Pharmazeutische Zeitung online
Magenprobleme

Schleimhaut im Stress

26.05.2015  13:42 Uhr

Von Verena Ruß / Das Problem kennen viele Menschen: hektisches Essen, fette Speisen, Stress und Ärger – das alles kann auf den Magen schlagen. Dieser reagiert mitunter empfindlich. Reizmagen, Gastritis, Reflux bis hin zum Ulcus können das Ergebnis sein. Reagiert man frühzeitig, lassen sich Magenprobleme ­vermeiden oder gut behandeln.

Jährlich werden in Deutschland circa 70 Millionen Erkrankungen des Ma­gen-Darm-Trakts registriert. Ein gutes ­Drittel davon betrifft den Magen. 90 Prozent der Patienten leiden an ­dyspeptischen Beschwerden oder Gastritiden, der Rest kämpft mit einer ­Refluxkrankheit oder einem Ulcus.

 

In vielen Fällen haben Magenprobleme psychische Ursachen, sodass akut bereits die Verminderung von Ärger, Ängsten oder Stress hilfreich sein kann. Auch eine Umstellung der Lebens- und Ernährungsgewohnheiten kann Linderung bringen.

 

Im Beratungsgespräch sollte das Apothekenteam die Symptome der Betroffenen genau erfragen, Verhaltensmuster aufdecken, Häufigkeit und Dauer der Beschwerden herausfinden und den Schweregrad richtig einordnen. Eine Selbstmedikation ist bei leichten Beschwerden vertretbar, die erst seit Kurzem oder ab und zu aufgrund bestimmter Umstände auftreten. Ein Arzt sollte immer dann hinzugezogen werden, wenn die Betroffenen von häufigeren und/oder längeren Beschwerden berichten. Bei Symptomen wie Blutungen, Fieber, Abgeschlagenheit oder gar Gewichtsverlust ist eine sofortige ärztliche Kontrolle unumgänglich.

 

Normalerweise gut geschützt

 

Die Innenseite des Magens ist von einer stark gefalteten Schleimhaut ausgekleidet, deren Oberfläche aus einer Epithelzellschicht mit diversen Drüsenzellen besteht. Tagtäglich werden circa zwei Liter Magensaft gebildet. Die Belegzellen produzieren Salzsäure sowie den intrinsischen Faktor, ein Glykoprotein, das Vitamin B12 komplexiert und auf diese Art geschützt zur Resorption im Dünndarm transportiert. Die Magensäure hydrolysiert Kohlenhydrate und spaltet Lipide teilweise. Sie wirkt bakterizid und schützt damit die Verdauungsorgane und den Körper vor Eindringlingen. Pepsinogen, das in den Hauptzellen der Magenschleimhaut gebildet wird, wird durch die Säure zu Enzymen, den Pepsinen aktiviert.

 

Als Schutzschicht wird Schleim (Mucin) in Oberflächenzellen, Nebenzellen, Kardialdrüsen und Pylorusdrüsen hergestellt. Das Oberflächenepithel bildet zudem Bicarbonat, das die Salzsäure abpuffert und so die Magenschleimhaut schützt. Werden die Epithelzellen geschädigt, beseitigt der Körper die ­Läsion rasch, indem er unter Einfluss von Prostaglandin E2 neue Zellen bildet.

 

Umwelteinflüsse, Infektionen, aber auch genetische Faktoren können die Balance zwischen aggressiven und ­protektiven Mechanismen in der Magenschleimhaut stören. Überwiegen die ­aggressiven Vorgänge, droht eine Entzündung der Magenschleimhaut (Gastritis). Hauptsymptome sind Schmerzen im Oberbauch, saures Aufstoßen, Blähungen, Übelkeit und ein erhöhtes Druck­gefühl. All das können Anzeichen für eine akute oberflächliche Reizung sein.

 

Chronifizieren die Beschwerden, zum Beispiel zu einer chronischen ­Gastritis oder zum Magengeschwür, zeigen sich auch organische Schäden mit tiefer gehenden Läsionen in der Epithelschicht. Dies kann irreparable Schäden verursachen.

