Interaktionen mit Antipsychotika |
29.02.2016 14:07 Uhr |
Von Sebastian Lenhart / Psychopharmaka und besonders Antipsychotika gelten als komplizierte Arzneistoffe und sind bei vielen Patienten unbeliebt. Tatsächlich bergen sie zahlreiche potenzielle Neben- und Wechselwirkungen. Apotheker sollten die Risiken kennen, einschätzen und entsprechend beraten.
Psychopharmaka sind keineswegs kategorisch gefährlicher oder toxischer als andere Substanzen. Aber sie haben einen besonders geschützten Wirkort, das zentrale Nervensystem, und greifen in verschiedene Neurotransmittersysteme ein. Dadurch können sie diverse Wirkungen entfalten. Anhand eines fiktiven Fallbeispiels werden Risiken und Besonderheiten von Antipsychotika und anderen Psychopharmaka erläutert.
Fallbeispiel
In die Apotheke kommt ein etwa 40 Jahre alter Mann, hoch gewachsen und beleibt (etwa 100 kg bei 1,85 m). Er ist seit Längerem Kunde in der Apotheke und hat eine Kundenkarte. Er bezieht mindestens einmal im Monat 100 Tabletten Clozapin 200 mg sowie zusätzlich in längeren Abständen jeweils 100 Stück Lisinopril 10 mg, Metoprolol(tartrat) 50 mg, Hydrochlorothiazid 25 mg und Simvastatin 20 mg.
Jetzt hat er von seinem Hausarzt neu ein Rezept über 30 Tabletten Zyban® bekommen, da er mit dem Rauchen aufhören möchte, und 10 Tabletten Metamizol 500 mg, da er beim Radfahren gestürzt ist. Ihm wurde geraten, sich in der Apotheke ausführlich beraten zu lassen, da seine Medikamente »so schwer« seien. Zusätzlich möchte er Nicotin-Kaugummi und ein rezeptfreies Schlafmittel wie Halbmond® Tabletten kaufen. Laborwerte und sonstige Diagnosen sind unbekannt.
Das Fallbeispiel weist auf einige der häufigsten Probleme und Interaktionen von Antipsychotika hin. Dazu zählen:
Welche Relevanz haben diese Besonderheiten für die Therapie mit Psychopharmaka und was muss der Apotheker eventuell mit Arzt und/oder Patient besprechen?
Wechselwirkungen durch CYP-Interaktionen
Psychopharmaka wirken im Zentralnervensystem. Dazu müssen sie die Blut-Hirn-Schranke überwinden. Diese lipophile Barriere besteht aus zusätzlichen Zellmembranen und aktiven Transportern wie dem p-Glykoprotein (p-gp), die Arzneistoffe durch die Membran pumpen. Um sie zu überwinden, ist es günstig, wenn der Arzneistoff auch lipophil ist, was für die meisten Psychopharmaka zutrifft.
Verfolgt, bedrängt, bedroht: So fühlen sich viele Patienten mit Schizophrenie.
Foto: Shutterstock/Fresnel
Lipophile Arzneistoffe können jedoch nur schlecht renal ausgeschieden werden. Dazu müssen sie vorher in der Leber funktionalisiert, also in einer Phase-I-Reaktion chemisch umgebaut werden. Daran ist häufig das enzymatische Cytochrom-P450- oder CYP-System beteiligt (Kasten). Auch viele andere Arzneistoffe werden über das CYP-System metabolisiert und können um die Bindung an diesen Enzymen konkurrieren, diese hemmen oder induzieren. Daher gelten Psychopharmaka als interaktionsanfällig.
CYP-Enzyme können entweder in ihrer Funktion gehemmt (Inhibition) oder zum Beispiel über eine gesteigerte Genexpression zu einer höhere Aktivität angeregt werden (Induktion). Eine erhöhte Genexpression erreicht ihr Maximum etwa zwei Wochen nach Beginn der Einnahme des auslösenden Medikaments und klingt nach dem Absetzen über einen ähnlich langen Zeitraum ab. Das langsame Auftreten und Abklingen von Induktionseffekten kann in der Praxis dazu führen, dass sie als Grund für Verträglichkeitsschwankungen nicht erkannt werden.
