Das Miteinander entscheidet |
16.04.2014 09:30 Uhr |
Ob mit anderen Apotheken, Ärzten und natürlich den eigenen Kunden: Ohne Kooperation kann keine Apotheke bestehen. Wie die Zusammenarbeit gelingen kann, zeigten mehrere Vorträge beim PZ-Management-Kongress. Dabei ging es etwa um die Betreuung von HIV-Patienten oder die Durchführung von Studien in der Apotheke. Und auch die klassischen Apothekenkooperationen nahmen die Referenten unter die Lupe.
Beim Beitritt zu einer Apothekenkooperation sollte sich ein Apothekenleiter genau überlegen, wie viel Souveränität er abgeben will. Es gebe große Unterschiede zwischen den verschiedenen Verbünden in Bezug auf die Verbindlichkeit der zentralen Vorgaben, sagte Lutz Tisch, ABDA-Geschäftsführer für den Bereich Recht.
Strenge Vorgaben
Es überrasche ihn, dass sich in einem Berufsstand mit einem sehr hohen Bedürfnis nach Individualität doch viele den teils strengen Vorgaben einiger Apothekenkooperationen bereitwillig unterwerfen wollten. So sei der Wunsch nach Einkaufsgemeinschaften zwar durchaus verständlich und wirtschaftlich mitunter dringend nötig. Doch sei Vorsicht geboten bei einigen Dachmarken, die stark in die betriebswirtschaftliche Führung und damit letztlich auch in die pharmazeutischen Entscheidungen des Apothekers eingreifen wollten. Wenn Apothekenleiter zum Beispiel eine Abfrage ihrer wirtschaftlichen Daten erlaubten, machten sie sich verletzlich, gab Tisch zu bedenken.
Als problematisch sieht er den Übergang zu strengen Dachmarken-Konzepten bis hin zu Franchise-Modellen, vor allem, wenn diese identisch sind mit internationalen Ketten. »Das hat zwar einen gewissen Wiedererkennungseffekt, aber auch Signalwirkung gegenüber Kunden und Politikern, dass es in Deutschland bereits so etwas wie Apothekenketten gäbe«, so Tisch. Er warnte vor einem schleichenden Prozess hin zu Apothekenketten. Der einzelne Apotheker müsse in pharmazeutischen Entscheidungen etwa mit Blick auf das Sortiment weiterhin unabhängig bleiben.
Auch der Handelsexperte Professor Andreas Kaapke mahnte zur Vorsicht bei der Partnerwahl. Wer sich für eine Mitgliedschaft in einer Apothekenkooperation entscheide, sollte von deren Konzept gründlich überzeugt sein. »Gehen Sie keine Kooperation ein, wenn Sie es nicht aus tiefstem Herzen wollen – das ist wie bei einer Partnerschaft.« Bei zu vielen Kompromissen drohe die Verbindung zum Rohrkrepierer zu werden.
Erfolg durch Verbindlichkeit
PZ / Hat bei der Substitution von Vitamin B12 Methylcobalamin gegenüber Cyanocobalamin Vorteile? Und kann eine Susbtitution die kognitiven Fähigkeiten verbessern? Diese Frage an den PZ-Expertenrat beantwortet Professor Dr. Theo Dingermann.
Der Erfolg einer Apothekenkooperation liege zu einem Großteil in der Verbindlichkeit ihrer Mitglieder gegenüber den Vorgaben einer starken Zentrale. Klare Regeln und Aufnahmekriterien müssen die Mitglieder anerkennen und bei Verstößen müssen Sanktionen oder sogar ein Ausschluss aus dem Verbund möglich sein. Um die Qualität zu steigern, sei der Verzicht auf unpassende Mitglieder wichtiger als Wachstum um jeden Preis, so Kaapke. Denn allein die Größe sei kein Garant für Erfolg.
»Sie werden nicht aus jeder Aktion den größtmöglichen Nutzen ziehen können, aber in der Gesamtsumme müssen die Vorteile stimmen«, sagte Kaapke. Die sieht er neben besseren Einkaufskonditionen vor allem in gemeinsamen, professionellen Marketingaktionen, deren Erfolg durch die Zentrale analysiert werden muss. Auch besondere Dienstleistungen können ein Benefit sein.
Fast drei von vier Apotheken sind derzeit Mitglied einer Kooperation, manche sogar in mehreren. Letzteres hält Kaapke jedoch für wenig sinnvoll. Insgesamt werde sich nach einem Boom der verschiedenen Apothekenkooperationen in den vergangenen zehn Jahren der Markt langsam konsolidieren, sagte er.
Ideale Kunden
Nicht nur die Marktpartner, auch seine Kunden müsse man sich sorgfältig aussuchen, riet der Patientenforscher Professor Gerhard Riegl. »Keine Apotheke der Welt kann für alle Patienten die beste sein«, sagte der Leiter des Instituts für Management im Gesundheitswesen. Wichtig sei es daher, für die eigene Apotheke die idealen Kunden zu gewinnen, die rundum zufrieden sind. Von unverbesserlichen Nörglern oder Patienten, die sich zwar umfassend beraten lassen, aber im Internet kaufen, solle man sich höflich, aber bestimmt trennen. Hierfür müsse man sich Exit-Strategien überlegen.
