Hormongesteuert |
09.04.2014 10:22 Uhr |
Von Frühlingsgefühlen hört und liest man derzeit häufig. Der ein oder andere verspürt sie vielleicht sogar gerade selbst. Handelt es sich dabei um ein wildes Chaos der Sexualhormone und anderer Botenstoffe oder pure Einbildung? Obwohl das Symposium der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie zum Frühlingsanfang stattfand, gab es dort von den Hormonexperten keine Erklärungen für gesteigerte Lust und Liebe im Lenz. Abseits von Herzklopfen und Kribbeln im Bauch wurde aber deutlich, dass sich Patienten große Hoffnungen auf neue therapeutische Perspektiven machen dürfen, die aus der Erforschung endokriner Organe resultieren. Zu diesen zählen zum Beispiel Nebenniere, Schilddrüse und Hirnanhangsdrüse. Auch die Bauchspeicheldrüse hat endokrine Funktionen, etwa die Abgabe von Insulin.
Bei Typ-1-Diabetikern kann das Organ diese Aufgabe nicht mehr ausreichend oder gar nicht mehr erfüllen. In der Regel müssen die Betroffenen ihr Leben lang Insulin spritzen. Nun ist Forschern die Entwicklung eines Systems gelungen, das im Körper selbstständig Insulin produziert. Erstmals weltweit setzten Ärzte in Dresden einem Typ-1-Diabetiker einen sogenannten Bioreaktor mit Inselzellen ein. Diese waren durch eine Dose vor der körpereigenen Immunabwehr geschützt und versorgten den Patienten knapp ein Jahr lang mit Insulin (lesen Sie dazu Typ-1-Diabetes: Insulin aus der Dose). Noch ist diese Therapieform in der Erprobung. In wenigen Jahren könnte sie aber soweit weiterentwickelt sein, dass sie eine Option für viele Typ-1-Diabetiker darstellt.
Auch andere zukünftige Therapien rund um Zelltransplantationen sind mit der Erforschung endokriner Organe verknüpft. So sind zum Beispiel die Nebennieren wegen ihres speziellen Mikromilieus, ihrer hohen Durchblutung, der Hormonsekretion und aufgrund der lokalen Immunsuppression offenbar ein möglicher Ort für die Transplantation von Stammzellen, die dort ungehindert ihre Arbeit aufnehmen können. Darüber hinaus ist denkbar, dass endokrine Zellen bei neurodegenerativen Erkrankungen wie Morbus Alzheimer und Parkinson neue Behandlungswege aufzeigen. So ist es Wissenschaftlern bereits gelungen, Stammzellen aus dem Mark der menschlichen Nebenniere zu isolieren und durch Behandlung mit einem speziellen Wachstumsfaktor in nervenähnliche Zellen umzuwandeln. Langfristiges Ziel ist es, diese den Erkrankten zurück zu transplantieren.
Als Pionier der Endokrinologie gilt der Arzt und Zoologe Arnold Adolph Berthold. Er bewies bereits 1849, dass die Kastration männlicher Küken ihre Entwicklung zu Hähnen verhindert. Zeiten und wissenschaftliche Methoden haben sich seitdem geändert, doch wie Berthold damals zeigen seine Nachfolger auch heute noch, welch große Bedeutung hormonproduzierende Drüsen für den Körper haben.
Sven Siebenand
Stellvertretender Chefredakteur