Inhibitionseffekte sind von der Präsenz des Hemmstoffs abhängig und treten somit rasch ein. Sie klingen auch schneller wieder ab, je nach Eliminationshalbwertszeit des Hemmers. CYP-Inhibitoren werden grob in die Kategorien schwach, mittel und stark eingeteilt. Von schwachen Inhibitoren wird, bei gleichbleibender Dosis des Substrats, ein Anstieg der Bioverfügbarkeit um etwa 25 Prozent erwartet. Moderate Inhibitoren führen erwartungsgemäß mindestens zu einer Verdoppelung des Plasmaspiegels und starke Inhibitoren zu einer mehr als fünffachen Erhöhung (2).
Besonders bei starken Inhibitoren ist zu erwarten, dass sie – unabhängig von der genetischen Ausstattung – zu einer erhöhten Exposition führen und es dadurch zu unerwünschten Wirkungen oder Wirksamkeitssteigerungen kommt.
CYP-Isoenzyme metabolisieren nicht nur körperfremde Substanzen, sondern auch körpereigene wie Arachidonsäure, Lipide und Steroide. Sie kommen zu etwa 90 Prozent in dem stoffwechselaktivsten Organ, der Leber, vor, wurden aber auch in der Darmmukosa, der Lunge, den Nieren und im Gehirn nachgewiesen.
Die meisten Arzneistoffe, die einem Phase-I-Metabolismus unterliegen, können von mehr als einem Isoenzym verstoffwechselt werden. Es gibt jedoch auch solche, die größtenteils von einem einzigen CYP-Enzym abgebaut werden und damit anfällig sind für Aktionen, die die Aktivität dieses Enzyms verändern.
Die natürliche Aktivität der CYP-Enzyme ist von Mensch zu Mensch verschieden, abhängig vom Genom (1). Bis zu 10 Prozent der europäischen Bevölkerung haben eine geringe Aktivität von CYP2D6, einem für Psychopharmaka wichtigen und gut untersuchten Enzym. Diese »poor metabolizer« können CYP2D6-Substrate schlecht umsetzen. Andererseits scheinen bis zu 20 Prozent der Bevölkerung 2D6-Substrate sehr schnell abbauen zu können (ultrarapid metabolizers). Die zugrundeliegende Genetik ist komplex und noch nicht vollständig geklärt.
Da die Beziehung von Plasmaspiegel zu Wirkung oder unerwünschten Wirkungen bei Psychopharmaka nicht immer geklärt ist, ist die klinische Relevanz von CYP-Interaktionen nicht einfach vorherzusagen. Apotheker sollten aber auf die zu erwartenden Änderungen der Pharmakokinetik hinweisen.
CYP2D6-Inhibition und ihre Folgen
Bupropion – im Fallbeispiel zur Unterstützung der Raucherentwöhnung verschrieben – ist ein starker Inhibitor von CYP2D6. Daher ist eine erhöhte Bioverfügbarkeit von 2D6-Substraten zu erwarten. Neben Psychopharmaka werden vor allem Betablocker über dieses Enzymsystem metabolisiert. Besonders gut untersucht ist Metoprolol, da es als Testsubstanz für den 2D6-Metabolismus verwendet wird.
Rauchen induziert CYP-Enzyme, die Arzneistoffe abbauen. Mit dem Verzicht aufs Rauchen endet die Induktion – und möglicherweise beginnen Arzneimittelnebenwirkungen.