Nur eine Lieblingsapotheke
Um Kunden zu binden, muss man sie begeistern. »Sie müssen von der Stammapotheke zur Lieblingsapotheke Ihrer Kunden werden«, riet Riegl. Viele Patienten hätten mehrere Stammapotheken, jedoch nur eine Lieblingsapotheke. Noch erfolgreicher sei man, wenn die Apotheke zum Sehnsuchtsort werde – einem Ort, mit dem die Kunden positive Gedanken rund um das Thema Gesundheit verbinden.
Mit Persönlichkeit und exzellenter Beratung könne man sich das Vertrauen und damit die Treue seiner Kunden verdienen. »Sie müssen eine Perlenkette von Wohlfühlmomenten für jeden Offizinbesucher entwickeln«, so Riegl. Das fange bei der äußeren Präsentation der Apotheke im Internet und Schaufenster sowie einem freundlichen Lächeln zur Begrüßung an, auch wenn der Mitarbeiter gerade noch ein anderes Beratungsgespräch führe.
Um den Status einer Lieblingsapotheke zu erreichen, müssen nicht nur die angebotenen Leistungen stimmen. »Eine gute Beratung erwartet der Kunde in jeder Apotheke, das reicht nicht«, stellte Riegl fest. Bestes Alleinstellungsmerkmal einer jeden Apotheke seien der Inhaber und sein Team, die Freundlichkeit und Vertrauen ausstrahlen sollen. »Der Apothekenchef muss, selbst wenn er nicht anwesend ist, gewissermaßen über der Offizin schweben«, so Riegl.
Frage: Einer Kundin, die über nachlassende Konzentration und Merkfähigkeit klagt, wurde das Produkt »Super Vitamin B12« von Dr. Hittich empfohlen. Hierbei handelt es sich um ein pflanzliches Methylcobalaminin der Dosierung 1000 µg. Laut Aussage in einem Zeitungsartikel »zwingt« die Lutschtablette das Vitamin direkt ins Blut über die Mundschleimhaut, sodass sich der Vitamin-B12-Spiegel rasant und sicher auffüllt. Welchen Vorteil hat dieses Methylcobalamin gegenüber Cyanocobalamin, welches üblicherweise verwendet wird? Ist mit Vitamin B12 überhaupt eine Verbesserung der Gedächtnisleistung zu erreichen?
Wie wichtig es für HIV-Patienten ist, eine umfassende, gemeinschaftliche Versorgung von Arzt und Apotheker zu bekommen und wie eine solche Zusammenarbeit aussehen kann, erläuterten der Internist Birger Kuhlmann und die Apothekeninhaberin Magdalene Linz. »Jungen Leuten, die heute die Diagnose HIV bekommen, stehen 60 bis 70 Jahre Arzneimitteltherapie bevor«, sagte Kuhlmann. Es sei enorm schwierig, bei diesen Patienten über einen solch langen Zeitraum die Adhärenz aufrechtzuerhalten. Denn die HIV-Infektion ist symptomlos, die zahlreichen Nebenwirkungen der HIV-Medikamente sind es nicht. Auch treten erhebliche Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten auf und Resistenzen entwickeln sich bei unsachgemäßer Einnahme schnell.
Daher haben Kuhlmanns HIV-Schwerpunktpraxis und Linz' Leibniz-Apotheke in Hannover gemeinsam eine Checkliste entwickelt, um die Adhärenz der Patienten einschätzen und unterstützen zu können. »Kommt ein Patient nach Diagnose und Erstverschreibung das erste Mal zu uns in die Apotheke, nehmen wir uns mindestens eine halbe Stunde Zeit für ihn«, erläuterte Linz das Konzept. Trotz des hohen Aufwands zahle es sich aus, denn die Patienten kämen viele Jahre regelmäßig mindestens einmal pro Quartal, auch wenn sie in anderen Städten lebten. »Wir erklären den Patienten nicht nur alles rund um ihre Medikamente, wir helfen ihnen auch, den Schock zu überwinden und ihre Erkrankung in den Alltag zu integrieren«, sagte Linz. Sie und ihre speziell fortgebildeten Mitarbeiterinnen erfahren im Gespräch oft weitere Einzelheiten, die sie an die Ärzte weiterleiten. Und auch die Praxis gibt Informationen weiter, zum Beispiel wenn sie aufgrund neuer Erkenntnisse oder Markteinführungen ihr Verschreibungsverhalten ändert. »Das ist sehr wichtig für uns, da wir ein sehr großes Warenlager mit diesen teuren Medikamenten haben und sich die Therapieempfehlungen ständig ändern«, sagte Linz. »Die gute Kommunikation senkt die Kosten für alle Beteiligten, auch für das Gesundheitssystem.«
Studien in Apotheken
Auch mit der Pharmaindustrie könnten Apotheker künftig enger zusammenarbeiten – und dabei trotzdem für unabhängige Informationen zu Arzneimitteln in der Selbstmedikation sorgen und zwar durch die Mitwirkung bei Anwendungsbeobachtungen. Denn derzeit liegen bei der Entlassung neuer Arzneistoffe aus der Rezeptpflicht in die Selbstmedikation kaum Daten zur Sicherheit in der OTC-Anwendung vor, kritisierte Professor Hartmut Morck von Cui Bono Health Consulting.