 

Organisch gesund, dennoch krank: Reizmagen

 

Verdauungsbeschwerden sind sehr häufig. Beinahe die Hälfte aller Patienten, die deswegen einen Arzt aufsucht, erhält jedoch die Diagnose: »organisch völlig gesund«.

Organisch gesund, aber trotzdem krank? Im Fachjargon spricht man von einer funktionellen Erkrankung, im Fall der Magengegend von einer funktionellen oder nicht-ulzerösen Dyspepsie (NUD): dem Reizmagen. Zusammen mit dem Reizdarmsyndrom (Colon irritabile) ist der Reizmagen eine der häufigsten Verdauungsstörungen in industrialisierten Ländern. In Deutschland sind rund 10 bis 20 Prozent der Gesamtbevölkerung betroffen, Frauen etwa doppelt so häufig wie Männer.

 

Neben Oberbauchbeschwerden klagen die Patienten häufig über weitere Symptome wie schnelle Ermüdbarkeit, Konzentrationsschwäche, Erbrechen und Appetitlosigkeit. Nach internationalen Richtlinien (Rom-III-Einteilung) spricht man nur dann von einem Reizmagen, wenn die Beschwerden mindestens drei Monate lang anhalten oder wiederholt für jeweils einige Tage oder Wochen auftreten.

 

Der funktionellen Dyspepsie kann man bis heute keine spezifischen Ursachen zuordnen. Bei 60 bis 70 Prozent der Patienten findet sich ein mangelhafter Speisetransport (Dysmotilitäts-Dyspepsie), 20 Prozent leiden unter ­einem Magensäureüberschuss (ulcusartige Dyspepsie) und 10 bis 20 Prozent haben verschiedene Funktionsstörungen, die auch auf Fehlfunktionen einzelner Organe beruhen oder psychosomatisch bedingt sein können. Experten vermuten, dass sowohl eine gesteigerte motorische gastrointestinale Akti­vität als auch eine viszerale Hypersensibilität die Symptome hervorrufen ­können. Daher erleben die Patienten das verstärkte Zusammenziehen der Magenmuskulatur als schmerzhaft. Ebenso reagiert die Magenschleimhaut an entzündeten Stellen empfindlicher auf das saure Milieu.

 

Ein Zusammenhang mit einer Infektion mit dem Bakterium Helicobacter pylori (H. pylori) konnte bislang nicht nachgewiesen werden. Zudem zeigten Metadaten kein erhöhtes Magenkrebsrisiko bei länger andauernder Erkrankung.

 

Stress lass nach

 

Da der schmerzhafte Reizmagen nicht kausal behandelt werden kann, steht die allgemeine Linderung der Beschwerden an erster Stelle der Therapie. Hier ist vor allem eine Änderung der Lebensweise sinnvoll: Abbau von Stress, Beseitigung von Konfliktsitua­tionen, wiederholte Erholungs- und Entspannungsphasen sowie regelmäßige kleine Mahlzeiten (Kasten). 

Physikalische Anwendungen wie Wechselbäder, Sauna oder Massagen können ebenfalls das Wohlbefinden steigern. Auch der Verzicht auf Nicotin und Alkohol hilft, die Symptome zu lindern und Krankheitsschübe zu reduzieren.

 

In puncto Umstellung der Ernährungsgewohnheiten rät die Deutsche Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS), fettreiche, äußerst süße und stark blähende Speisen zu meiden und auf eine schonende, ballaststoffarme Ernährung zu achten. Eine ballaststoffreiche Kost, zum Beispiel mit Vollkorn, Hülsenfrüchten und diversen Samen, ist nur für Patienten mit Verstopfung geeignet.

 

Antazida und Prokinetika

 

In der medikamentösen Therapie arbeitet man symptomorientiert. Bei ­Patienten mit einer ulcusartigen Dyspepsie bringen Antazida im Akutfall schnelle Erleichterung. Diese neutralisieren oder binden überschüssige Magensäure. Sie verringern aber nicht die Magensäureproduktion und sind insofern vor allem bei Akutbeschwerden geeignet.

 

Als Puffersubstanzen werden sehr häufig Aluminium- und Magnesium­salze im Gemisch oder als Schichtgittersalze, zum Beispiel Magaldrat oder Hydrotalcid, verwendet. Schichtgitterverbindungen haben ein besonders ­hohes Säure-Neutralisationsvermögen sowie schleimhautschützende Eigenschaften. Die Wirkung von Antazida beginnt bereits nach wenigen Minuten und hält etwa zwei Stunden an.