Foto: Fotolia/Brian Jackson
Beginnt der Patient mit der Bupropion-Einnahme, dürften die Metoprolol-Plasmaspiegel steigen. Dies erfordert eine neue Nutzen-Risiko-Bewertung der antihypertensiven Therapie. Patient und Arzt sollten zudem auf Anzeichen einer verstärkten Wirksamkeit von Metoprolol (Bradykardie, Hypotonie, Bronchospasmus) achten. Kann weder auf Bupropion noch auf einen Betablocker verzichtet werden, bietet sich eine Umstellung auf Bisoprolol an, falls die Indikation dies zulässt. Bisoprolol wird zur Hälfte renal eliminiert und ist weniger anfällig für CYP2D6-Interaktionen.
Zu den starken Inhibitoren von CYP2D6, die höchstwahrscheinlich zu einer bemerkbaren Interaktion führen, zählen neben Bupropion auch die beiden selektiven Serotonin-Reuptake-Inhibitoren (SSRI) Fluoxetin und Paroxetin. Tabelle 1 zeigt weitere Substrate, Inhibitoren und Induktoren dieses Isoenzyms. Etwa ein Viertel aller Arzneistoffe wird über 2D6 metabolisiert.
Bei den nicht verschreibungspflichtigen Modulatoren von CYP2D6 sind Dextromethorphan und Diphenhydramin zu beachten. Diphenhydramin ist sowohl Substrat als auch Inhibitor. Im Fallbeispiel können allein durch Diphenhydramin Probleme mit steigenden Metoprolol-Plasmaspiegeln auftreten. Nimmt der Patient zusätzlich noch Bupropion, sind noch höhere Plasmaspiegel von Diphenhydramin und Metoprolol zu erwarten.
Dextromethorphan wird über CYP2D6 zu Dextrorphan verstoffwechselt. Bei gehemmtem Isoenzym werden mehr psychomotorische Einschränkungen und Sedierung berichtet (5). Todesfälle durch den gleichzeitigen Gebrauch von Dextromethorphan mit Diphenhydramin zur Rauscherzeugung wurden beobachtet (6). Da Dextromethorphan auch als unselektiver Serotonin-Wiederaufnahmehemmer wirkt, können mit SSRI Symptome eines Serotonin-Überschusses (Serotonin-Syndrom) auftreten, zum Beispiel Hyperthermie, Verwirrtheit, Schwitzen, Tremor und Erbrechen.
CYP2D6-Modulator | Arzneistoffbeispiele |
---|---|
Substrat | Amitriptylin, Amphetamin, Carvedilol, Citalopram, Clomipramin, Codein (Prodrug), Dextromethorphan, Diphenhydramin, Donepezil, Doxepin, Duloxetin, Flupentixol, Galantamin, Haloperidol, Imipramin, Lidocain, Metoprolol, Mirtazapin, Nortriptylin, Olanzapin, Opipramol, Oxycodon, Propranolol, Risperidon, Tamoxifen (Prodrug), Tramadol (Prodrug), Trazodon, Trimipramin, Venlafaxin |
Inhibitor | sehr stark: Bupropion, Fluoxetin, Paroxetin moderat: Duloxetin, Sertralin, Terbinafin Stärke nicht geklärt: Cimetidin, Diphenhydramin, Melperon, Methadon, Metoclopramid, Moclobemid |
Induktor | Dexamethason, Rifampicin |
Rauchen wirkt als CYP-Induktor
Das Rezept über Bupropion zur Raucherentwöhnung weist den Apotheker auf eine zweite mögliche Interaktion hin. Bestandteile des Rauchs induzieren CYP-Enzyme. Diese Wirkung wird nicht durch Nicotin vermittelt, sondern durch Benzpyrene, die bei der unvollständigen Verbrennung organischer Substanzen entstehen. So kann CYP1A2 auch durch den Verzehr von viel über Holzkohle gegrilltem Fleisch induziert werden (7), jedoch nicht durch das Inhalieren von elektronischen Zigaretten, bei denen keine Verbrennung stattfindet (8). Es ist zu erwarten, dass auch rauchende Abstinenzhilfen wie Kräuterzigaretten 1A2 induzieren.
