Gefährliche Vertriebswege |
08.04.2008 17:37 Uhr |
Gefährliche Vertriebswege
Von Daniel Rücker
Bei der Arzneimittelsicherheit galt Europa lange als Insel der Glückseligen. Sichere Vertriebswege für Medikamente machten es den Fälschern schwer, ihre Ware in Deutschland und anderen EU-Staaten auf den Markt zu bringen. Das stimmt heute nicht mehr und deshalb machen sich auch die Zollfahndung am Frankfurter Flughafen und die EU-Kommission Sorgen über die Vertriebswege für Arzneimittel.
Der Trend ist eindeutig: Vor allem Medikamente, die schöner, dünner, stärker oder potenter machen sollen, werden auch von deutschen Verbrauchern immer häufiger über das Internet bestellt. Mit chemischer Hilfe möchten sich die mit ihrem Aussehen unzufriedenen Menschen ihren oft verqueren Idealen nähern - möglichst preiswert und möglichst diskret, also über das Internet.
Die damit verbundenen Risiken sind vielen offensichtlich nicht bekannt. Viele über das Internet bestellte Lifestyle-Präparate sind gefälscht. Dennoch nimmt die Zahl der Fälschungen zu. So vermeldete Bundesfinanzminister Peer Steinbrück vor rund zwei Wochen einen deutlichen Anstieg illegal nach Deutschland eingeführter Medikamente. Er bezeichnete diese Entwicklung wegen des damit verbundenen Risikos als beunruhigend.
Am vergangenen Mittwoch präsentierte die Zollfahndung in Frankfurt am Main Zahlen, die Steinbrücks Sorgen kaum zerstreuen dürften. Danach gingen zwar die aus China illegal eingeführten Schlankheitsmittel im Jahr 2007 gegenüber dem Vorjahr deutlich zurück. Insgesamt registrierte die Zollfahndung im Rhein-Main-Gebiet jedoch mit 192 Fällen eine Stagnation der Verstöße gegen das Arzneimittelgesetz auf hohem Niveau. Dahinter verbargen sich rund 2 Millionen Tabletten und rund 325.000 Ampullen mit unterschiedlichen Wirkstoffen, darunter vor allem Schlankheits-, Potenz- und Haarwuchsmittel. Hinzu kamen fast 35 Tabletten und 4060 Ampullen mit anabolen Medikamenten.
Nach Angaben des Zolls gelangte der weitaus größte Teil der Medikamente per Post nach Deutschland. Die Vorsteherin des Zollfahndungsamtes in Frankfurt, Pia Wiedemann, warnte die Konsumenten dieser Produkte eindringlich davor, ihre Gesundheit so leichtfertig aufs Spiel zu setzen: »Ich kann nur entschieden davon abraten, solche Produkte zu konsumieren. Nierenschäden und Leberversagen können hier die Folgen sein.«
EU-Kommission in Sorge
Der Vorsitzende des Hessischen Apothekerverbandes, Dr. Peter Homann, forderte angesichts der von der Zollfahndung präsentierten Zahlen den Gesetzgeber auf, »endlich den Versand mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln zu verbieten«.
Nach Angaben der ABDA - Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände ist selbst die EU-Kommission von der Zunahme der Arzneimittelfälschungen in der Europäischen Union beunruhigt. Nach einem öffentlichen Konsultationspapier der Kommission vom 11. März stieg die Zahl der 2006 in der Europäischen Union gefundenen gefälschten Medikamente im Vergleich zum Vorjahr um 384 Prozent auf mehr als 2,7 Millionen Artikel. Besondere Sorgen bereitet der Kommission dabei der starke Anstieg bei lebenswichtigen Medikamenten, etwa zur Behandlung von Krebs oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Neben dem Internet nennt die Kommission auch Qualitätsmängel in der regulären Vertriebskette als Grund für die starke Zunahme der Fälschungen. In ihrer öffentlichen Konsultation fordert die EU-Kommission alle Beteiligten auf, Konzepte zu entwickeln, wie die Patienten besser vor den Gefahren gefälschter Medikamente geschützt werden können. Nur ein schnelles Handeln der EU-Staaten könne verhindern, dass das Problem der Arzneimittelfälschungen weiter wachse. Die Kommission selbst sieht in einer besseren Kontrolle von Vertrieb und Herstellung der Medikamente den wichtigsten Hebel gegen Arzneimittelfälschungen.
Die ABDA begrüßte die Initiative der EU-Kommission für eine sicherere Arzneimittelversorgung. »Die Kommission erkennt, dass der Arzneimittelsektor besondere Aufmerksamkeit erfordert«, kommentierte ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf. Dabei müsse im Sinne des vorbeugenden Verbraucherschutzes der unkontrollierte Wirkstoff- und Medikamentenhandel endlich gebremst werden. Immerhin habe die Kommission erkannt, dass unkontrollierter Handel der wesentliche Motor für die Verbreitung von Arzneimittelfälschungen sei.
Wolf kündigte an, die Apotheker würden der Aufforderung der EU-Kommission gerne nachkommen und selbst Vorschläge zur Lösung des Problems machen. Die Verbraucher müssten durch eine strenge Regulierung und scharfe Kontrollen geschützt werden. Wolf: »Dem illegalen und gesundheitsgefährdenden Treiben muss ein Ende bereitet werden.«