 

Bei der Abgabe von Antazida sollte man im Beratungsgespräch zahlreiche Wechselwirkungen beachten. Es kann leicht zur Komplexbildung mit Eisen kommen, was dessen Resorption vermindern kann. Ebenso können Bisphosphonate, Schilddrüsenhormone, Gyrasehemmer und Tetracycline komplexiert werden. Durch die Erhöhung des pH-Werts im Magen kann sich die Aufnahme Magen-pH-kontrollierter Medikamente verändern. Wichtig ist, die Patienten immer darauf hinzuweisen, einen circa einstündigen Abstand zu anderen Arzneimitteln und zur Nahrungsaufnahme einzuhalten.

 

Bei lang anhaltenden, wiederkehrenden Beschwerden können Protonenpumpen-Inhibitoren (PPI) oder ­H2-Antihistaminika (zweite Wahl) ­längerfristige Linderung verschaffen (Tabelle). Dabei sind auch Nebenwirkungen zu bedenken, vor allem: Der Körper kann Calcium und Magnesium bei einem hohen Magen-pH nur schlecht aus der Nahrung resorbieren. Eine Nahrungsergänzung mit diesen Ionen kann daher gerade bei multimorbiden Menschen, Osteoporose-Patienten oder während einer Diuretika-­Dauertherapie sinnvoll sein.

 

Prokinetika bei Motilitätsproblemen

 

Bei dem Großteil der Patienten stehen Motilitätsprobleme im Vordergrund. Hierfür konnte der Arzt bisher Prokinetika wie Metoclopramid (MCP) und Domperidon verordnen (Tabelle). Beide Wirkstoffe wirken sehr rasch und blockieren Dopamin-Rezeptoren, woraus eine gesteigerte Peristaltik und eine Tonuserhöhung im Magen resultieren. Auch kommt es zur Erschlaffung des Pylorus-Sphinkters, was den Transport des Nahrungsbreis in den Darm erleichtert und Krämpfe im Magen vermeidet.

 

Für MCP ist jedoch die Indikation gastrointestinale Störungen, Dypepsie und gastroösophageale Refluxkankheit (GERD) seit Frühjahr 2014 weggefallen. Als Prokinetikum bleibt Domperidon, das seit Sommer 2014 aber nur noch bei Übelkeit und Erbrechen eingesetzt werden darf. Domperidon wirkt peripher und auf die circumventrikulären Organe, zu denen auch die für »Erbrechen« verantwortliche Hirnregion, die Area postrema, gehört. An dieser wird durch Blockade dopaminerger Rezeptoren der Brechreiz vermindert.

 

Heilpflanzen lindern die Beschwerden

 

In der Selbstmedikation kann die Pflanzenheilkunde sehr hilfreich sein. Sie kann bei unkomplizierten Beschwerden alleine oder ergänzend bei allen Formen der Magenschleimhautreizung empfohlen werden. Bei der Auswahl von Phytopharmaka sollten die Monographien des Ausschusses für pflanzliche Arzneimittel bei der EMA (HMPC: Committee on Herbal Medicinal Products), die Empfehlungen der ESCOP (European Scientific Cooperative for Phytotherapy) sowie – falls vorhanden – klinische Studien mit definierten Extrakten herangezogen werden. In der Praxis werden nach wie vor auch noch die Monographien der Kommission E verwendet.

Bei zahlreichen Heilpflanzen ist das Indikationsgebiet »dyspeptische Beschwerden« ausdrücklich angegeben. Pflanzen wie Melisse, Pfefferminze und Schafgarbenkraut haben eine positive Empfehlung von der ESCOP erhalten. Die Drogen sind entsprechend ihren ­Inhaltsstoffen häufig als Bittermittel ausgewiesen. Der therapeutische Nutzen von Bitterstoffen ist unumstritten, der Wirkmechanismus jedoch nicht vollständig geklärt. Die Wirksamkeit der oft enthaltenen ätherischen Öle, die direkt spasmolytisch an der glatten Muskulatur des Darms wirken, ist jedoch erwiesen.

