Pharmazeutische Zeitung online
16. PZ-Management-Kongress

Gemeinsam stark

16.04.2014  10:10 Uhr

Von Daniela Biermann, Christina Hohmann-Jeddi und Daniel Rücker, Palma de Mallorca / Apotheker sind bekannt als Individualisten, Einzelkämpfer, Eigenbrötler. Und doch gibt es kaum einen Berufsstand, der so geschlossen auftritt und erfolgreich Kooperationen eingeht. Beim 16. PZ-Management-­Kongress auf Mallorca diskutierten vergangene Woche fast 120 Teilnehmer, die Stärken und Schwächen der Zusammenarbeit. Mit dabei als Kooperationspartner: VSA, Awinta, Bionorica und die Deutsche Apotheker- und Ärztebank.

Warum kooperieren Individuen in einer Welt von Egoisten? Die biologischen Grundlagen hierzu stellte der Göttinger Verhaltensbiologe Professor Dirk Semmann vor: Auch wenn die Formen der Kooperation im Tierreich sehr unterschiedlich sind, kooperieren Tiere und Menschen immer dann mit anderen Lebewesen, wenn sie davon einen Vorteil haben. Ohne persönlichen Nutzen gebe es keine Kooperation. Es überlebten immer die Individuen, die besonders gut an ihre Umwelt angepasst sind und zu dieser Anpassung gehöre es, nützliche Kooperationen einzugehen.

 

Lebenswichtiger Egoismus

 

»Aus evolutionärer Sicht ist Egoismus eine wesentliche Überlebensstrategie«, sagte Semmann. Egoismus sei nicht verwerflich, sondern lebenswichtig. Bei vielen Arten sei die Kooperation miteinander verwandter Individuen, also Familien, am häufigsten. Gerade beim Menschen gebe es aber sehr oft Kooperationen nicht verwandter Individuen.

 

Bei unserer Spezies sei zudem ein Zugewinn an Reputation eine wichtige Motivation für die Zusammenarbeit mit anderen. So sind nach Semmanns eigener Forschung in Spiel-Experimenten mit mehreren Teilnehmern Menschen selten bereit, Geld an die Gruppe insgesamt oder einzelne Teilnehmer abzugeben, wenn dies anonym geschehe. Wenn aber für die anderen ersichtlich ist, wer spendet, steigt die Bereitschaft dazu an. Das Verhalten stärkt die Reputation des Spenders und erhöht die Wahrscheinlichkeit, von anderen Spielern in einer späteren Spielrunde bedacht zu werden.

 

Eine ähnliche Funktion kann auch Bestrafung haben. Wenn von einem Spielteilnehmer bekannt ist, dass er nichts abgeben will, dann bekommt er auch von anderen nichts. Am Ende bleibt es aber immer beim gleichen Muster: Kooperiert wird nur, wenn es dem Individuum nutzt. Das funktioniert in kleineren, transparenten Gruppen besser als bei großen, anonymen. So ist die Nachbarschaftshilfe häufig und selbstverständlich, während bei der weltweiten Ressourcenverteilung jeder nur an sich denkt.

 

Mit einer Stimme sprechen

Dass Kooperation Vorteile bietet, wird auch deutlich, wenn man die rund 20 000 Apotheken in Deutschland beziehungsweise die fast 60 000 berufstätigen Pharmazeuten betrachtet, organisiert in der ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände. Der Berufsstand ist sehr heterogen mit Blick auf die Betriebsgröße, Spezialisierungen und auch die eventuelle Zugehörigkeit zu klassischen Apothekenkooperationen. »Es gibt immer Partikularinteressen«, machte ABDA-Präsident Friedemann Schmidt deutlich. Doch um als Berufsstand langfristig erfolgreich zu sein, sei es nötig, mit einer Stimme zu sprechen. Das sei die herausragende Aufgabe der ABDA.

 

Hilfreich hierfür sei, dass es bei der ABDA im Gegensatz zu anderen Freiberuflern keine Zweiteilung in fachlichen und wirtschaftlichen Verband gebe – wie beispielsweise bei den Ärzten in Bundesärztekammer und Kassenärztliche Bundesvereinigung. Dies könne zu einer Schwächung des Berufsstandes führen, wenn zum Beispiel die Politik die Verbände gegeneinander ausspiele. Das sei in der Apothekerschaft nicht möglich, da es eine Dachorganisation gebe, so Schmidt.