Wenn ein Raucher auf Nicotinkaugummis umsteigt und keinen Rauch mehr einatmet, bleibt auch die Induktion aus. Über mehrere Wochen bildet sich die Aktivität von CYP1A2 zurück; in der Folge steigen – bei gleichbleibender oraler Zufuhr – die Plasmaspiegel derjenigen Pharmaka, die über dieses Enzym abgebaut werden.
Um im Fallbeispiel zu bleiben: Das atypische Neuroleptikum Clozapin ist ein empfindliches Substrat für CYP1A2 und hat eine enge therapeutische Breite. Bei höheren Plasmaspiegeln steigt besonders das Risiko von Krampfanfällen. Das strukturell eng mit Clozapin verwandte Neuroleptikum Olanzapin und der SNRI Duloxetin werden ebenfalls über CYP1A2 metabolisiert (Tabelle 2). Auch hier senkt Rauchen den Plasmaspiegel, wenn auch nicht so deutlich wie bei Clozapin.
Die CYP-Induktion durch Rauchen hat hohe Relevanz für die Therapie mit Psychopharmaka. Denn die Wahrscheinlichkeit, Raucher zu sein, ist bei Schizophrenie-Patienten mindestens doppelt bis dreimal so hoch wie in der übrigen Bevölkerung (9). Da sich Nicotin vermutlich günstig auf die durch die Krankheit beeinträchtigte Kognition und Konzentration auswirkt, werden derzeit sogar Nicotinrezeptor-Agonisten als mögliche Therapeutika bei Schizophrenie untersucht. Vielleicht ist der Griff zur Zigarette für manchen Patienten ja auch eine Form der Selbstbehandlung.
CYP1A2-Modulator | Arzneistoffbeispiele |
---|---|
Substrat | Agomelatin, Amiodaron, Amitriptylin, Clozapin, Coffein, Duloxetin, Fluvoxamin, Imipramin, Melatonin, Mirtazapin, Olanzapin, Paracetamol, Propranolol, Theophyllin |
Inhibitor | Cimetidin, Ciprofloxacin, Fluvoxamin, Perazin, Perphenazin |
Induktor | Benzpyrene (Rauchen, Grillfleisch), Carbamazepin, Rifampicin, Ritonavir |
Massives Problem Gewichtszunahme
Auch wenn die zugrundeliegenden Mechanismen noch nicht vollständig geklärt sind, ist gut bekannt: Wer mit dem Rauchen aufhört, nimmt oft zu. Besonders häufig betroffen sind junge Menschen mit niedrigem sozio-ökonomischen Status, die zuvor viel geraucht haben (10). Nicotinersatz, zum Beispiel als Kaugummi, scheint die Gewichtszunahme effektiv zu verzögern.
Belastende Nebenwirkung: Unter einer antipsychotischen Therapie nehmen viele Patienten rasant zu.
Foto: Fotolia/ fotogestöber
Eine antipsychotische Therapie ist ebenfalls mit einer Gewichtszunahme verbunden. Dabei konnten zwar keine Klasseneffekte nachgewiesen werden (11), wohl aber Unterschiede zwischen den Substanzen. Nach einer etwa zweimonatigen Behandlung mit Olanzapin beträgt die mittlere Gewichtszunahme 5 bis 6 kg, deutlich mehr als unter Risperidon (4 kg) und Haloperidol (3 kg). Nach einem Jahr legen die Patienten jedoch unter allen Substanzen an Gewicht zu (Tabelle 3).
