Paralympics kommen groß raus |
25.05.2010 17:33 Uhr |
Von Nils Franke, Berlin / Der Sozialverband VdK feiert sein 60. Jubiläum. Ehrengast ist die blinde Biathletin und Langläuferin Verena Bentele. Sie gewann bei den Paralympischen Spielen in Vancuver mehrfach Gold. Und sie ist Botschafterin der deutschen Apothekerschaft. Gemeinsam engagieren sie sich für den Behindertensport.
Eigentlich sollte sie jetzt ihre Magisterarbeit in Literaturwissenschaft schreiben, sagt Verena Bentele. Die zierliche 28-Jährige hat im März fünffach Gold im kanadischen Vancuver gewonnen. Mit den Medaillen in Biathlon und Langlauf hatte sie ganz entscheidenden Anteil am ersten Platz für Deutschland in der Nationenwertung der Paralympischen Spiele.
Paralympics-Siegerin Verena Bentele freut sich über Professionalität im Behindertensport.
Foto: PZ/Siebenand
»Mein Alltag ist aber im Moment noch etwas unruhig«, sagt sie jetzt. Sie nennt es »positiven Stress«, wenn sie Pressetermine hat, so wie diesen beim Festakt zum 60. Jubiläum des Sozialverbands VdK. Bentele ist Ehrengast und erzählt vergnügt drauf los. Die Tage während der Wettkämpfe seien anstrengend gewesen. »Der Ablauf war meist: morgens frühstücken, Wettkampf, Dopingkontrolle, Siegerehrung, Physiotherapie, Pressekonferenz und Streckenbesichtigung für das nächste Rennen.«
Mehr Professionalität
Besonders freut sie, dass die Paralympics in den Medien »einen extremen Aufschwung erfahren haben«, sagt sie. »Das hätten wir Sportler nicht gedacht, dass die Spiele so präsent sind. Das war wahnsinnig schön.« Den Grund sieht sie zum einen in der größeren Professionalität der Spiele. Die Paralympics seien den Olympischen Spielen ähnlich, teilten auch das Dorf und die Wettkampfstätten, genauso gebe es ein deutsches Haus. Dort habe sie sich mit Freunden, Bekannten und ihrer Familie treffen können, die auch drüben waren. »Da habe ich abends mit ihnen die Erfolge genossen und gefeiert. Das war super. Es war eine rundum tolle Stimmung.« Zum anderen hätten neben den erfolgreichen deutschen Sportlern auch das übersichtlichere System und die Startklassen eine Rolle gespielt. »Das ist einfach für die Sportfans interessanter«, erklärt sie. »Es ist klarer, dass es wirklich um Leistungssport und Höchstleistungen geht.«
Sie selbst hat sicher ebenfalls einen gewissen Anteil, auch wenn sie das nicht in den Vordergrund stellen mag. Die ABDA–Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände unterstützt sie darin, dem paralympischen Sport zu noch größerer Aufmerksamkeit zu verhelfen. Die deutschen Apothekerinnen und Apotheker sind nationaler Förderer des Deutschen Behindertensportverbands und der paralympischen Mannschaften.
Auch nach den Spielen habe sie viele tolle Dinge erlebt, erzählt Bentele. Ihre Heimatstadt München, in der sie sich sehr wohl fühlt, habe einen kleinen Empfang für sie ausgerichtet. Sie sei in Talkshows eingeladen worden. »Woran man sieht, dass Behindertensport auch als Sport in Deutschland richtig angekommen ist.« Dass sie selbst jetzt manchmal auf der Straße erkannt wird, findet sie aber immer noch »etwas komisch«. Einen großen Sponsoringvertrag hat ihr leider noch keine Firma angeboten.
Als Nächstes will sie sich, während sie ihr Studium abschließt, parallel schon nach Jobs umsehen. Sie werde sich auch beim VdK bewerben, kündigt sie an und lacht fröhlich, weil sie die Anwesenden des Verbands damit überrumpelt. Wie es sportlich weitergeht, weiß sie deshalb noch nicht so richtig. »Das hängt davon ab, wie ich es mit einem Job vereinbaren kann.«
Der Sozialverband VdK hat vor 60 Jahren mit der Beratung und Vertretung der Kriegsopfer begonnen. Für sie erkämpfte er eine materielle Existenzsicherung. 1990 nach der Wende sprang er in dieser Rolle erneut ein, als erstmals auch den Opfern im Osten Hilfe zustand. Der Verband entwickelte sich weiter zu einem Verband der chronisch Kranken und Behinderten. Er macht sich für Sozialgesetzgebung stark, organisiert Selbsthilfe, setzt sich für eine würdige Existenz im Alter ein und betrachtet sich als Bollwerk für das umlagefinanzierte Rentensystem.
Ulrike Mascher wird auch in den kommenden vier Jahren an der Spitze des VdK stehen.
Foto: VdK
»Menschenwürdige Lebensbedingungen für Rentner, Kranke, Arbeitslose und Arme dürfen auch bei angespannter Haushaltslage nicht zur Disposition stehen«, fordert die VdK-Präsidentin, Ulrike Mascher, auf dem Festakt. Sie warnt die Regierung vor einer »Rotstiftpolitik auf dem Rücken der kleinen Leute«. Mascher ist gerade erst mit großer Mehrheit für vier weitere Jahre im Amt bestätigt worden. Sie erhielt auf dem VdK-Bundesverbandstag in Berlin 90 Prozent der Stimmen. Die 71-Jährige ist seit September 2008 an der Spitze des größten Sozialverbands in Deutschland. Dessen Mitgliederzahl ist in den letzten Jahren gewachsen. Von 2006 bis 2010 stieg sie um 150 000 auf 1,5 Millionen. /