 

Oft findet sich auch der Hinweis, dass die Kombination mit anderen ­Arzneidrogen, die gegen dyspeptische Beschwerden wirken, sinnvoll sein kann. So haben einige Kombinationen eine eigene positive Monographie der Kommission E erhalten, zum Beispiel fixe Kombinationen von Angelika­wurzel, Enzianwurzel, Wermutkraut und Pfefferminze.

 

Bei Teemischungen werden in der Praxis gerne Heilpflanzen kombiniert, deren Wirkungen sich ergänzen, zum Beispiel Bitterstoff-haltige Amara, die die Produktion von Magensäure stimulieren, plus Ätherisch-Öl-Drogen, die karminativ wirken. Beide zusammen regen die Peristaltik an und lindern so Oberbauchschmerzen, Magenkrämpfe, Völlegefühl und Blähungen. Bekannte Bitterstoffdrogen sind Enzianwurzel, Schafgarbenkraut und -blüten, Tausendgüldenkraut, Wermutkraut, Löwenzahnwurzel und -kraut, Bitterkleeblätter und Teufelskrallenwurzel. Wichtige Heilpflanzen mit ätherischen Ölen sind Anis-, Fenchel- und Kümmelfrüchte, Pfefferminzblätter, Ingwerwurzelstock, Kamillenblüten, Curcumawurzelstock und Melissenblätter.

 

In der Apothekenpraxis gilt es jedoch häufiger, zwischen Fertigpräparaten mit der Indikation »Magenbeschwerden« zu wählen. Neben der ­Monographie-konformen Indikation der verwendeten Drogen, die eindeutig bezeichnet sein sollten, sollte man unbedingt auf die vollständige Deklara­tion der Extraktzubereitung und auf die passende Dosierung achten. Die mindestens notwendige Deklaration umfasst das Extraktionsmittel, das Droge-Extrakt-Verhältnis (DEV) und die Extraktmenge pro Arzneiform. Bei Kombinationen ist die Sinnhaftigkeit jedes einzelnen Bestandteils kritisch zu prüfen. Im Handel ist beispielsweise eine Kombination mit neun Heilpflanzen, die bei funktionellen und motilitätsbedingten Erkrankungen wie Reizmagen- und Reizdarmsyndrom sowie bei Gastritis eingesetzt wird.

Tabelle: Wirkstoffe bei Magen-Darm-Beschwerden

Wirkstoff- klasse Wirkstoffe (Beispiele) Wirkprinzip Wirkeintritt und -dauer Einnahme- hinweise
Prokinetika Metoclopramid (MCP), Domperidon motilitätssteigernd durch anti­dopaminerge Wirkung (MCP: zentral und peripher, Domperidon nur peripher) Wirkeintritt: 15 bis 30 min nach Einnahme Wirkdauer: 3 bis 12 h 30 min vor einer Mahlzeit
Antazida Magaldrat, Hydrotalcid, Ageldrat, Carbonate (2. Wahl) Neutralisation der Magensäure Wirkeintritt: sofort Wirkdauer: 30 min bis 2 h 1 Stunde nach der Mahlzeit, u. U. zusätzlich vor dem Schlafen
Protonen pumpen- inhibitoren (PPI) Omeprazol, Esomeprazol, Pantoprazol Hemmung der H+K+- Protonenpumpe führt zur Senkung der Magensäurekonzentration Wirkeintritt: 30 min bis 24 h Wirkdauer: 5 bis 160 h 30 min vor dem Frühstück; bei starken Beschwerden morgens und abends vor der Mahlzeit
H2-Rezeptor- Antagonisten Ranitidin, Famotidin, Cimetidin Blockade der H2-Rezeptoren führt zur Senkung der Magensäure­produktion Wirkeintritt: 30 min bis 2 h Wirkdauer: 4 bis 12 h unabhängig von den Mahlzeiten, normalerweise abends; bei starken Beschwerden morgens und abends

Akutfall: entzündete Magenschleimhaut

 

Symptome wie beim Reizmagen finden sich auch bei Patienten, bei denen sich die Magenschleimhaut bereits pathologisch verändert und entzündet hat. Eine Differenzialdiagnose kann ein Arzt nach ausführlicher Untersuchung stellen.

