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Neue Option bei RA

03.05.2017  10:09 Uhr

Von Kerstin A. Gräfe / Ab April erweitert der neue Wirkstoff Baricitinib die Therapieoptionen zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis (RA). Es ist der erste Januskinase-Hemmer, der in dieser Indikation zugelassen ist.

Die rheumatoide Arthritis ist eine entzündliche Systemerkrankung des Bindegewebes, die vorwiegend die Gelenke betrifft und in der Regel zu deren Zerstörung führt. Man schätzt, dass in Deutschland circa 550 000 Menschen betroffen sind. Frauen erkranken etwa dreimal häufiger als Männer. Der Erkrankungsbeginn ist in jedem Lebensalter möglich, liegt aber meistens zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr. Für die medikamentöse Therapie stehen Substanzen aus verschiedenen Wirkstoffgruppen zur Verfügung: nicht steroidale Antirheumatika, Glucocorticoide, krankheitsmodifizierende Basismedikamente (DMARD) wie Methotrexat sowie Biologika. Erklärtes Therapieziel ist heutzutage die Remission.

 

Baricitinib

 

Mit Baricitinib (Olumiant® 2 und 4 mg Filmtabletten, Lilly) steht erstmals ein Vertreter der Januskinase-Hemmer zur Behandlung der RA zur Verfügung. Das neue Präparat darf bei erwachsenen Patienten mit mittelschwerer bis schwerer RA angewendet werden, die auf eine vorangegangene Behandlung mit einem oder mehreren DMARD unzureichend angesprochen oder diese nicht vertragen haben. Olumiant kann als Monotherapie oder in Kombination mit Metho­trexat (MTX) angewendet werden.


Hemmung der Januskinasen

 

Baricitinib ist ein reversibler, selektiver Inhibitor bestimmter Januskinasen (JAK). Diese Enzyme leiten Signale von Zytokinen und Wachstumsfaktoren von der Zelloberfläche ins Zellinnere weiter (siehe Abbildung). Der neue Arzneistoff hemmt selektiv JAK1 und JAK2. Er verhindert dadurch, dass Zytokine wie IL-6, INF-α/β und GM-CSF eine komplexe Signalkaskade in Gang setzen, die im Zellkern die Produktion jener Proteine ankurbelt, die für eine verstärkte Immun- und Entzündungsantwort verantwortlich sind.

Die Filmtabletten können unabhängig von den Mahlzeiten und der Tageszeit eingenommen werden. Die empfohlene Dosis beträgt 4 mg einmal täglich und kann auf 2 mg einmal täglich reduziert werden, wenn die Krankheit unter Kontrolle ist. Eine Dosis von 2 mg pro Tag ist zudem für Patienten über 75 Jahre angedacht sowie für solche mit chronischen oder rezidivierenden Infekten. Die gleiche Dosierung gilt auch für Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion sowie bei der gleichzeitigen Einnahme von Inhibitoren von Organischen Anionen-Transportern vom Typ 3 mit starkem Hemmpotenzial (OAT3-Hemmer) wie Probenecid. Nicht empfohlen wird die Anwendung bei Patienten mit schwerer Leberfunk­tionsstörung und einer Kreatinin- Clearance unter 30 ml/min.

 

Die Anwendung von Baricitinib ist mit einer im Vergleich zu Placebo erhöhten Infektionsrate assoziiert. Daher sollten bei Patienten mit aktiven, chronischen oder wiederkehrenden Infektionen vor Therapiebeginn Nutzen und Risiken einer Olumiant-Behandlung sorgfältig abgewogen werden. Ent­wickelt der Patient unter der Einnahme eine Infektion, ist er sorgfältig zu überwachen und die Therapie zu unter­brechen. Sie darf erst wieder aufgenommen werden, wenn die Infektion vollständig ausgeheilt ist. Vor Therapie­beginn müssen die Patienten auf Tuberkulose getestet werden. Während oder unmittelbar vor einer Baricitinib- Behandlung sollte den Patienten kein attenuierter Lebendimpfstoff verabreicht werden.

