Genvarianten erhöhen das Risiko |
08.04.2008 17:38 Uhr |
Genvarianten erhöhen das Risiko
Von Daniela Biermann
Manche langjährige Raucher entwickeln Lungenkrebs, andere nicht. Dies liegt auch an den Genen. Drei Forscherteams haben jetzt genetische Varianten entdeckt, die das Lungenkrebsrisiko um bis zu 80 Prozent steigern.
Rauchen verursacht Lungenkrebs. Das ist unbestritten. Wie groß das Risiko für einen Raucher ist, hängt dabei stark von seinen Genen ab. Das legen zumindest drei voneinander unabhängige Studien von Forschergruppen aus Frankreich, Island und den USA nahe, die jetzt in den Fachzeitschriften »Nature« und »Nature Genetics« publiziert wurden. Sie alle entdeckten genetische Variationen in derselben Region auf dem langen Arm von Chromosom 15, die das Lungenkrebsrisiko erhöhen. Doch die drei Forschergruppen sind sich uneins, ob sie das Risiko direkt über die Pathogenese oder indirekt über eine stärkere Nikotinsucht erhöhen.
Paul Brennan und sein Team von der International Agency for Research on Cancer in Lyon, identifizierten einen Variation, einen Single Nucleotide Polymorphism (SNP) in der Region 15q25. In ihrer Analyse fanden sie keinen Zusammenhang zwischen der genetischen Variante und dem Ausmaß der Nikotinaufnahme, wie sie in »Nature« (Band 452, Seite 633) berichten. »Jede Assoziation mit Nikotin wird mäßig sein«, sagt Brennan. Allerdings räumt er ein, dass »auf diesem Gebiet noch viel Arbeit nötig ist«.
Kari Stefansson und seine Kollegen von deCode Genetics in Reykjavik fanden dagegen in ihrer Untersuchung, dass die von ihnen identifizierte Genvariante das Lungenkrebsrisiko erhöht, indem sie ihre Träger anfälliger für eine Nikotinabhängigkeit macht. Träger der sehr häufig vorkommenden Variante rauchen mehr als Menschen ohne, berichtet die Forschergruppe in »Nature« (Band 452, Seite 638). Sie stellten eine Faustregel auf: »Wer ein Allel der Variante hat, raucht ungefähr eine Zigarette mehr pro Tag; wenn jemand zwei Allele hat, raucht er im Durchschnitt zwei Zigaretten mehr pro Tag.«
Ein Zusammenhang drängt sich auf, denn die Genvarianten liegen alle auf Chromosom 15, genau in einem Cluster von Genen, die für Nikotinrezeptoren codieren. »Einmal gebunden, setzen diese Rezeptoren eine Signalkaskade in Gang«, erklärt Christopher Amos, Genetiker am M. D. Anderson Cancer Center der University of Texas in Houston und Leiter der US-amerikanischen Studie. »Es ist bekannt, dass Nikotin die Zellproliferation, die Entwicklung neuer Blutgefäße und Wachstumsfaktoren aktiviert, während es verschiedene Signalwege hochreguliert. Wenn dies wirklich die verursachenden Gene sind, wird das von großem Interesse sein.«
Die von ihm entdeckte genetische Variante ist ausgesprochen häufig: Die Hälfte der kaukasischen Bevölkerung trägt sie in einfacher Ausführung (heterozygot). Ein verändertes Chromosom allein erhöht das Lungenkrebsrisiko um rund 30 Prozent. Jeder Zehnte ist ein homozygoter Träger, das heißt er hat die Varianten auf beiden Chromosomensätzen. Damit steigt das Risiko um etwa 80 Prozent (»Nature Genetics«, Doi: 10.1038/ng.109).
Ein typischer Raucher hat ein Risiko von 15 Prozent, im Laufe seines Lebens an Lungenkrebs zu erkranken. Liegt die doppelte Genvariante vor, steigt es auf 23 Prozent. Dagegen liegt das Risiko für Menschen, die weniger als 100 Zigaretten in ihrem Leben geraucht haben, bei weniger als 1 Prozent. »Rauchen allein ist der überwiegende Risikofaktor«, sagt Stefansson. Auch Lesley Walker, Direktorin der Krebsinformation am British Charity Cancer Research, betont: »Es ist wichtig, sich daran zu erinnern, dass Aufhören das Beste ist, was ein Raucher tun kann, um sein Lungenkrebsrisiko und das anderer lebensbedrohlicher Krankheiten zu senken.«