 

Bei einer akuten Gastritis und wenn die Epithelzellschicht nur oberflächlich gereizt ist, reichen meist allgemeine Maßnahmen zur Linderung aus: einen bis zwei Tage Schonkost (Haferschleim, Zwieback, Reis) und viel Flüssigkeit – und zwar nur Getränke, die den Magen nicht zusätzlich reizen. Die Patienten sollten auf Kaffee, alkoholische und kohlensäurehaltige Getränke sowie säurehaltige Säfte wie Orangen- und Ananassaft verzichten. Geeignet sind Wasser oder milder lauwarmer Tee, vorzugsweise Kamille oder Pfefferminze. Meistens bessern sich die Beschwerden dann rasch. Fettes, scharfes oder gebratenes Essen sollte möglichst eine Zeitlang gemieden werden, um eine Ausheilung der Schleimhaut zu gewährleisten.

 

Symptomatisch ergänzend können Antazida, PPI oder H2-Antagonisten eingesetzt werden, damit die Entzündung schneller abklingt. Eventuell kommen zusätzlich krampflösende oder verdauungsfördernde Mittel infrage, sei es auf pflanzlicher oder auf synthetischer Wirkstoffbasis, beispielsweise mit Butylscopolamin. Da einige Medikamente, insbesondere nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) die Magenschleimhaut reizen, sollte mit dem Arzt besprochen werden, ob der Patient zeitweilig darauf verzichten kann.

 

Meistens heilt eine akute Gastritis auf diesem Weg folgenlos gut aus. Bleiben die Beschwerden und Symptome jedoch bestehen und im Weiteren unbehandelt, kann aus einer akuten schnell eine chronische Gastritis mit dauerhaft entzündeter Magenschleimhaut werden. Die Chronifizierung der Gastritis verläuft schleichend und meist über viele Jahre hinweg. Oft bleibt dies unbemerkt, denn mitunter haben sich die Betroffenen an die ­Beschwerden gewöhnt und verharmlosen diese.

 

Daher ist es im Beratungsgespräch wichtig, genau die Hintergründe der Magenprobleme zu erfragen, gut zuzuhören und eventuell den Patienten frühzeitig zum Arzt zu schicken.

 

Verschiedene Ursachen: chronische Gastritis

 

Die Formen der chronischen Gastritis werden nach dem auslösenden Faktor eingeteilt. Die wichtigsten Typen erhielten die Bezeichnung A, B und C. Mit circa 5 sowie 10 Prozent spielen die ­autoimmune Typ-A- und die chemisch induzierte Typ-C-Gastritis eine eher ­untergeordnete Rolle. Bei circa 85 Prozent der Gastritis-Patienten wird eine ­bakteriell verursachte Typ-B-Gastritis ­diagnostiziert.

Die Typ-A-Gastritis, auch Morbus Biemer genannt, ist eine Autoimmunkrankheit und gehört zum rheumatoiden Formenkreis. Die Krankheitsentstehung ist nicht völlig geklärt. Man weiß, dass Antikörper die säureproduzierenden Belegzellen zerstören. Dadurch steigt der pH-Wert im Magen, was wiederum die Gastrinproduktion anregt. Gastrin seinerseits fördert erneut die Magensäureproduktion, wodurch das empfindliche Gleichgewicht der Magenschleimhaut zugunsten der Aggressoren weiterhin verschoben wird. Eine Entzündung entsteht. Gastrin wirkt außerdem trophisch und ­fördert die Entstehung von Mikrokarzinoiden. Da durch die Zerstörung der Belegzellen auch die Bildung des Intrinsic Factors sinkt, ist die Resorp­tion von Vitamin B12 im Dünndarm ­reduziert. Es kann zu einem Vitamin-B12-Mangel kommen, der bis zur perniziösen Anämie führen kann.

 

Bei der chemisch induzierten Typ-C-Gastritis ist meist eine dauerhafte Einnahme von Schmerzmitteln und NSAR, zum Beispiel Acetylsalicylsäure, Diclofenac und Ibuprofen, für die Entstehung der Magenschleimhautentzündung verantwortlich. Diese Wirkstoffe hemmen Cyclooxygenase-1 und damit die Bildung von Prostaglandin E2, was die Restauration der schützenden Schleimschicht hemmt. Auch Antibiotika, übermäßiger Alkoholkonsum, Rauchen und Lebensmittelvergiftungen können eine Typ-C-Gastritis hervorrufen.