Zwei Drittel aller Patienten mit Schizophrenie sterben an einer koronaren Herzerkrankung, in der übrigen Bevölkerung ist es etwa die Hälfte. In beiden Gruppen sind Krankheiten des Herz-Kreislauf-Systems die führende Todesursache. Zusätzlich haben an Schizophrenie erkrankte Menschen ein erhöhtes Risiko für eine gestörte Glucosetoleranz bis hin zum Typ-2-Diabetes mellitus (12). Die Gründe hierfür sind nicht abschließend geklärt. Häufiger bestehende Fehlernährung, Armut (Ausscheiden aus dem Arbeitsleben) und Rauchen werden ebenso diskutiert wie biologische, direkt krankheitsassoziierte Faktoren.
Da die Gewichtszunahme ein metabolisches Syndrom fördert, ist die Beobachtung dieser Nebenwirkung besonders wichtig. Nimmt ein Patient während der ersten Wochen der Therapie deutlich zu, so wird sich dieser Trend voraussichtlich fortsetzen (12). Der Apotheker sollte dem Patienten zur Rücksprache mit dem Arzt raten. Zu beachten ist, dass eine antipsychotische Behandlung die Sterblichkeit senkt (13). Die Umstellung auf ein mit weniger metabolischen Entgleisungen assoziiertes Neuroleptikum kann zudem helfen, die Gewichtszunahme zu verringern und die metabolische Gefahr in Schach zu halten (14).
Antipsychotikum | Zunahme in kg |
---|---|
Olanzapin | 11 bis 17 |
Amisulprid, Clozapin, Quetiapin | 10 |
Risperidon | 8 bis 9 |
Haloperidol | 4 bis 11 |
Chlorpromazin | 6 |
Ziprasidon | 5 |
Perphenazin | 1 |
Agranulozytose: selten, aber gefährlich
Unter Clozapin kann gelegentlich eine extreme Form der Leukopenie (Verringerung der weißen Blutkörperchen) auftreten, bei der die Zahl der Granulozyten stark erniedrigt ist: die Agranulozytose. Diese Lücke im Immunsystem macht die Betroffenen stark anfällig für Infektionen, die tödlich verlaufen können. Meist ist diese Blutbildveränderung nach Absetzen von Clozapin reversibel. Blutbildkontrollen tragen dazu bei, diese Nebenwirkung frühzeitig zu erkennen und zu vermeiden.
Wichtig: Agranulozytosen können sich dosisunabhängig auch nach mehrmonatiger Behandlung innerhalb weniger Tage entwickeln. Bei jedem der folgenden klinischen Hinweise auf eine Leukopenie sollte ein Arzt kontaktiert und das Blutbild überprüft werden:
Aus diesem Grund ist Clozapin kontraindiziert, wenn keine regelmäßigen Blutbildkontrollen vorgenommen werden oder wenn der Patient gleichzeitig andere Substanzen erhält, die eine Agranulozytose hervorrufen können. Störungen der Blutbildung können ebenfalls, wenn auch seltener, unter anderen Psychopharmaka auftreten, beispielsweise unter Melperon, Olanzapin, trizyklischen Neuroleptika sowie Antidepressiva.
Auch Substanzen anderer Indikationen können eine Agranulozytose auslösen. Zu den häufig eingesetzten Wirkstoffen zählen Cefuroxim, ACE-Hemmer, Spironolacton, Clopidogrel und Metamizol sowie Diclofenac und Ibuprofen. Auch Paracetamol und Naproxen werden damit in Verbindung gebracht. Am wenigsten mit einer Blutbildungsstörung assoziiert scheint Acetylsalicylsäure.
Reizweiterleitung des Herzens
EKG-Veränderungen zählen zu den typischen Nebenwirkungen von Psychopharmaka. Die QT-Zeitverlängerung (QTZ) ist besonders gefährlich, da sie das Auftreten von Torsade-de-pointes-Arrythmien begünstigt, die nicht selten zu potenziell tödlichem Kammerflimmern führen. Auch viele andere Pharmaka können zu QTZ führen, beispielsweise Antihistaminika, Fluorchinolone, Makrolide oder Methadon.