 

Das System der ABDA habe allerdings den Nachteil, dass es über gewisse Selbstbegrenzungsmechanismen verfügt und eher zur Verteidigung des Status quo neigt. »Das System ist gut im Bewahren, jetzt ist es aber nötig, Veränderungen zu bewirken«, sagte Schmidt. Die ABDA müsse jetzt zeigen, ob sie auch geeignet ist, auf veränderte Verhältnisse angemessen und schnell zu reagieren.

 

Freiheit verteidigen

In der Vergangenheit habe sich das System – vor allem in Krisenzeiten – aber bewährt. »Wir haben Ihre Freiheit verteidigt«, sagte Schmidt. »Und das wollen wir auch in Zukunft tun.« Dieser Grundgedanke müsse von den Kollegen mitgetragen werden. Die ABDA-Mitgliedschaft sehe zwar auf den ersten Blick nach Freiheitsbegrenzung aus, habe aber das Ziel, die Freiheit des Berufstandes zu verteidigen. Hierzu seien Kompromissbereitschaft und Kooperationswillen gefragt. »Ich würde gerne mehr Optimismus spüren«, sagte Schmidt. »Und Kollegialität.«

 

Um sich an Veränderungen in der Gesellschaft anzupassen, hat die ABDA die Leitbilddebatte angestoßen. »Wir müssen prüfen, ob das, was wir tun, noch zeitgemäß ist«, sagte Schmidt. »Und wir müssen klären: Wo wollen wir hin?« Das fertige Leitbild solle zum einen nach innen eine Art Verhaltenscodex darstellen und als »Leitplankensystem« für die operative Politik der ABDA dienen, zum anderen soll es nach außen den Berufsstand repräsentieren.

 

Dies sei nicht nur wünschenswert, sondern sichere die Existenz des Berufsstands, machte Thomas Benkert, Präsident der Bayerischen Landesapothekerkammer, in der Diskussion deutlich. »Wir müssen den Sinn des Berufsstandes klar und deutlich herausstellen«, so Benkert. Arzneimittel distribuieren könnten auch andere, die einzige Existenzberechtigung für den Beruf des Apothekers mit einem naturwissenschaftlichem Studium sei dessen Nutzen für die Gesellschaft, der im Leitbild herausgearbeitet werden soll.

 

Der Apotheker habe die gesellschaftliche Aufgabe, die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung ordnungsgemäß sicherzustellen, betonte Andreas Kiefer, Präsident der Bundesapothekerkammer (BAK). Hierfür sei Freiberuflichkeit auf höchstem fachlichem Niveau nötig. Die BAK habe daher eine Qualitätsoffensive gestartet. Doch gibt es immer wieder schwarze Schafe, die durch Fehlverhalten das Image des gesamten Berufsstandes aufs Spiel setzten. Im Hinblick auf den Eingangsvortrag des Verhaltensbiologen zur Steigerung des Kooperationsverhaltens durch Bestrafung oder Belohnung stellten die Diskutanten klar, dass es verschiedene Wege gebe, kollegiales und korrektes Verhalten zu fördern. »Wir denken schon seit einiger Zeit darüber nach, im Interesse der gut arbeitenden Kollegen, Fehlverhalten zu sanktionieren«, sagte Schmidt. »Dieser Prozess wird in absehbarer Zeit zu einem Ergebnis kommen, über das dann gesprochen wird.«

 

Qualität setzt sich durch

Professor Gerhard Riegl vom Institut für Management im Gesundheitsdienst gab zu bedenken, dass in diesem Zusammenhang auch der Patient eine wichtige regulierende Funktion erfülle: »Im Wettbewerb wird sich Qualität durchsetzen.« Patienten straften Apotheker beispielsweise für schlechte Beratung ab, indem sie die Apotheke wechselten. Dem widersprach Lutz Tisch, ABDA-Geschäftsführer für den Bereich Recht. Der Patient dürfe nicht allein das regulierende Maß sein, da der Apotheker eine wichtige Aufgabe im Gesundheitswesen zu erfüllen habe, nämlich den Patienten zu schützen – unter Umständen auch vor sich selbst.

 

Wie die Verhaltensbiologie zeigt, funktionieren Belohnungen in der Regel besser als Bestrafungen. Man denke daher über positive Anreize nach, wurde in der Diskussion deutlich. /

Mehr von Avoxa