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Polypharmazie

Glaeske

02.04.2014  10:28 Uhr

Von Stephanie Schersch, Berlin / Wenn Patienten viele Arzneimittel gleichzeitig einnehmen, führt das häufig zu Problemen. Der Bremer Gesundheitsökonom Professor Gerd Glaeske macht dafür auch die Behandlungsleitlinien der Ärzte verantwortlich. Sie seien schlichtweg zu wenig aufeinander abgestimmt.

In Deutschland sei jeder siebte Patient bei mehr als vier Ärzten in Therapie, sagte Glaeske vergangene Woche auf dem Kongress für Gesundheitsnetzwerker in Berlin. Diese behandelten in der Regel leitliniengetreu, doch gerade darin liege manchmal das Problem. 

 

Denn nicht selten kommt es zu Doppelverordnungen oder aber zu Interaktionen zwischen den verschriebenen Präparaten. Leitlinien für die Behandlung multimorbider Patienten gebe es in Deutschland bislang nicht, bemängelte Glaeske. Die Konsequenzen zeigten sich besonders in der älteren Generation. »35 Prozent der Männer und 40 Prozent der Frauen über 65 Jahre erhalten mindestens neun Wirkstoffe in Dauertherapie.«

 

Helfen könnte Glaeske zufolge eine verpflichtende elektronische Gesundheitskarte, auf der die vollständige Medikation des Patienten hinterlegt ist. Die Einführung einer solchen Karte ist in Deutschland aufgrund anhaltender Proteste jedoch in weite Ferne gerückt. Kritiker führen dabei immer wieder datenschutzrechtliche Bedenken ins Feld. »An dieser Stelle muss man sich einmal fragen, ob Therapiesicherheit nicht wichtiger ist als informationelle Selbstbestimmung«, sagte Glaeske.

 

Mangelnde Koordination

 

Darüber hinaus mangele es in Deutschland an Koordination zwischen den Gesundheitsberufen. So könne etwa die stärkere Einbindung der Apotheker große Wirkung zeigen. Glaeske verwies dabei auf die Situation in Australien. Dort überprüfen Apotheker Hausapotheke und Medikation von Patienten und erhalten dafür ein Honorar. Auch hierzulande müssten Apotheker ihre Aufgabe als Arzneimittelfachleute stärker herausstellen. »Die reine Distribution von Medikamenten ist ein auslaufendes Modell«, sagte Glaeske. Vielmehr müssten sich Apotheken als »Referenzzentren für Arzneimitteltherapiesicherheit« positionieren. »In diesem Sinne sind Apotheker unverzichtbar.«  /

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