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Hornhautinfektion

Amöben im Auge

01.04.2014  15:11 Uhr

Von Verena Arzbach, Düsseldorf / Auslöser von Hornhaut­entzündungen sind meist Bakterien, aber auch Viren oder Pilze. In seltenen Fällen stecken winzige Parasiten – Akanthamöben – hinter der Infektion. Und das kann gefährlich werden, denn die Einzeller können in die Hornhaut eindringen und Entzündungen auslösen, die bis zur Erblindung führen können.

Zu Beginn sind die Symptome der Akanthamöbenkeratitis relativ unspezifisch: Das Auge ist rot, tränt, und die Betroffenen sehen verschwommen. In vielen Fällen kann es zu einer Verwechslung mit einer Keratitis dendritica kommen, die von Herpes-Viren ausgelöst wird. Patienten mit Akanthamöbenkeratitis sind meist jung und ansonsten gesund. Die Erkrankung tritt in der Regel einseitig in einem Auge auf. 

 

Erst nach etwa fünf Wochen kämen starke Schmerzen hinzu – ein Zeichen, dass die Parasiten Nervenzellen geschädigt haben, berichtete Professor Dr. Thomas Reinhard, Leiter der Universitäts-Augenklinik in Freiburg, in einem Vortrag bei der Augenärztlichen Akademie in Düsseldorf. Im Gegensatz dazu schmerze das Auge bei bakteriellen Infektionen schon viel früher, etwa nach zwei Tagen. Eine rechtzeitige Diagnose und Behandlung seien enorm wichtig, denn in späteren Stadien drohen Sehbeeinträchtigungen bis hin zur Erblindung, es kann außerdem zu Vorderkammerreizungen, einem Sekundärglaukom und einer Sklerainfiltration kommen.

 

Verunreinigte Kontaktlinsen

 

Die Akanthamöbenkeratitis tritt sehr selten auf. Es gebe zwar keine genauen Zahlen, aber pro Jahr seien in Deutschland schätzungsweise 100 bis 150 Patienten betroffen, sagte Reinhard. Die winzigen Parasiten kommen praktisch überall vor, in Schwimmbecken, Seen, in der Erde und im Mineralwasser, ebenso in der Nase und auf der Rachenschleimhaut gesunder Menschen. Die häufigste Ursache einer Infektion ist mangelhafte Hygiene beim Umgang mit Kontaktlinsen: Studien zufolge sind 88 Prozent der Patienten mit Akanthamöbenkeratitis Kontaktlinsenträger. 60 Prozent davon haben ihre Kontaktlinsen nicht korrekt desinfiziert, 32 Prozent haben mit Kontaktlinsen ein Schwimmbad besucht. Gelangt verunreinigtes Wasser, beispielsweise aus dem Pool, Badesee oder aus der Leitung, ins Auge, können die Amöben in die Hornhaut eindringen.

 

Warum aber sind die Fallzahlen so gering, obwohl Akanthamöben nahezu ubiquitär vorkommen? »Damit die Parasiten eine Keratitis auslösen können, müssen zwei Bedingungen erfüllt sein«, erklärte Reinhard. Zum einen müssten spezielle Amöben das Auge besiedeln, die das sogenannte Mannose binding protein (MBP) besitzen – ein Transmembranprotein, das die Adhäsion der Amöben an den Hornhautzellen vermittelt. »Akanthamöben mit wenig oder keinem MBP sind nicht pathogen, sie finden keinen Kontakt zu Wirtszellen und lösen keine zytopathischen Effekte aus«, so Reinhard. Auch der Gehalt an Immunglobulin A in der Tränenflüssigkeit spielt eine Rolle: Patienten mit Akanthamöbenkeratitis zeigen im Vergleich zu gesunden Menschen verringerte IgA-Spiegel.

 

Akanthamöben treten in zwei Erscheinungsformen auf, berichtete der Augenarzt. Es gebe größere aktive Trophozoiten und kleinere Zysten, die eine Überdauerungsform darstellen. Letztere seien extrem resistent und schwierig mit Medikamenten zu packen, so Reinhard. Dennoch lasse sich die Amöbenkeratitis mit einer Kombinationstherapie aus drei Medikamenten relativ gut behandeln. Die konservative Therapie besteht aus einem 0,1-prozentigem Diamidin-Derivat, 0,02-prozentiger Polyhexamethylenbiguanid-Lösung (wirksam gegen Zysten) und einem Aminoglykosid wie Tobramycin. Der Einsatz eines Antibiotikums sei sinnvoll, da Bakterien, insbesondere Escherichia coli, den Akanthamöben als Nahrung dienen.

 

Disziplin gefragt

 

Das Therapieschema verlangt dem Patienten jedoch einiges ab: Er muss die Augentropfen drei Tage lang alle 15 Minuten anwenden, Tag und Nacht. Ab dem vierten Tag kann der Patient die Tropfmenge reduzieren, er muss die Medikamente aber über mehrere Monate ausschleichen, so Reinhard. Bei Nichtansprechen der Therapie können die Antimykotika Voriconazol oder Miconazol oder das Antiseptikum Chlorhexidin versucht werden. Corticosteroide können eventuell gegen die Entzündungsbeschwerden zusätzlich ab dem vierten Tag zum Einsatz kommen. Schlägt die medikamentöse Therapie nicht an, hat der Augenarzt verschiedene chirurgische Möglichkeiten: Er kann die Epithelschicht der Hornhaut abtragen (Abrasio corneae) oder das Auge mit Kälte behandeln (Kryokoagulation). In fortgeschrittenen Stadien hilft dem Patienten häufig nur eine Hornhauttransplantation.

