Großes Ziel |
20.03.2012 16:22 Uhr |
Diabetes breitet sich immer weiter und schneller aus. In Deutschland gehört die Zuckerkrankheit mit etwa sieben Millionen bekannten Erkrankungen und einer Dunkelziffer von weiteren zwei bis drei Millionen zu den größten Volkskrankheiten. Das weiß man nicht erst seit gestern. Dennoch gibt es – anders als etwa in der Indikation Krebs – noch immer keinen nationalen Diabetesplan, der Forschungs-, Präventions- und Therapiestrategien bündelt. Genau dieser wäre aber vonnöten, um langfristig eine Verbesserung der Diabetesversorgung sicherzustellen und eine weitere Zunahme von Diabeteserkrankungen zu verhindern.
Schon vor mehr als 20 Jahren trafen sich im italienischen St. Vincent Diabetes-Experten, Vertreter von Patientenorganisationen und von Gesundheitsministerien der europäischen Länder. Unter der Schirmherrschaft der WHO und der International Diabetes Federation verabschiedeten sie Ziele zur Prävention von Diabetes und zur Vermeidung von Folgeerkrankungen, die in allen europäischen Ländern umgesetzt werden sollten – bis 1994. Ein aktuelles Gutachten des IGES-Instituts kommt zu einem ernüchternden Resultat. Wesentliche patientenrelevante Ziele der St. Vincent-Deklaration wurden bis heute nicht erreicht.
Erfreulicherweise gibt es aber auch Fortschritte zu berichten. Viele davon sind aus dem Alltag von Diabetikern heute nicht mehr wegzudenken, zum Beispiel bessere Blutzuckermessgeräte, Insulinpumpen oder Analoginsuline. Grundlage für diese Erfolge ist jeweils langjährige Forschungsarbeit. Was Forscher heute herausfinden, könnte in ein paar Jahren schon praxistauglich sein.
So ist es Wissenschaftlern in den USA gelungen, Darmzellen zu Insulinfabriken umzufunktionieren. Sie haben damit eine Methode entdeckt, mit der es in Zukunft möglicherweise gelingt, Typ-1-Diabetikern ständige Insulin-Injektionen zu ersparen (lesen Sie dazu Der Darm als körpereigene Insulinfabrik). Auch hierzulande findet hochkarätige Diabetesforschung statt. Die diesjährige Trägerin des Paul-Ehrlich- und Ludwig-Darmstaedter-Nachwuchspreises, Apothekerin Professor Dr. Kathrin Maedler, hat zum Beispiel entdeckt, dass entzündungsfördernde Botenstoffe den Untergang der insulinproduzierenden Betazellen in der Bauchspeicheldrüse herbeiführen (lesen Sie dazu Diabetesforschung: Pharmazeutin erhält hohe Auszeichnung). Bisher behandelt man beim Diabetes nur den erhöhten Blutzuckerwert, nicht aber die Krankheitsursache. Die Neutralisierung entzündlicher Faktoren wäre ein völlig neuer Ansatz in der Therapie. Eine Apothekerin hat damit den Grundstein zu einer an den Ursachen ansetzenden Behandlung gelegt. Herzlichen Glückwunsch!
Sven Siebenand
Stellvertretender Chefredakteur