Erfahrungen und Gefühle eines Menschen mit Schizophrenie, gemalt von einem Patienten; aus (15)
Foto: PLOS Medicine/Craig Finn
Clozapin führt häufig zu EKG-Veränderungen. Eine QT-Zeitverlängerung wurden unter Clozapin und Diphenhydramin, dem sedierend wirkenden Antihistaminikum aus dem Fallbeispiel, beobachtet. Es gibt keine Möglichkeit, die Erregungsweiterleitung des Herzens in der Apotheke zu überprüfen. Wichtig ist daher, dass Apotheker die auslösenden Medikamente und Risikofaktoren kennen und den oder die Ärzte bei längerfristiger Comedikation informieren. Zudem sollten sie den Patienten darauf hinweisen, bei alarmierenden Symptomen umgehend den Arzt aufzusuchen. Alarmsignale für eine mögliche Herzrhythmusstörung sind neben Herzrasen auch Schwindel, Benommenheit und Ohnmacht.
Risikofaktoren für das Auftreten von Torsade-de-pointes sind weibliches Geschlecht, Alter über 65 Jahre, koronare Herzerkrankung, Bradykardie und Elektrolytstörungen. Die letzten beiden Faktoren können durch Medikamente maßgeblich gefördert werden, wie im Fallbeispiel durch Hydrochlorothiazid und Metoprolol.
Arzneistoffe, die in den Neurotransmitterstoffwechsel eingreifen, werden nicht nur in psychiatrischen Indikationen eingesetzt. Beispiel: Bupropion ist ein selektiver Wiederaufnahmehemmer von Dopamin und Noradrenalin und wird als Antidepressivum verordnet (Elontril®). Unter dem Handelsnamen Zyban® wird es als Hilfe bei der Raucherentwöhnung vermarktet.
Mit Psychopharmaka werden auch Erkrankungen behandelt, die nicht rein psychiatrisch sind. Der im Antidepressivum Cymbalta® enthaltene Wirkstoff Duloxetin, ein Wiederaufnahmehemmer von Serotonin und Noradrenalin (SNRI), wird als Yentreve® bei Frauen mit Belastungsharninkontinenz verwendet und als Ariclaim® gegen Schmerzen bei diabetischer Polyneuropathie. Das trizyklische Depressivum Amitriptylin, das unselektiv die Wiederaufnahme von Monoaminen hemmt, ist zur langfristigen Behandlung vor allem bei neuropathischen Schmerzen zugelassen.
Ebenso gibt es Arzneimittel, die nach ihrer pharmakodynamischen Funktion Psychopharmaka sind, jedoch keine psychiatrische Indikation haben. Dapoxetin, als Priligy® bei Ejaculatio praecox zugelassen, ist ein selektiver Serotonin-Reuptake-Inhibitor (SSRI). Das Antiemetikum Metoclopramid ist als zentraler Dopaminantagonist ein klassisches Neuroleptikum.
Zurück zum Fallbeispiel
Das Fallbeispiel zeigt wesentliche Probleme und Interaktionen von Antipsychotika auf. Der Apotheker sollte Folgendes berücksichtigen und mit Arzt und/oder Patient besprechen:
Sebastian P. Lenhartstudierte Pharmazie an der Ludwig-Maximilians-Universität München und erhielt 2012 die Approbation als Apotheker. Seitdem ist er als Apotheker auf Station in den kbo-Isar-Amper-Kliniken tätig. Seine Aufgabe ist die Konzeption, Ausführung und Prüfung interdisziplinärer klinisch-pharmazeutischer Arbeit. Zudem arbeitet er in allen Bereichen der Krankenhauspharmazie mit. Seit 2013 ist er in der Weiterbildung zum Fachapotheker für Klinische Pharmazie. Lenhart engagiert sich als Referent zum Thema Medikationsanalyse in den Münchner Qualitätszirkeln sowie bei Apothekertag und Begleitendem Unterricht der Bayerischen Landesapothekerkammer.
Sebastian Peter
Lenhart Drygalski-Allee 118
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