Von Ev Tebroke / Die Apotheker in Baden-Württemberg treiben die Digitalisierung voran. Rezeptsammelstellen sollen den beliefernden Apotheken die Rezepte künftig direkt elektronisch zur Ansicht übermitteln. Der Landesapothekerverband unterstützt die Entwicklung eines entsprechenden Prototyps. Mit Doc Morris und dessen umstrittenen Arzneimittel-Terminal habe das nichts zu tun, heißt es.

Die Prognose einer Akanthamöbenkeratitis sei besser, je früher die Diagnose gestellt und die Therapie eingeleitet werde, betonte Reinhard. Mit der konservativen Therapie könne dann meist eine gute Sehschärfe behalten werden. Eine kanadische Studie mit 41 Patienten (doi: 10.1016/j.jcjo.2012.03.040), hatte untersucht, welche Faktoren sich günstig auf die Prognose der Amöbenkeratitis auswirken. Die Patienten waren im Durchschnitt noch 20 Monate nach der Therapie beobachtet worden. Demnach stellte sich vorwiegend nach der Infektion bei den Patienten wieder eine gute Sehschärfe ein, die sich im Schwimmbad mit den Amöben infiziert hatten , die bereits eine gute Ausgangs-Sehschärfe aufwiesen und die unter anderem mit Chlorhexidin behandelt worden waren.

 

Eher ungünstig auf die Sehschärfe-Prognose wirkten sich hingegen der Einsatz topischer Corticosteroide und ein Epitheldefekt bei Erstvorstellung aus. /

Um die Arzneimittelversorgung auf dem Land zu verbessern, soll es in Baden-Württemberg bald digitale Rezeptsammel­stellen geben. Das hatte der Präsident des dortigen Landes­apothekerverbands (LAV), Fritz Becker, Ende April auf dem Wirtschaftsforum des Deutschen Apothekerverbands in Berlin angedeutet. Die Arbeiten zu dem Projekt gehen anscheinend gut voran. Wie ein Sprecher des LAV auf Anfrage der PZ erläuterte, soll bereits im Herbst der Probebetrieb des Prototyps starten.

 

Derzeit arbeitet der Verband zusammen mit einem Technologiepartner an der Entwicklung und Umsetzung. Die entsprechende Hardware steht demnach bereits, auch die Arbeiten an der Software gehen laut LAV gut voran, hier ist aber noch Feintuning nötig. Insbesondere beim Datenschutz gilt es viel zu beachten. »Wir werden in Abstimmung mit dem Datenschutz-Beauftragten Baden-Württembergs alle Vorgaben einhalten, noch sind nicht alle Details geklärt«, so der Sprecher.

 

Gerade in ländlichen Gebieten mit wenigen Apotheken soll die digitalisierte Übermittlung von Rezepten die Patientenversorgung schneller und einfacher machen. An Orten, wo bereits eine genehmigte Rezeptsammelstelle existiert, könnte der Patient dann künftig sein Rezept an einem Terminal einwerfen. Dieser digitalisiert es und übermittelt die Bilddatei an die für die Belieferung zuständige Apotheke, sodass diese das Rezept einsehen kann. »Die Daten werden aber nicht im klassischen Sinne per E-Mail verschickt«, betont der LAV-Sprecher. Es handele sich um keine End-to-end Übermittlung. Dies würde die Sache datenschutzrechtlich eher verkomplizieren. Genauere Details der Umsetzung wollte er nicht nennen.

Wo der Prototyp ab Herbst in Betrieb geht, wollte der Sprecher ebenfalls noch nicht verraten. Es handele sich um einen Ort, an dem bereits jetzt eine Rezeptsammelstelle existiert, sagte er. Der LAV sieht das Projekt auch in keiner Weise in Konkurrenz zu dem Arzneimittel-Automaten von Doc Morris in der baden-württembergischen Gemeinde Hüffenhardt. Zuletzt hatte die niederländische Versandapotheke für Schlagzeilen gesorgt, weil sie auf dem Land angebliche »Versorgungslücken« ausgemacht hatte und in dem 2000-Seelen-Dorf deshalb einen Arzneimittel-Abgabeterminal mit Videoberatung eingerichtet hat. Dieses Konstrukt hat die zuständige Arzneimittelbehörde rechtlich angefochten. Doc Morris versucht derzeit per Klage den Betrieb durchzusetzen.

 

»Es gibt keine Versorgungslücken«, so der LAV-Sprecher. Allein in Baden-Württemberg sorgen demnach über 100 Rezeptsammelstellen dafür, dass Patienten auch dort, wo keine Apotheke in der Nähe ist, ihre gewünschten Medikamente erhalten. »Wir wollen die vorhandene Versorgung lediglich effizienter machen.«

 

Mehr Zeit für die Patienten

 

Die beliefernde Apotheke spart durch die Neuerung künftig Zeit, da sie die Rezepte nicht erst an der Sammelstelle abholen muss, sondern das gewünschte Medikament direkt bestellen oder zur Auslieferung fertig machen kann. Erst auf dem Weg zum Patienten holt sie das Rezept dann von der Sammelstelle ab und kontrolliert die Daten. Die dadurch freigewordenen Ressourcen kann die Apotheke künftig an anderer Stelle für die Versorgung der Patienten nutzen.

 

Die Entwicklung des Prototyps finanziert der LAV zunächst vor. Mittelfristig soll der Technologiepartner das Modell an dem Markt bringen. Grundsätzlich dürfte das Baden-Württemberger Konzept auch für andere Bundesländer attraktiv sein. Zunächst gilt es nun den Testlauf ab Herbst abzuwarten. /

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