Die Hersteller sollten verpflichtet werden, mehr Daten nach dem sogenannten Rx-OTC-Switch vorzulegen. Da es sich um Selbstmedikation handelt, können diese Daten aus Morcks Sicht nur in den Apotheken generiert werden, die entsprechend von der Pharmaindustrie über einen neutralen Fonds entlohnt werden müssten. Damit würde sich ein neues Tätigkeitsfeld für die Apotheker auftun, das nicht nur die Arzneimitteltherapiesicherheit erhöhe und fachliches Know-how erfordere, sondern auch eine neue, zumindest kostendeckende Honorierung bringe.
Dabei könnten jeweils zahlreiche Apotheken mitwirken, indem sie insgesamt mehrere Tausend Patienten ansprechen und per Fragebogen Daten unter anderem zu Nebenwirkungen und Interaktionen erfassen. In solchen nicht interventionellen Studien ließen sich auch seltene Ereignisse erfassen und quantifizieren. Dies sei bislang durch UAW-Meldungen von Ärzten nur unzureichend möglich, bemängelte Morck. Er geht von einem sogenannten Underreporting von bis zu 95 Prozent aus. »Solche Studien sind eine große Chance, sich als Heilberufler zu profilieren und zu positionieren«, sagte der Experte für neue Arzneimittel. In England und Neuseeland brächten sich die Apotheker so bereits erfolgreich in die Arzneimitteltherapiesicherheit ein.
Damit der Originalhersteller einen Nutzen angesichts der Kosten hat, schlug Morck einen erweiterten Patentschutz für die ersten drei Jahre nach Entlassung aus der Rezeptpflicht in die Selbstmedikation vor. Dies sei ein reeller Zeitraum, um die nötigen Daten zu erheben und die Kosten durch die exklusive Vermarktung wieder zu generieren. /
Mehr über den Managementkongress auf Mallorca lesen Sie in der nächsten Ausgabe.
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Antwort: Methylcobalamin (Methyl-B12) gehört neben dem Adenosylcobalamin (Coenzym B12) zu den aktiven Vitamin-B12-Molekülen. Andere Formen von Vitamin B12, darunter auch das viel eingesetzte Cyanocobalamin, müssen vom Körper erst in Methylcobalamin oder Adenosylcobalamin umgewandelt werden. Das ist jedoch kein Problem und ist in aller Regel nicht als Nachteil anzusehen.
Der tägliche Mindestbedarf, der im Vergleich zu den meisten anderen Vitaminen sehr gering ist, beträgt für den erwachsenen Menschen circa 3 µg. Dies liegt unter anderem daran, dass das Vitamin mit 450 bis 750 Tagen eine lange Halbwertszeit hat, da es einem enterohepatischen Kreislauf unterliegt. Dennoch kann für manche Menschen eine Substitution wichtig sein, vor allem dann, wenn komplett auf die Aufnahme tierischer Nahrungsmittel verzichtet wird. Denn die wichtigsten Quellen für Vitamin B12 sind tierische Lebensmittel, darunter Kalbs- und Schweineleber, Rindfleisch, Fisch und Käse (1 bis 60 µg/100 g). In Gemüse sind nur sehr geringe Mengen an Vitamin B12 enthalten (0,01 µg/100 g).
Bei dem in der Frage zitierten Zeitungstext, wonach das Methyl-B12 in Form einer Lutschtablette »mit MaxEffect®« über die Mundschleimhaut direkt ins Blut »gezwungen« wird, sodass sich der Vitamin-B12-Spiegel rasant und sicher auffüllt, handelt es sich erkennbar um einen als wenig seriös zu wertenden Werbetext. Vitamin B12 kann schon über die Mundschleimhaut aufgenommen werden. Allerdings geht man davon aus, dass viel verschluckt wird, sodass dieser Weg wohl wenig relevant ist. Vitamin B12 kann auch über passive Diffusion aufgenommen werden. Dazu sind hohe Dosen erforderlich. Rechnerisch sind Dosierungen ab 200 µg ausreichend. Sicherer sind Dosen zwischen 500 und 1000 µg pro Tag.
Sollten Konzentration und Merkfähigkeit nachlassen, kann das neben vielen anderen Ursachen auch an einem Vitamin-B12-Mangel liegen. Die Vitamin-B12-Konzentration kann und sollte man bestimmen lassen, um dann gegebenenfalls zu substituieren. Hierfür stehen etliche Präparate zur Verfügung, die sich, wenn ausreichend dosiert, in Wirksamkeit und Verträglichkeit kaum voneinander unterscheiden. /