 

Bei der bakteriellen Gastritis (Typ B) handelt es sich um eine Infektion, die meist von dem korkenzieherartig geformten, mehrfach begeißelten Bakterium H. plyori verursacht wird. Etwa 40 Prozent der Bevölkerung tragen H. pylori in sich, aber nur bei circa der Hälfte kommt es zu Problemen. Gefährdet sind eher ältere Menschen und Menschen mit geschwächtem Immunsystem. Der Übertragungsweg ist noch nicht genau bekannt. Vermutlich findet – meist wohl schon im Kindesalter – eine oral-orale oder fäkal-orale Übertragung statt. Nach der Aufnahme breitet sich der Erreger ausgehend vom Mageneingang in Richtung Magenausgang aus und siedelt sich dabei zwischen den Epithelzellen der Magenschleimhaut an.

 

H. pylori an den Kragen

 

Die Robustheit des Keims rührt daher, dass H. pylori durch das Enzym ­Urease Harnstoff in Ammoniak und Kohlendioxid spaltet und sich so eine gepufferte Zone in seinem direkten ­Lebensraum schafft. Manche Stämme produzieren zudem das vakuolisierende Zytotoxin (VacA) sowie Peptidoglycane, die Forscher unter anderem auch für die Entstehung von Magenkrebs mitverantwortlich machen. Unbehandelt verursacht das Bakterium durch eine dauerhafte Schädigung der Magenwand chronische Magengeschwüre; daher wird es auch für die Entstehung von ­Magenkrebs verantwortlich gemacht.

Um die Besiedelung des Magens mit H. pylori nachzuweisen, wird in der Praxis häufig der 13C-Harnstoff-Atemtest angewandt. Hierbei nutzt man die bakterielle Urease. Nach Gabe von 13C-Harnstoff in säurehaltiger Flüssigkeit kann in der Ausatemluft der Anteil von 13CO2 bestimmt werden, was Aussagen über den Infektionsgrad erlaubt. Der Atemtest ist nur dann möglich, wenn der Patient vier Wochen lang keinen Säure­blocker eingenommen hat. Andernfalls kann der Arzt mittels Ultraschall und serologischer Untersuchung auf Antikörper gegen H. pylori eine ­Positiv-/Negativaussage treffen.

 

Die Gastroskopie mit Entnahme einer Gewebeprobe zum histologischen Befund erbringt den eindeutigsten Nachweis einer H.-pylori-Besiedlung.

 

Seit einiger Zeit sind auch Schnelltests auf dem Markt, die die Patienten selbst zu Hause machen können. Dabei wird Blut aus der Fingerbeere entnommen und dann mittels eines immunologischen Tests spezifische Antikörper von H. pylori nachgewiesen. Die Aussagekraft der Tests ist gut. Man kann in der Apothekenpraxis sehen, dass die Tests bei manchen Patienten die Hemmschwelle für einen Arztbesuch senken können.

 

Als Standard zur Helicobacter-Eradikation hat sich die sogenannte Tripeltherapie etabliert. Sie besteht aus einem PPI sowie den Antibiotika Amoxicillin und Clarithromycin (französische Tripeltherapie) beziehungsweise Me­tronidazol und Clarithromycin (italienische Tripeltherapie). Mittlerweile ist die Behandlung nur noch bei gut zwei Drittel der Patienten erfolgreich; häufig aufgrund einer schlechten Compliance. Der Apotheker sollte die Patienten daher intensiv aufklären und zur vollständigen Einnahme der Medikamente anhalten.

 

Wirkt die Dreierkombination jedoch aufgrund von Resistenzen nicht, steht die Quadrupeltherapie mit Omeprazol, Metronidazol, Tetracyclin sowie einem Bismutsalz zur Verfügung. Bismut bildet im Magen einen Schleimhautschutz und wirkt zugleich bakterizid. Problematisch sind Nebenwirkungen wie metallischer Geschmack im Mund, Durchfall, Flatulenz und Schwarzfärbung der Zunge.

