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Enzyminduktion 

Tabakrauch als Interaktionspartner

Verbrennungsprodukte von Tabak induzieren eine Reihe von CYP-Enzymen und greifen dadurch in den Metabolismus einiger Arzneistoffe ein. Insbesondere bei solchen mit enger therapeutischer Breite oder bei einer plötzlichen Änderung des Raucherstatus kann eine Dosisanpassung erforderlich sein. Welche Arzneistoffe betroffen sind. 
Laura Rudolph
09.03.2023  09:00 Uhr

Maßgeblich verantwortlich für die Interaktion von Zigaretten mit einigen Arzneimitteln sind polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), die bei der unvollständigen Verbrennung von Tabak entstehen. Sie induzieren klinisch relevante CYP-Isoenzyme, allen voran CYP1A2 und 2B6, in geringerem Maße auch 3A4 und 2C19. Rauchen führt somit zu einem beschleunigten Abbau und erniedrigten Wirkspiegeln entsprechender Substrate. Ein Rauchbeginn kann unter bestehender Pharmakotherapie eine Dosiserhöhung erfordern, ein Rauchstopp hingegen eine Dosiserniedrigung, was insbesondere bei Wirkstoffen mit enger therapeutischer Breite von Bedeutung ist.

Eine Dosisanpassung aufgrund des Raucherstatus sollte individuell erfolgen. Die Art des Tabaks, die Anzahl der gerauchten Zigaretten pro Tag, genetische Polymorphismen und die ethnische Herkunft bestimmen die CYP-Enzymaktivität mit. Ab etwa zehn Zigaretten pro Tag sollten klinisch relevante Interaktionen in Betracht gezogen werden.

Mit Nikotinersatzpräparaten lassen sich die Auswirkungen eines Rauchstopps auf die Enzymaktivität übrigens nicht kompensieren, da Nikotin nicht an der CYP-Enzyminduktion beteiligt ist. Folglich ist auch nicht davon auszugehen, dass E-Zigaretten zu klinisch relevanten Wechselwirkungen mit Arzneimitteln führen.

Antipsychotika, Antidepressiva und Sedativa

Die PAK aus dem Tabakrauch wechselwirken beispielsweise mit den beiden Neuroleptika Clozapin und Olanzapin, die beide CYP1A2-Substrate sind. Studien zufolge kann die Abbaurate von Clozapin durch Rauchen um bis zu 50 Prozent steigen. Dementsprechend kann ein Rauchstopp zu stark erhöhten Wirkspiegeln führen. Für Olanzapin ist das Interaktionspotenzial geringer, in Studien zeigte sich eine mittlere Konzentrationserniedrigung um etwa 12 Prozent bei Rauchern im Vergleich zu Nichtrauchern.

Ein weiteres Antipsychotikum, dessen Wirkspiegel bei Rauchern signifikant niedriger ausfallen können, ist das CYP2B6-Substrat Risperidon. Weiterhin besitzen Antipsychotika wie Haloperidol, Perphenazin und Chlorpromazin, alle geringe Substrate für CYP1A2, ein Interaktionspotenzial mit moderater klinischer Relevanz.

Auch die Serumspiegel antidepressiver Wirkstoffe, die über CYP1A2, CYP2D6 und CYP3A4 verstoffwechselt werden, sind bei Rauchern nachweislich erniedrigt. Belege hierfür gibt es etwa für Amitriptylin, Escitalopram und Mirtazapin. Ein plötzlicher Rauchstopp könnte durch die erhöhte Serumkonzentration der Wirkstoffe mit vermehrten Nebenwirkungen verbunden sein.

Bei Benzodiazepinen berichten Raucher häufig über einen geringeren sedierenden Effekt als Nichtraucher. Dies könnte auf ein pharmakodynamisches Wechselspiel der dämpfenden

GABAA-Rezeptoragonisten mit dem aktivierenden Nikotin zurückzuführen sein. Bei Rauchstopp gilt es, das Risiko einer gesteigerten Sedierung mit möglicherweise eingeschränkter Fahrtüchtigkeit oder erhöhter Sturzgefahr zu beachten.

Unklar bleibt die Interaktion zwischen Tabakrauch und Methadon. Einerseits induzieren PAK CYP2B6, über das das Substitutionsmittel zu einem großen Teil abgebaut wird. Dies müsste zu einem beschleunigten Methadonabbau und demnach zu geringerer Sedierung führen. Manchmal berichten Raucher aber über verstärkte sedative Effekte, die möglicherweise auf höhere β-Endorphinkonzentrationen, verursacht durch Nikotin, zurückzuführen sind. Ändert ein Patient seinen Raucherstatus, sollte die Methadon-Dosis entsprechend dem individuellen Ansprechen des Patienten auf das Substitutionsmittel angepasst werden.

Die Interaktionen zwischen Rauch und Psychopharmaka sind auch insofern relevant, als dass Menschen mit psychischen Erkrankungen tendenziell häufiger zur Zigarette greifen als Menschen ohne eine solche Erkrankung.

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