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Triptane

Beratungsintensive Blitzableiter

06.04.2011  08:59 Uhr

Sie wirken spezifisch und hoch effektiv, wenn die Migräne wie ein Gewitter über das Gehirn hereinzubrechen droht. Doch der Umgang mit Triptanen ist nicht ganz einfach und muss dem Patienten nahegebracht werden. Eine gute Möglichkeit, im Beratungsgespräch zu punkten.

Bei mittelstarken bis starken Migräneattacken sind Triptane die Mittel der ersten Wahl, heißt es in der gemeinsamen Leitlinie der DMKG und der DGN. Als spezifische Migränemittel sind sie beim Spannungskopfschmerz unwirksam. Von den Mutterkornalkaloiden ist nur noch Ergotamintar­trat (Ergo-Kranit®) zur Behandlung akuter Migräneattacken zugelassen und eignet sich für Patienten mit sehr langen Anfällen oder mit ausgeprägten Wiederkehrkopfschmerzen.

Alle Triptane haben ihre Wirksamkeit und Sicherheit in großen placebokontrollierten Studien mit gut vergleichbarem Design bewiesen. Laut den Ergebnissen der Zulassungsstudien können Triptane rund 60 Prozent der Patienten helfen, die auf NSAR/Analgetika nicht ansprechen. In den späteren Beobachtungsstudien waren es bis zu 90 Prozent der Patienten. Die Versorgungssituation sieht indes in Deutschland relativ mau aus. Straube: »Hierzulande bekommen nur rund 10 Prozent der Migräne-Betroffenen Triptane verordnet. In skandinavischen Ländern liegt dagegen die Rate bei rund 33 Prozent. Die Verordnungszahlen sind seit Jahren relativ stabil. Allerdings muss man wissen, dass 80 Prozent der Betroffenen mit einem vernünftig eingenommenen nicht steroidalem Antiphlogistikum auch in den meisten Attacken gut zurechtkommen«, informierte der Kopfschmerzexperte.

 

Mit Ausnahme von Naratriptan (2 Tabletten à 2,5 mg [Formigran®], Naramig® rezeptpflichtig) sind alle auf dem Markt befindlichen Triptane, also Sumatriptan (Imi­gran®), Zolmitriptan (Ascotop®) Rizatriptan (Maxalt®), Almotriptan (Almogran®), Eletriptan (Relpax®) und Frovatriptan (Alle­gro®) rezeptpflichtig. Naratriptan verdankt seine Rezeptfreiheit vor allem seinem günstigen Nebenwirkungsprofil. Vor rund zwei Jahren ist zwar auch Almotriptan in einer Dosis von 12,5 mg aus der Verschreibungspflicht entlassen worden, doch ist bislang kein entsprechendes Präparat im Handel.

 

Triptane lindern neben dem Kopfschmerz auch die Begleitsymptome. Wie? Durch ihre Strukturverwandtschaft mit Serotonin (5-HT) wirken sie agonistisch an den Subtypen 5-HT1B und 5-HT1D. Die Interaktion mit den 5-HT1B-Rezeptoren lässt die dilatierten intrakraniellen Gefäße im Gehirn verengen. Und durch die Wechselwirkung mit dem 5-HT1D-Rezeptor wird die Aktivität des Trigeminusnervs gehemmt, sodass er weniger vasoaktive Neuropeptide freisetzt und weniger Schmerzsignale von den geweiteten entzündeten Blutgefäßen vermittelt. Somit wird die zentrale Schmerzleitung in nozizeptiven Strukturen des Hirnstamms gehemmt (siehe Grafik).

Jedoch: Der Serotoninrezeptor ist in Form verschiedener Subtypen auch an Blutgefäßen außerhalb des Gehirns lokalisiert. So können Triptane in geringem Maße auch Blutgefäße verengen, die nicht ins Migränegeschehen involviert sind. Folglich sind kardiovaskuläre Erkrankungen wie jegliche Durchblutungsstörungen des Herzens oder des Gehirns sowie Bluthochdruck ernst zu nehmende Kontraindikationen.

 

Nicht zu vergessen: Dies gilt auch für das rezeptfreie Naratriptan. Vor dessen Abgabe muss der Apothekenkunde nicht nur nach eventuell bestehenden Herz-Kreislauf-Erkrankungen gefragt werden, sondern auch nach möglichen Risikofaktoren wie Diabetes oder der Höhe des Zigarettenkonsums. Weitere Gegenanzeigen: Leber- oder Nierenversagen, gleichzeitige Einnahme anderer gefäßverengender Medikamente, vor allem von Ergotaminen sowie von Monoaminoxidase-Hemmern. Menschen unter 18 Jahre (Ausnahme: Sumatriptan nasal) und über 65 Jahre dürfen Triptane wegen unzureichender Datenlage zur Sicherheit nicht einnehmen.

 

Triptan nicht gleich Triptan

 

Welches der sieben Triptane zum Einsatz kommen sollte, ist pauschal nicht zu sagen. Auch die Leitlinie spricht keine generelle Präferenz für eine bestimmte Substanz aus. Je nach Substanz, deren Einzeldosis und Darreichungsform unterscheiden sich die einzelnen Präparate in Verträglichkeit, Wirkstärke, -eintritt und -dauer. So geht beispielsweise eine hohe Wirkstärke zulasten der Verträglichkeit und ein schneller Wirkeintritt zulasten der Wirkdauer.