Säure am falschen Platz: Reflux

Reizungen der Epithelschicht – ähnlich wie bei der Gastritis – treten auch bei der Refluxkrankheit auf. Saurer Magensaft fließt in die Speiseröhre und es kommt mit der Zeit zu einer Entzündung der Speiseröhrenschleimhaut. Der dadurch hervorgerufene Schmerz wird allgemein als Sodbrennen bezeichnet. Die Refluxkrankheit beeinträchtigt das Befinden der Patienten sehr und kann letztlich zu Komplikationen wie einem Geschwür oder auch Karzinomen führen. Bei sporadischen Refluxbeschwerden können Antazida gegeben werden, wobei eine Gabe mehrmals täglich über einen längeren Zeitraum nicht sinnvoll ist. Für die Dauertherapie bei diagnostiziertem Reflux sind heute PPI die Mittel der ersten Wahl, H2-Antagonisten nur noch zweite Wahl. Mehr zu Speiseröhrenerkrankungen lesen Sie im Titelbeitrag der PZ 24/2015.

Peptische Ulcera

 

Das Magengeschwür (Ulcus ventriculi) und das etwa viermal häufigere Zwölffingerdarmgeschwür (Ulcus duodeni) sind durch tiefe Wandschädigungen in der Magenkurve und am Magenausgang beziehungsweise direkt im Zwölffingerdarm definiert. Häufige Symptome sind Oberbauchschmerzen, die nüchtern und besonders nachts sehr heftig sind. Völlegefühl, Sodbrennen und Blähungen machen den Betroffenen ebenfalls zu schaffen.

 

Lange Zeit wurde eine erhöhte ­Magensäureproduktion für die Entstehung eines Ulcus verantwortlich gemacht. Der direkte Zusammenhang konnte jedoch nie gezeigt werden. Die wichtigsten bekannten Auslöser des peptischen Ulcus entsprechen denen der Gastritis, da eine schwere akute oder chronische Gastritis zum Ulcus führen kann. Die H.-pylori-Infektion und vor allem entzündungshemmende Medikamente wie NSAR sind die häufigsten Ursachen. Außerdem ist bekannt, dass Raucher häufiger ein ­peptisches Ulcus entwickeln.

 

Die Therapie ist ungeachtet der Ursache immer gleich und entspricht in weiten Teilen derjenigen der Gastritis. Essenziell ist der Verzicht auf magenreizende Stoffe wie Alkohol, Nicotin und NSAR. Auch ein kurzfristiger Verzicht auf jegliche feste und flüssige Nahrung beeinflusst den Heilungsverlauf positiv.

 

Ein Grundstein der Behandlung ist die medikamentöse Unterbindung der ­Magensäureproduktion (PPI, H2-Antihistaminika) und die Neutralisierung der bereits gebildeten Magensäure (Antazida) sowie bei H.-pylori-Befall die Antibiotikatherapie. Ein chirurgischer Eingriff ist angezeigt, wenn diese Therapien erfolglos bleiben oder wenn ein Magenkarzinom vermutet wird. Auch bei einer starken Blutung oder wenn das Ulcus die Magen- oder Darmwand durchbricht, ist eine Operation notwendig. /

 

Literatur bei der Verfasserin

Die Autorin

Verena Ruß studierte von 2000 bis 2004 Pharmazie an der Julius-Maximi­lians-Universität Würzburg. Nach dem Praktischen Jahr in der pharmazeutischen Industrie und Offizin begann sie ihre Promotion 2005 an der LMU in München im Bereich Pharmazeutische Biolo­gie/Biotechnologie zum Thema nichtviraler Gentransfer zur Tumor­therapie. In ihrer Postdoktorandenzeit am City of Hope in Duarte, Kalifornien/USA, erweiterte sie die Therapieziele auf die HIV-Therapie und kehrte 2009 nach Deutschland zurück. Seit 2010 ist sie Inhaberin einer Apotheke und nebenbei als freiberuf­liche Fachjournalistin tätig.

 

Dr. Verena Ruß

Hermann-Schmid-Straße 2

80336 München

E-Mail: verenaruss@gmail.com

Mehr von Avoxa