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Reaktionen

Gesundheit zählt mehr als Börsenwert

02.05.2007  09:29 Uhr

Reaktionen

Gesundheit zählt mehr als Börsenwert

Von Thomas Bellartz

 

Trotz des langen Feiertagswochenendes wollten die Reaktionen nach der Bekanntgabe der Übernahme von DocMorris durch Celesio nicht abreißen. Und es hat auch nicht den Anschein, als werde sich dies in den nächsten Wochen ändern.

 

Die Reaktionen auf den DocMorris-Kauf waren sehr unterschiedlich. Die Börse reagierte extrem positiv, Celesio-Aktien waren am Donnerstag gefragt. Am Freitag und am Montag dieser Woche sank der Kurs wieder. In den Medien war das Echo zwar gespalten, allerdings bewerteten viele Kommentatoren die Nachricht als Signal für Veränderungen im Apothekenmarkt. Hinterfragt wurden allerdings auch die Auswirkungen für Celesio und dessen deutsche Großhandelstochter Gehe.

 

Neben den Reaktionen aus der Standespolitik ist die Resonanz aus dem Markt verhalten. Die übrigen Großhändler konzentrieren sich auf die direkte Kommunikation mit den Kunden; und das betrifft auch die meisten der Kooperationen.

 

Ganz anders der Verbund Gesine mit Sitz in Berlin. In einer am vergangenen Freitag verbreiteten Erklärung übte die unabhängige Apothekenkooperation scharfe Kritik »an den jüngsten Vorgängen« im deutschen Arzneimittelmarkt. Die Apothekerin und Vorsitzende der Gesine, Susanne Lorra, sprach von einem durchsichtigen Manöver, »wenn sich zwei Big Player zusammentun ­ und das angeblich zum Wohl der Verbraucher«. Es sei wenig vertrauenswürdig für Patienten, Apotheken und auch die Politik, wenn Brandstifter behaupteten, sie wollten Brände löschen.

 

Lorra sieht die Unabhängigkeit der Patientenversorgung. in Gefahr: »Konformität, selektive Versorgung, Lockvogelangebote - das sind Gefahren, die Verbraucherschützer und auch Kartellbehörden auf den Plan rufen müssen.« Bei Gesine ist man sich sicher, dass die Schatullen von Celesio prall gefüllt seien, »um den freiberuflich geprägten und Konzern-unabhängigen Apothekenmarkt zu kassieren«. Lorra werde den Eindruck nicht los, es gehe hier um Marktdominanz und nicht um Patienteninteressen.

 

Längst hätten sich unabhängige Apotheken zum Beispiel bei Gesine zusammengefunden, um die Herausforderungen des Marktes anzunehmen. Rund 150 Apotheken sind bereits heute Mitglieder im Verbund. Der Slogan »Gesine - Ihre unabhängige Apotheke« wirke nach innen und außen. Man wolle die Qualität der Patientenversorgung nicht nur aufrecht erhalten, sondern verbessern. »Unsere Apotheken wollen keine Einheitsversorgung nach britischem Celesio-Muster. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass die Verbraucher das wollen«, sagt Lorra. »Bei uns geht es nicht nur um das Wohl und Weh von Aktionärsinteressen, sondern um Gesundheit.«

 

Der Pharma-Großhändler Andreae-Noris Zahn AG (Anzag) sieht sich unterdessen in seiner Strategie als Partner der selbstständigen, inhabergeführten Apotheken in Deutschland bestätigt. Neben seinen Leistungen als vollversorgender, herstellerneutraler Großhändler wolle die Anzag ihr Marketingprogramm für die einzelnen Apotheken weiter ausbauen. Vorstandsvorsitzender Dr. Thomas Trümper: »Die Liberalisierungstendenzen im Apothekenmarkt sind unverkennbar - diese Erkenntnis gilt nicht erst seit gestern.« Gerade deshalb verstehe sich die Anzag mehr denn je als Partner der selbständigen Apotheken in Deutschland. »Wir sind felsenfest davon überzeugt, dass sie aufgrund ihrer Qualität und Kompetenz, ihrer Motivation und ihres Engagement als Unternehmer den zunehmenden Wettbewerb nicht nur überstehen, sondern mitgestalten und in hohem Maße davon profitieren können.«

 

Trümper glaubt, Versandhandel, Discount-Apotheken und Abholstationen kämen auf den Markt, weitere Unternehmen stünden in den Startlöchern. »Diese Situation kann man je nach Perspektive begrüßen oder bedauern, aber wohl nicht ändern«, so Trümper. Aber der sich wandelnde Markt biete auch neue Chancen für alle bisherigen Teilnehmer. Celesio gehört zu den größten Anteilseignern der Anzag.

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