Sumatriptan wirkt etwa sehr schnell und sehr stark, dafür aber nur kurz und hat ein etwas höheres Nebenwirkungspotenzial. Deshalb sollte subkutan gespritztes Sumatriptan nur schwersten Attacken vorbehalten sein. Die Wirkung der anderen Triptane in den unterschiedlichen Darreichungsformen tritt frühestens nach 30 bis 60 Minuten ein, Nara- und Frovatriptan benötigen gar bis zu vier Stunden, bis sie wirken. Das tun sie dann aber relativ lange und sind daher kaum für Patienten mit kurzen Migräneattacken geeignet.

 

»Letztendlich sind die Unterschiede aber nicht so gravierend, dass ein Triptan alle anderen ausstechen würde«, wertete Straube. »Dennoch können die Unterschiede für den einen oder anderen Patienten wesentlich sein. Manche Patienten kommen mit einem bestimmten Triptan besser zurecht als mit den Schwestersubstanzen. Es ist eine Sache des Ausprobierens.«

 

Einmal ist keinmal

 

Von wegen Ausprobieren: Nur 30 Prozent der Patienten sprechen auf ihr erstes Triptan an. Für die restlichen Betroffenen lohnt es sich aber, ein weiteres Triptan zu testen. »Dabei geht man so vor: Der Patient nimmt ein Triptan bei mindestens drei aufeinanderfolgenden Attacken. Wenn es bei allen drei Attacken nicht anschlägt, würde ich auf ein anderes Triptan umstellen. Studien zeigen, dass die primären Non-Responder zu 50 Prozent auf das zweite Triptan ansprechen. Es gibt jedoch keine Untersuchungen, die das weiter betrieben und die sekundären Non-Responder einem dritten Triptan ausgesetzt hätten. Ich würde denken, dass am Schluss allenfalls 10 Prozent als Non-Responder übrig bleiben«, erklärt Straube das Prozedere.

 

Warum es Patienten gibt, die auf das eine Triptan reagieren und auf das andere nicht, ist bislang nicht bekannt. Und: »Auch wenn das Triptan prinzipiell anschlägt, ist nicht jede Einnahme wirksam. Warum aber 90 Prozent der Patienten nur bei zwei von drei Attacken einen guten Response haben, ist nicht klar.« Wirkt ein Triptan in der empfohlenen Höchstdosis nicht, ist es sinnlos, in derselben Migräneattacke eine zweite Dosis zu applizieren. Wurde die erste Dosis erbrochen, kann natürlich eine zweite Dosis gegeben werden.

 

Was Triptan-Anwender wissen sollten

 

Das Medikament schon bei den ersten Anzeichen des Migränekopfschmerzes einnehmen, jedoch keinesfalls in der Auraphase! Dann wirken Triptane noch nicht.

Die Erfahrung zeigt, dass Patienten eigenmächtig die Dosis reduzieren. Doch Triptane eignen sich nicht zur Stufentherapie. Sie müssen frühzeitig und in verordneter Dosis eingenommen werden.

Während einer Migräneattacke darf ein Triptan nicht mit einem anderen Triptan oder einem Ergotamin kombiniert werden. Im Gegensatz zu Analgetika und Ergotaminen können Triptane auch noch bei einer schon fortgeschrittenen Migräneattacke angewendet werden. Sie wirken aber umso besser, je früher sie eingenommen werden.

Die Kombination eines Triptans mit einem Antiemetikum ist möglich, meist jedoch nicht erforderlich. Für Patienten, die unter Übelkeit und Erbrechen leiden, sind Zäpfchen, Nasensprays oder Schmelztabletten eine gute Lösung. Letztere lösen sich ohne Flüssigkeit im Mund auf.

Triptane können Medikamenten-induzierten Kopfschmerz auslösen. Deshalb dürfen sie höchstens zehn Tage im Monat und an drei Tagen hintereinander zum Einsatz kommen.

Während einer Migräneattacke zieht man sich am besten in einen ruhigen, abgedunkelten Raum zurück, gönnt sich körperliche Ruhe und kühlt die Stirn. Auch wer weiß, dass sein Medikament sehr gut und sehr schnell wirkt, sollte sich diese Ruhephase gönnen. Der Körper braucht diese Zeit.

 

Studien zufolge kommt es bei 15 bis 40 Prozent der Patienten, die peroral Triptane einnehmen, zu Wiederkehrkopfschmerz. Dieser ist definiert als Kopfschmerz, der innerhalb von 24 Stunden nach zunächst erfolgreicher Triptananwendung erneut auftritt. Bei den Betroffenen ist zwar die nächste Dosis in der Regel genauso wirksam wie die vorige (Achtung: Die Tageshöchstdosis von meist zwei Tabletten des jeweiligen Präparates im Auge behalten!). Doch es könnte auch eine elegantere Lösung infrage kommen, und zwar ein Therapieversuch, bei dem mit der ersten Triptandosis zusätzlich ein lang wirksames NSAR wie Naproxen (500 mg, wie Proxen®) eingenommen wird. Die Kombinationstherapie senkte in Studien den Schmerz effektiver und länger anhaltend als das Triptan allein und machte eine spätere erneute Medikamenteneinnahme häufig überflüssig. /

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