutzens im G-BA korrekt war. Die Schiedsstelle ist nicht berechtigt, die Entscheidungen des Gremiums zu revidieren. Sie darf deshalb auch nicht die im G-BA ermittelte Höhe des Zusatznutzens in frage stellen, sondern nur dessen Wert – und damit den Erstattungspreis des Medikaments – anders beurteilen als der Gemeinsame Bundesausschuss.
Das Schiedsverfahren läuft wie folgt ab: Hersteller oder GKV stellen einen Antrag auf Einleitung des Schiedsverfahrens. In diesem wird der Sachverhalt erläutert, das Verhandlungsergebnis zusammengefasst und die strittigen Vertragsteile werden dargestellt. Für das Verfahren gilt absolute Vertraulichkeit. Reicht trotz fehlender Einigung keine der beiden Parteien einen Antrag ein, muss die Schiedsstelle nach spätestens sechs Monaten selbst das Schiedsverfahren starten.
Während die GKV-Vertreter als ständiger Gast der Schiedsstelle ihre Strategie auf die gesetzlichen Vorgaben abstimmen konnten, ist es für viele Vertreter der jeweiligen Herstellerfirma die erste Verhandlung dieser Art. Es fällt ihnen laut Zipperer oft schwer, sich auf den engen Spielraum der Schiedsstelle einzulassen. Stattdessen übten sie Kritik an der Sinnhaftigkeit des G-BA-Verfahrens, was an dieser Stelle aber nicht mehr zur Disposition stehe.
Anfechtungsklage möglich
Um für Arzneimittel mit Zusatznutzen einen Erstattungsbetrag festzusetzen, muss die Schiedsstelle die Anforderungen an Zweckmäßigkeit, Qualität und Wirtschaftlichkeit einer Verordnung berücksichtigen. Weitere Kriterien sind die Abgabepreise in anderen Ländern und die Jahrestherapiekosten vergleichbarer Arzneimittel. Bei Präparaten ohne Zusatznutzen darf der Erstattungsbetrag nicht über den Kosten einer zweckmäßigen Vergleichstherapie liegen.
Ist eine Partei mit dem Schiedsspruch nicht zufrieden, kann sie eine Anfechtungsklage beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg einbringen. Dies hat zwar keine aufschiebende Wirkung. In diesem Verfahren ist aber im Gegensatz zum Schiedsspruch auch eine Korrektur des G-BA-Entscheids möglich.
Besonders stolz ist Zipperer, dass von den bislang 13 Verfahren nur ein einziges beklagt wurde. In fünf Fällen gab es einen Schiedsspruch, in vier Fällen eine Einigung, hinzu kommen drei noch nicht beendete Verfahren. Inwieweit die GKV im Ergebnis von ihrem Erfahrungsvorsprung profitiert, ließ Zipperer offen. Angesichts nur einer Klage gegen eine Schiedsstellenentscheidung scheinen die unparteiischen Mitglieder der Schiedsstelle mit der ungleich gewichteten Kompetenz der Verfahrensparteien angemessen umgehen zu können. /