Der Darm als körpereigene Insulinfabrik |
20.03.2012 15:06 Uhr |
Von Sven Siebenand / Wissenschaftler haben eine Methode entdeckt, mit der es in Zukunft möglicherweise gelingt, Typ-1-Diabetikern ständige Insulin- Injektionen zu ersparen. In Versuchen mit Mäusen ist es einer Arbeitsgruppe von der Columbia University in New York gelungen, dass die Tiere selbst wieder ausreichend Insulin produzierten. Herstellungsort ist der Darm und nicht die Bauchspeicheldrüse.
Wie die Forscher um Domenico Accili in »Nature Genetics« berichten, schalteten sie bei den Versuchstieren in bestimmten Vorläuferzellen des Darmes nur ein Gen, das sogenannte Foxo1-Gen, aus (doi: 10.1038/ng.2215). Normalerweise gehen aus diesen Zellen andere Zellen hervor, die zum Beispiel Serotonin oder weitere Hormone produzieren. Insulin gehört jedoch nicht dazu. Nachdem das Foxo1-Gen ausgeschaltet worden war, entstanden aber aus den Vorläuferzellen überraschenderweise auch insulinproduzierende Zellen. Diese verfügen sogar über Blutzuckerrezeptoren. Das heißt, sie setzen in Abhängigkeit von der Zuckermenge im Blut bedarfsgerecht Insulin frei. Das ist ein großer Fortschritt.
Diabetes-Tagebücher könnten überflüssig werden, wenn Darmzellen bei Bedarf Insulin freisetzen.
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Wissenschaftlern war es bereits früher gelungen, insulinproduzierende Zellen aus embryonalen Stammzellen entstehen zu lassen. Diese konnten aber nicht transplantiert werden, weil ihnen eben diese Glucosesensoren fehlten. Sie hätten ständig Insulin ins Blut abgegeben und damit zur Unterzuckerung geführt.
»Den Darm zur Herstellung insulinproduzierender Zellen anzuregen, scheint eine bessere Therapieoption bei Diabetes zu sein als das Arbeiten mit embryonalen Stammzellen«, so Accili. Da der Gastrointestinaltrakt teilweise vor den Attacken des Immunsystems geschützt ist, wären die neuen Zellen vor der Autoimmunerkrankung Typ-1-Diabetes Accili zufolge dort eventuell sogar geschützt.
Der Forscher hält es für möglich, Arzneimittel zu entwickeln, die gezielt das Foxo1-Gen ausschalten. Dann müssten Typ-1-Diabetiker nur noch solange ein Medikament anwenden, bis die Zahl insulinproduzierender Zellen im Darm hoch genug ist, um den Blutzuckerspiegel im Soll zu halten. Bis es aber möglicherweise so weit ist, werden noch einige Jahre vergehen. /