Mehr Kontrollen gefordert |
20.03.2012 16:53 Uhr |
Von Anna Hohle / In der Diskussion um defekte Medizinprodukte fordern Politiker und Kassenvertreter verschärfte Zulassungskriterien und verpflichtende Register zur Langzeitüberwachung. Die Branchenverbände wollen lediglich die Einhaltung geltender Vorschriften verbessern.
Nachdem im Dezember bereits der Skandal um minderwertige Silikonkissen für Aufruhr sorgte, machen nun fehlerhafte Hüftimplantate Schlagzeilen. Britische Wissenschaftler deckten im Fachjournals »Lancet« auf, dass es bei sogenannten Metall-auf-Metall-Implantaten durch Abrieb von Metallpartikeln zu Entzündungen und Knochenschäden kommen kann. Einzelne Hersteller mussten ihre Produkte bereits vom Markt nehmen.
Produktkontrolle in der Medizintechnologie.
Foto: BVMed-Bilderpool
Die Berichte befeuern erneut die Diskussion um eine bessere Überprüfung von Medizinprodukten. Experten des Informationsdienstes »arznei-telegramm« nennen die Zulassungskriterien und die Überwachung dieser Produkte in Europa »völlig unzureichend«. Eine strengere Regulierung durch eine zentrale Behörde sei »dringend überfällig«. Bislang können Hersteller die Zulassung bei einem beliebigen privaten Prüfinstitut innerhalb Europas beantragen, Kontrollbesuche in der Produktion werden im Voraus angekündigt. Hinzu kommt, dass Neuentwicklungen zwar klinisch überprüft werden müssen, jedoch keine Pflicht zur Veröffentlichung der Ergebnisse besteht.
Politik und Kassen wollen verpflichtende Register
Abgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen hatten bereits Anfang März per Antrag im Bundestag ein staatliches Zertifizierungsverfahren für Implantate gefordert. Sämtliche Studien zu Wirkung und Gefahren solcher Produkte sollen demnach bereits vor der Markteinführung in Studienregistern veröffentlicht werden. Die Parlamentarier drängten ebenfalls auf eine frühe Nutzenbewertung für implantierbare Medizinprodukte sowie ein verbindliches Register zur Langzeitüberwachung der eingesetzten Implantate. Auch Mechthild Rawert (SPD), Mitglied im Bundestagsausschuss für Gesundheit, forderte angesichts des aktuellen Hüftimplantate-Skandals ein solches Register zur Überwachung von Hochrisikoprodukten sowie schärfere Qualitäts- und Sicherheitskontrollen.
Der Bundesverband der Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) drängt ebenfalls auf verpflichtende Register für implantierte Hochrisikoprodukte. Eine solche Datenbank soll im Schadensfall Rückrufaktionen und Schadenserhebung erleichtern. Das von Ärzten, Kliniken, Krankenkassen und Industrie für Mitte 2012 geplante Endoprothesenregister Deutschland (EPRD) für künstliche Knie- und Hüftgelenke könne hier als Vorbild dienen. Uwe Deh, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes, kritisierte die derzeitige Vorschriftenlage. »Selbst Autofahrer«, so Deh, seien über das Verkehrszentralregister »besser geschützt als Patienten, denen eine neue Hüfte eingesetzt wird«. Auch fordert die AOK unangemeldete Kontrollen und einen Zulassungsstopp für Produkte, für die kein eindeutiger Patientennutzen nachgewiesen sei.
Die Verbände der Hersteller von Medizinprodukten dagegen sehen keine akute Notwendigkeit, die gegenwärtigen Zulassungskriterien für Implantate zu verschärfen. Diese hätten sich »grundsätzlich bewährt«. Lediglich ihre Überprüfung solle europaweit vereinheitlicht werden, heißt es in einer gemeinsamen Pressemitteilung vom Bundesverband der Arzneimittelhersteller (BAH), dem Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI), dem Bundesverband Medizintechnologie (BVMed), dem Deutschen Industrieverband für optische, medizinische und mechatronische Technologien (Spectaris), dem Verband der Deutschen Dental-Industrie (VDDI), dem Verband der Diagnostica-Industrie sowie dem Fachverband Elektromedizinische Technik (ZVEI). Auch müssten die Einhaltung der geltenden Vorschriften besser überwacht sowie sämtliche »Vorkommnisse« mit Medizinprodukten in einer zentralen Datei erfasst werden.
Steigende Zahl von Risikomeldungen
Solcherlei Vorkommnisse gab es in den vergangenen Jahren allerdings viele. Erst Anfang März veröffentlichte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) eine Analyse, wonach sich die Anzahl der Risikomeldungen zu Medizinprodukten in den Jahren 2000 bis 2011 verdreifacht hat. Darin waren neben mechanischen Problemen auch elektrische Fehler sowie unerwünschte medizinische Wirkungen enthalten. /