Panitumumab versus Cetuximab |
05.03.2007 11:19 Uhr |
Panitumumab versus Cetuximab
Von Bettina Wick-Urban
Neben Cetuximab könnte mit Panitumumab bald eine weitere Option zur Behandlung des Kolonkarzinoms auf den Markt kommen. In den vorgestellten Studien wurde bisher das Ziel einer signifikanten Lebensverlängerung jedoch verfehlt. Die Vorteile des rein humanen Antikörpers könnten in der besseren Verträglichkeit liegen.
Panitumumab ist im Gegensatz zum chimären Antikörper Cetuximab ein rein humaner Antikörper, das heißt, er enthält keine murinen Aminosäurensequenzen. Beide binden an die extrazelluläre Bindungsstelle des epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptors (EGFR). EGF kann somit nicht mehr an den Rezeptor binden und die Signalketten im Zellinneren aktivieren. Durch die Blockade der Bindungsstelle wird der Zellzyklus gehemmt und damit die Zellvermehrung. Zudem werden die Tumorzellen vermehrt in den programmierten Zelltod (Apoptose) getrieben und die Angiogenese, die Bildung neuer Blutgefäße, die den Tumor mit Nährstoffen versorgen, unterbunden (1). Weiterhin kommt es zu einer verringerten Metastasenbildung. Die körpereigene Immunantwort gegen die Tumorzellen wird stimuliert und der Reparaturmechanismus in den Tumorzellen nach einer Chemo- oder Strahlentherapie gehemmt (2). Patienten, deren Tumorzellen EGFR überexprimieren, haben eine niedrigere Lebenserwartung, da die Tumoren aggressiver sind und schlechter auf eine Chemotherapie ansprechen. Beim Kolorektalkarzinom wird in 75 bis 90 Prozent der Fälle der EGFR überexprimiert (3).
Panitumumab erhielt im September 2006 in USA die Zulassung für die Second-line- Therapie, also für die Behandlung von Patienten mit metastasierendem Kolorektalkarzinom, bei denen die Krankheit unter einer Standardchemotherapie fortgeschritten ist. Mit der Zulassung in Europa ist in Kürze zu rechnen. Cetuximab wurde Mitte 2004 für die gleiche Indikation zugelassen. Beide Antikörper wurden in den zulassungsrelevanten Phase-III-Studien an Patienten getestet, bei denen sich der Tumor trotz Chemotherapie weiter ausgebreitet hatte. Ein weiteres Einschlusskriterium war das Vorhandensein von EGFR auf den Tumorzellen, nachgewiesen mithilfe eines immunhistochemischen Tests.
In der Panitumumab-Studie erhielten 463 Patienten entweder eine optimale supportive Behandlung oder 6 mg/kg Körpergewicht Panitumumab alle zwei Wochen plus eine supportive Behandlung. Der primäre Endpunkt, die durchschnittliche progressionsfreie Zeit war bei Panitumumab-Patienten mit 96 Tagen signifikant länger als bei Patienten, die nur eine supportive Therapie erhielten (p < 0,0001). Bei diesen schritt die Krankheit durchschnittlich schon nach 60 Tagen fort. 8 Prozent der Patienten in der Panitumumab-Gruppe hatten eine partielle Tumorantwort. Die Gesamtüberlebenszeit der Patienten wurde jedoch durch die Antikörperbehandlung nicht verlängert. Dieses Ergebnis wurde möglicherweise dadurch beeinflusst, dass 75 Prozent der Patienten aus der Vergleichsgruppe nach Fortschreiten der Erkrankung ebenfalls Panitumumab erhielten (4).
In der Cetuximab-Studie (BOND-Studie) war als primärer Endpunkt die Tumoransprechrate definiert. 329 Patienten erhielten bis zum Fortschreiten der Erkrankung Cetuximab als Monotherapie oder Cetuximab in Kombination mit Irinotecan. Das Therapieschema sah dabei eine Bolusinfusion von 400 mg/m2 vor, gefolgt von wöchentlichen Infusionen von 250 mg/m2. Die Tumoransprechrate betrug 23 Prozent in der Kombinationstherapiegruppe und 11 Prozent in der Monotherapiegruppe (p = 0,007). Die mittlere Dauer bis zum Fortschreiten der Erkrankung war in der Kombinationstherapiegruppe mit 4,1 Monaten im Vergleich zu 1,5 Monaten in der Monotherapiegruppe signifikant länger (p < 0,001). Auch in dieser Studie unterschied sich die Gesamtüberlebenszeit in beiden Studienarmen nicht. Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass die Hälfe der Patienten in der Monotherapiegruppe nach Fortschreiten der Erkrankung ebenfalls zusätzlich Irinotecan erhielten (5).
