Ideologische Barrieren |
08.04.2008 17:37 Uhr |
Es könnte alles so einfach sein. Das Bundeskriminalamt, die EU-Kommission (siehe dazu Arzneimittelfälschungen: Gefährliche Vertriebswege) und der Bundesinnenminister sind sich einig: Arzneimittelfälschungen werden ein immer größeres Problem. Auch darüber besteht Konsens: Die meisten Plagiate werden von arglosen Menschen im Internet bestellt und per Post nach Deutschland geliefert. Dennoch bleiben die Dinge kompliziert: Die Verantwortlichen ziehen aus denselben Fakten unterschiedliche Schlüsse.
Im Kern geht es immer um die eine Frage: Kann man den Versandhandel mit Arzneimitteln genauso sicher machen wie die Arzneimitteldistribution über öffentliche Apotheken. Nein, sagen die ABDA, Apothekerkammern und -verbände, da die Verbraucher nicht zwischen seriösen und unseriösen Anbietern im Internet unterscheiden können, ist ein sicherer Vertriebsweg über das Netz ausgeschlossen. Die Argumentation ist einleuchtend, zumal Untersuchungen zeigen, dass viele Verbraucher selbst mit schlichten Mitteln simulierte Internet-Apotheken für seriös halten.
Dennoch gibt es Widerstand gegen ein Verbot des Versandhandels. Wenn der Zeitgeist auf Deregulierung steht, sind neue Restriktionen selten beliebt. Da helfen keine Fakten. Zwar fordert die EU-Kommission nun in ihrem öffentlichen Konsultationspapier alle Beteiligten auf, Vorschläge für eine bessere Kontrolle von Arzneimittelherstellung und -vertriebswegen zu machen. Bis zu einem Verbot des Versandes verschreibungspflichtiger Medikamente ist es aber noch weit. Ideologische Barrieren versperren zurzeit den Weg zur Erkenntnis.
Ein Verbot sei kein Allheilmittel gegen Fälscher, es treffe nicht die illegalen Versender, sagen die Befürworter deregulierter Vertriebswege. Das stimmt. Kriminelle lassen sich nicht von neuen Gesetzen abschrecken. Ein Verbot kann aber Kriminalität sichtbar machen. Wenn es keinen legalen Versender mehr gibt, sind alle illegal. Das kann sich jeder Verbraucher merken. Die meisten bestellen nicht wissentlich bei einem illegalen Versender. Die Fälscher würden deshalb so zumindest einen großen Teil ihrer Kundschaft verlieren.
Zudem ist es absurd, von einem Gesetz zu erwarten, dass es ein Problem vollständig löst. Das Rauchverbot schützt auch nicht alle Nichtraucher vorm Passivrauchen. Wenn es in Baden-Württemberg in Zukunft nachts keinen Alkohol mehr an Tankstellen geben soll, werden sich dennoch Jugendliche ins Koma saufen. Beide Gesetze haben nicht den Anspruch auf die vollständige Lösung eines Problems, dennoch sind sie sinnvoll. Dasselbe gilt auch für das Versandverbot. Wenn die Fälscher ihren wesentlichen Vertriebsweg verlieren, dann haben sie weniger Erfolg. Es kann nicht sein, dass diese schlichte Wahrheit nur deshalb ignoriert wird, weil sie den freien Wettbewerb einschränkt. Beim Rauchverbot sorgt sich doch zu Recht auch niemand um den Profit der Tabakindustrie.
Daniel Rücker
Stellvertretender Chefredakteur