 

Lipidwerte beobachten

 

Nicht begonnen werden sollte eine Behandlung bei Patienten mit hämatologischen Anomalien (absolute Neutrophilenzahl kleiner als 1 x 109 Zellen/l, absolute Lymphozytenzahl kleiner als 0,5 x 109 Zellen/l oder Hämoglobinwert kleiner als 8 g/dl). In den klinischen Studien wurden vermehrt Virusreaktivierungen beobachtet, etwa von Herpes-zoster- oder Herpes-simplex-Viren. Vor Therapiebeginn sollte daher entsprechend der Leitlinien ein Screening auf eine virale Hepatitis durchgeführt werden. Des Weiteren wurde in den Studien von Erhöhungen der Lipidwerte berichtet. Daher sollten nach Beginn der Therapie die Lipidparameter zwölf Wochen lang überprüft werden und die Patienten bei Bedarf mit einem Statin behandelt werden. Nicht empfohlen wird die Kombination mit biologischen DMARD oder anderen JAK-Inhibitoren, da das Risiko eines additiven immunsuppressiven Effekts nicht ausgeschlossen werden kann. Vorsicht ist geboten bei der Kombination von Baricitinib mit potenten Immunsuppressiva wie Azathioprin, Tacrolimus und Ciclosporin.

 

Olumiant ist während einer Schwangerschaft kontraindiziert. Frauen im gebärfähigen Alter müssen während der Anwendung von Olumiant und nach Beendigung der Behandlung mindestens eine weitere Woche zuverlässig verhüten. Laut Fachinformation sollen auch Stillende das neue Medikament nicht erhalten.

 

Adalimumab überlegen

Die Zulassung von Baricitinib basiert auf den Ergebnissen von vier Phase-III-Studien, die ein breites Patientenspektrum einschlossen: MTX-/DMARD-naive Patienten (RA-BEGIN) sowie Patienten, die inadäquat auf MTX (RA-BEAM), andere DMARD (RA-BUILD) oder TNF-Inhibitoren (RA-BEACON) angesprochen hatten. Schlüsselstudie war RA-BEAM mit 1307 RA-Patienten, bei denen es trotz einer MTX-Behandlung zum Fortschreiten der Erkrankung gekommen war. In der Studie bekamen die Patienten weiterhin MTX und zusätzlich entweder einmal täglich 4 mg Baricitinib oder zweimal wöchentlich 40 mg Adalimumab oder Placebo. Als primärer Endpunkt war die ACR20 in Woche 12 definiert: Sie beschreibt eine Verbesserung der Gelenkbeschwerden um 20 Prozent nach den Kriterien des American College of Rheumatology.

Dieses Ziel erreichten in der Barici­tinib-Gruppe mit 70 Prozent signifikant mehr Patienten als in der Placebogruppe mit 40 Prozent. In der Adalimumab-Gruppe war dies bei 61 Prozent der Fall. Vergleichbare Ergebnisse wurden in dem sekundären Endpunkt DAS28 gefunden, der die Krankheitsaktivität in 28 Gelenken bewertet. Des Weiteren zeigte Baricitinib gegenüber Adalimumab in den Wochen 24 und 54 signifikant höhere Ansprechraten für die Parameter ACR50, ACR70 und Fatigue. Zudem belegen die Studienergebnisse einen schnellen Wirkeintritt und eine lang anhaltende Wirksamkeit von Baricitinib: Bereits ab Woche 8 erreichten Patienten mit Baricitinib signifikant häufiger ein ACR50-Ansprechen als Patienten mit Adalimumab (p ≤ 0,01). Diese Verbesserung hielt bis Woche 52 an.

 

Sehr häufige Nebenwirkungen von Olumiant sind Hypercholesterolämie und Infektionen der oberen Atemwege. Häufig traten zudem unerwünschte Wirkungen wie Übelkeit, Gürtelrose und Harnwegsinfektionen auf. /

 

--> vorläufige Bewertung: Sprunginnovation

Kommentar

Effektiver Multizytokin-Hemmer

Bei rheumatoider Arthritis (RA) einen Januskinase-Hemmer wie Baricitinib einzusetzen, ist eine logische Folge langjähriger guter Erfahrung mit der Hemmung von Zytokinen. Es sind mehrere Biologicals auf dem Markt, die sich bei RA jeweils gegen ein bestimmtes Zytokin richten. Januskinase-Hemmer setzen an einem Signalweg an, der von mehreren Zytokinen genutzt wird. Auf diesem Weg lassen sich gleich mehrere proinflammatorische Substanzen auf einmal »ausschalten«.

 

Obwohl Baricitinib nicht der erste Januskinase-Hemmer auf dem Markt ist (Ruxolitinib kommt bei Myelofibrose und Polycythaemia vera zum Einsatz), kann man Olumiant bei RA dennoch als Sprunginnovation einstufen. Denn die Studienergebnisse, auch im Vergleich zum Biological Adalimumab, sind sehr vielversprechend. Ferner ist es ein Vorteil, dass Baricitinib oral verfügbar ist.

 

Sven Siebenand, stellvertretender Chefredakteur

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