Rote Gesine-Wanne als Markenzeichen |
19.07.2011 15:12 Uhr |
Von Uta Grossmann, Ludwigsfelde / Der Ende April gestartete Großhandel der Apothekenkooperation Gesine hat sein Warenlager inzwischen auf 30 000 Produkte aufgestockt. Mit hochmoderner Technik und einem kleinen, eingeschworenen Team beliefert das brandenburgische Vertriebszentrum momentan 145 Apotheken in ganz Deutschland.
Das Gelände in Ludwigsfelde liegt wie verlassen in der Sommersonne. Gras wuchert zwischen Steinplatten. Das scheinbar so abgelegene Areal ist gut an die Autobahn angebunden. Die 30 Lagerhallen nutzte früher die alteingesessene Berliner Spedition Friedrich Schulze, die Insolvenz anmelden musste.
»Wir finden, wir haben die schönste Wanne«, sagt Thomas Madetzki (links), hier mit Susanne Lorra und Dr. Andreas Kesselhut im Vertriebszentrum des Gesine-Großhandels in Ludwigsfelde.
Fotos: Gesine/Esser
Im Februar zog der Gesine-Großhandel in zwei Hallen ein. Zehn Wochen später startete ein Probelauf, seit Juni läuft der Betrieb normal, erzählt der Leiter des Vertriebszentrums, Thomas Madetzki. Er war 20 Jahre bei der Anzag, bevor er dem Frankfurter Großhändler den Rücken kehrte und bei Gesine einstieg. Nun steht er stolz zwischen den Förderbändern, über die himbeerrote Gesine-Wannen rattern.
Mit Argusaugen verfolgt
Den IT-Bereich verantwortet Gerd Roth, früher IT-Chef beim inzwischen in der Noweda aufgegangenen Großhändler Kapferer. Den Einkauf leitet Roland Borg, der von der Sanacorp kommt. Apothekerin Susanne Lorra freut sich, dass der von ihrer Kooperation Gesine initiierte Großhandel mithilfe der erfahrenen Fachleute und Brancheninsider einen guten Start hinlegen konnte. Daran haben viele Mitbewerber, die den Auftritt des neuen Konkurrenten mit Argusaugen verfolgen, nicht geglaubt. Anzag und Sanacorp kündigten die Geschäftsbeziehungen mit der Gesine-Kooperation nach der Gründung des Großhandels im November 2009.
Hintergrund ist der harte Wettbewerb in der Großhandelsbranche. Die Großhändler leiden unter geringen Margen und dem Sparbeitrag, den die Politik ihnen mit dem Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG) zusätzlich abverlangt.
Die pharmazeutischen Großhändler müssen im laufenden Jahr 200 Millionen Euro einsparen und dafür 0,85 Prozent des Abgabepreises des Herstellers von ihrer Marge abziehen. Deshalb verschlechterten sie die Rabattkonditionen für die Apotheken. Manche gehen aber auch mit besseren Konditionen auf Kundenfang und setzen damit die Mitbewerber zusätzlich unter Druck. Der Anzag-Vorsitzende Dr. Thomas Trümper sprach kürzlich von einem »teilweise als ruinös zu bezeichnenden Konditionenwettbewerb«.
Einige Hersteller weigerten sich, den Gesine-Großhandel zu beliefern, obwohl es einen gesetzlichen Belieferungsanspruch gibt. »Novartis und Pfizer wollten erst nicht liefern«, sagt Madetzki. Inzwischen liefern beide Hersteller. »Roche weigert sich noch«, so der Leiter des Vertriebszentrums.
Silvana Scholz am Kühlregal.
Pfizer habe dem Großhandel einen Besuch abgestattet und ganz genau geprüft, ob es sich um einen Vollsortimenter handelt. Die Prüfer ließen sich überzeugen. Der Gesine-Großhandel hat 30 000 Artikel gelistet. Darunter sind Zytostatika, Gefahrstoffe wie Säuren, Betäubungsmittel, die in einem einbruchsicheren, 25 Quadratmeter großen Raum gelagert werden, und Kühlartikel in einem 63 Quadratmeter großen Kühlregal.
Hohe Defektquote
Etablierte Großhändler haben eine Defektquote im niedrigen einstelligen Bereich, Gesine ist davon noch weit entfernt. Der Großhandel arbeitet an der Lieferfähigkeit und optimiert sie jeden Tag. »Das Warenlager wird noch aufgebaut«, erläutert Madetzki. Defekte seien zum großen Teil von Herstellern verursacht, die nicht liefern können. Manche Artikel hat der Großhandel noch nicht im Sortiment, von anderen möglicherweise zu wenig bestellt.
Die Fehlerquote – unvollständige Sendung, falsche Ware – liege mit 0,05 Prozent unter dem Branchenschnitt von 0,15 Prozent, sagt der Leiter des Vertriebszentrums.
Die Bestellungen der Apotheken werden gesammelt, Apotheken in Berlin, Brandenburg, Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern in einer Tages- und einer Nachttour beliefert. Wer bis 19 Uhr bestellt, bekommt die Ware am nächsten Morgen bis acht Uhr, sagt Madetzki. Das könne sonst kein Großhandel in Deutschland.
Apotheken, die weiter weg liegen, wie zum Beispiel die Genossen der Apothekenkooperation Parmapharm mit Sitz in Bielefeld, erhalten nur einmal mit der Nachttour Ware in den roten Wannen. Der Farbton, Pantone 193 C, passe gut zu Gesine, meint Madetzki: »Wir finden, wir haben die schönste Wanne.«
Das Vertriebszentrum verfügt über 6000 Quadratmeter Lagerfläche und Büros auf 500 Quadratmetern. Die technische Anlage und die Software haben nach Angaben Lorras 2,3 Millionen Euro gekostet, der Umbau der Hallen 300 000 Euro. Für das laufende Jahr strebt der Gesine-Großhandel einen Umsatz von 180 Millionen Euro an. 26 Mitarbeiter teilen sich 20 Vollzeitstellen. Es sollen noch weitere eingestellt werden, doch durch die hochmoderne technische Anlage benötige der Gesine-Großhandel erheblich weniger Personal als die Konkurrenz, sagt Madetzki.
Von Apothekern für Apotheker
Der Gesine Pharmahandel ist die erste Neugründung eines genossenschaftlich organisierten pharmazeutischen Großhandels in Deutschland seit der Noweda-Gründung vor 72 Jahren. Mit dem vollsortierten Großhändler von Apothekern für Apotheker will die Apothekenkooperation Gesine ihre Unabhängigkeit stärken.
Susanne Lorra ist Aufsichtsratschefin der Großhandelsgenossenschaft und Vorsitzende der Gesine-Kooperation mit 220 Mitgliedern. Vorstandsvorsitzender der Großhandlung ist der Berliner Apotheker Dr. Andreas Kesselhut. Die Genossenschaft hat über 180 Mitglieder. 145 Apotheken bestellen derzeit beim Gesine-Großhandel – alles Genossen und Mitglieder der Kooperationen Gesine und Parmapharm. Ziel sind 210 Besteller bis Jahresende und 250 bis 300 im Jahr 2012.
Die Kapazitätsgrenze der Anlage in Ludwigsfelde liegt bei 400 Bestellern. »Die Technik ließe sich aber noch weiter aufstocken«, sagt Madetzki. /