Wirksamkeit vergleichbar
Neben einer vergleichbaren Wirksamkeit ist auch das Nebenwirkungsprofil der beiden Substanzen ähnlich. Ein akneartiger Ausschlag ist eine charakteristische unerwünschte Wirkung der EGFR-Antikörper, da durch die EGFR-Blockade die Integrität der Haut verringert wird. Interessanterweise wurde in Studien beobachtet, dass die Schwere des Ausschlags mit dem Ansprechen auf die Therapie und dem Überleben des Patienten korreliert (6).
Dermatologische Nebenwirkungen wurden bei 90 Prozent der Panitumumab-Patienten beobachtet. Dabei waren akneartige Ausschläge beziehungsweise Akne mit 70 Prozent am häufigsten. Weiterhin litten die Patienten an Juckreiz, Rötungen, Exanthemen, Hauteinrissen, Hautabschuppungen und trockener Haut. Bei 14 Prozent der Patienten wurden die Nebenwirkungen als schwer beurteilt, das heißt Grad drei oder vier gemäß der Kriterien des Nationalen Krebsinstitutes (NCI-CTC, National Cancer Institute common toxicity criteria). Schwere Hautreaktionen wurden meistens durch Superinfektionen hervorgerufen, die eine Sepsis oder Abszesse zur Folge hatten (4). Auch bei Gabe von Cetuximab entwickelte sich bei circa 80 Prozent der Patienten ein akneartiger Hautausschlag (5). Neben Hautreaktionen führten vor allem allergische Reaktionen zu schweren Nebenwirkungen in den Studien.
Bei beiden Antikörpern wurde eine vergleichbare Rate von Infusionsreaktionen beobachtet, trotz des murinen Aminosäureanteils in Cetuximab, der eine höhere Rate erwarten ließe. In der Panitumumab-Studie trat bei vier Prozent der Patienten eine allergische Reaktion auf, bei einem Prozent der Patienten wurden die Symptome als schwer beurteilt (NCI-CTC 3-4). Dabei wurden anaphylaktische Reaktionen, Bronchospasmen, Fieber, Schüttelfrost und niedriger Blutdruck beobachtet. Auch nach Gabe von Cetuximab traten bei circa 1 Prozent der Patienten schwere Infusionsreaktionen auf.
Wie bei allen therapeutisch eingesetzten Proteinen besteht auch bei Panitumumab und Cetuximab die Möglichkeit, dass der Körper Antikörper dagegen bildet. Bei beiden Antikörpern wurden diese bei einer geringen Anzahl von Patienten nachgewiesen. Eine verringerte Wirksamkeit oder ein vermehrtes Auftreten von Überempfindlichkeitsreaktionen wurde jedoch bislang nicht festgestellt (4, 7).
Da die Phase-III-Studien keine signifikanten Unterschiede zwischen den Substanzen gezeigt haben, werden die momentan durchgeführten Studien darüber entscheiden, welcher der beiden Antikörper das Mittel der Wahl wird. In diesen Studien werden Panitumumab und Cetuximab als First-line-Therapeutika getestet, das heißt als Bestandteil des Chemotherapiecocktails, der beim metastasierendem Kolorektalkarzinom eingesetzt wird.
Einsatz als Mittel der Wahl
Das Kolorektalkarzinom ist europaweit die zweithäufigste Krebserkrankung. In 2004 wurden circa 380.000 Neuerkrankungen gezählt, dieses entspricht 13 Prozent aller Krebsfälle. Da die Symptome eher diffus sind, werden bei ungefähr einem Viertel der Patienten bei der Erstdiagnose bereits Metastasen festgestellt. Fast die Hälfte aller Patienten entwickelt Metastasen im Krankheitsverlauf und weniger als 5 Prozent der Patienten mit Metastasen überleben länger als fünf Jahre (8).
Standardtherapie beim inoperablen metastasierndem Kolorektalkarzinom ist ein Chemotherapiecocktail, der neben 5-Fluorouracil und Folinsäure entweder Oxaliplatin (FOLFOX) oder Irinotecan (FOLFIRI) enthält. Trotz Chemotherapie schreitet bei ungefähr der Hälfte aller Patienten innerhalb von sieben bis neun Monaten die Krankheit fort. Die mittlere Überlebenszeit beträgt zwanzig Monate. Demzufolge besteht beim metastasierendem Kolorektalkarzinom ein dringender Bedarf an neuen Therapeutika, die die Überlebenszeit verlängern (9).
Für Cetuximab wurden bereits erste positive Ergebnisse veröffentlicht. So erhielten 21 Patienten mit metastasierendem Kolorektalkarzinom Cetuximab in Kombination mit 5-Fluorouracil, Folinsäure und Irinotecan. In dieser Studie vergingen im Mittel 9,9 Monate bis zum Fortschreiten der Erkrankung; die mittlere Überlebenszeit betrug 33 Monate. Weiterhin konnten bei fünf Patienten bis dahin inoperable Lebermetastasen operativ entfernt werden. Die operative Entfernung von Metastasen bietet nach wie vor die beste Chance für Patienten auf ein 5-Jahres-Überleben (10).
Weitere Studien untersuchen unter anderem die Wirksamkeit von Cetuximab in Kombination mit FOLFOX, XELOX (Capecitabin und Oxaliplatin) und mit XELIRI (Capecitabin und Irinotecan). In einigen Studien wird zusätzlich der Angiogenesehemmer Bevacizumab (Avastin®) dem Chemotherapiecocktail zugemischt. Für Panitumumab liegen bislang noch keine Erfahrungen als First-line-Therapeutikum vor. Auch hier ist mit Ergebnissen in den nächsten zwei bis drei Jahren zu rechnen (11).
Weitere Optionen bei Darmkrebs
Mit der zu erwartenden Einführung von Panitumumab in Deutschland wird das Therapiespektrum beim fortschreitenden metastasierendem Kolorektalkarzinom erweitert. Die Ergebnisse der Phase-III-Studie sind vergleichbar mit denen des bereits seit 2004 verfügbaren Cetuximab. Die bessere Pharmakokinetik von Panitumumab ermöglicht eine zweiwöchentliche Dosierung, während Cetuximab wöchentlich verabreicht werden muss. Welcher der beiden Antikörper letztendlich als First-line-Therapie Mittel der Wahl wird, müssen die nächsten Jahre zeigen.
Die Nomenklatur für monoklonale Antikörper wird vom United States Adopted Name (USAN) Council festgelegt. Alle Namen für therapeutische monoklonale Antikörper enden mit dem Suffix -mab. Reine Mausantikörper enden auf -omab. Bei chimären Antikörpern (-ximab) besteht nur noch der variable Teil des Immunglobulins aus Mausprotein, bei den humanisierten Antikörpern (-zumab) reduziert sich der Mausproteinanteil auf die Komplementarität-bestimmenden Regionen (CDR), humane Antikörper (-umab) haben nur noch humane Proteinsequenzen. Der mittlere Teil des Antikörpernamens gibt Auskunft über Indikation oder Zielort. So greift Ada-li-mumab im Immunsystem an, Ri-tu-ximab ist als Antitumormittel zugelassen, Pali-vi-zumab wird bei viralen Infektionen eingesetzt, Ab-ci-ximab hat eine kardiovaskuläre Indikation.
Die aktuelle Nomenklatur findet sich unter www.ama-assn.org/ama/pub/category/13280.html.
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Baselga, J., Oncologist 7, Suppl 4 (2002) 2-8.
Ciardiello, F., Clin Canc Res 7 (2001) 2958-2970.
Nicholson, R., et al., Eur J Canc 37, Suppl 4 (2001) 9-15.
US Fachinformation VectibixTM September 2006.
Cunningham, D., et al., New Engl J Med 351 (2004) 337-345.
Saltz, I., et al., Prog Proc Am Soc Clin Oncol 22 (2003) 204.
Fachinformation Cetuximab, Stand: März 2006.
Boyle, P., et al., Ann Oncol 16, 3 (2005) 481-488.
Terstriep, S. et al., Expert Rev Anticancer Ther 6, 6 (2006) 921-930.
Folprecht, G., et al., Ann Oncol 17, 3 (2006) 450-456.
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