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Podiumsdiskussion

Apotheker brauchen mehr Honorar

14.02.2012  18:16 Uhr

Von Daniel Rücker, Davos / Apothekenbetriebsordnung, BtM- Retaxierung und AMG-Novelle. Der Jahresanfang verläuft für die Apotheker turbulent. Entsprechend lebhaft verlief denn auch die gesundheitspolitische Podiumsdiskussion beim Pharmacon Davos.

Im Gegensatz zu anderen Podiumsdiskussionen hatte das Auditorium in Davos die Gelegenheit, vorab Fragen schriftlich einzureichen und so die Themen der Diskussionsrunde vorzugeben. Die thematisch gebündelten Teilnehmerfragen wurden in diesem Jahr von den beiden Mitgliedern des Geschäftsführenden ABDA-Vorstandes, Karin Graf und Dr. Andreas Kiefer, vorgetragen. Das Prozedere strukturierte den Verlauf der Veranstaltung und ermöglichte eine schnelle Abarbeitung der Themen, was in diesem Jahr ohne Frage wichtig war.

 

Konflikte in der Koalition

 

Als Einstieg stellte ABDA-Hauptgeschäftsführer Dr. Sebastian Schmitz das gesundheitspolitische Umfeld für 2012 dar. Dieses sei durchaus bemerkenswert, da es auf der einen Seite kaum politischen Streit zwischen Regierung und Opposition gebe, stattdessen aber innerhalb der Regierung immer wieder Konflikte öffentlich ausgetragen würden.

Insgesamt habe man sich in der Regierung aber offensichtlich darauf verständigt, nach den Belastungen der ersten beiden Jahre nun Wohltaten zu verkünden. Dazu zählten in der Gesundheitspolitik das Versorgungs­strukturgesetz, die geplanten Verbesserun­gen bei der Pflege und das Patientenrechte­gesetz.

 

Den dafür notwendigen finanziellen Spiel­raum habe sich Schwarz-Gelb in den zurück­liegenden Jahren geschaffen. Mit Über­schüssen von rund 9 Milliarden Euro seit 2010 seien die Kassen des Gesund­heits­fonds gut gefüllt. Und auch den Kranken­kassen geht es gut. Schmitz: »Wahrscheinlich können alle im Wahljahr 2013 ihre Zusatzbeiträge streichen.«

 

Für die Versicherten mag dies erfreulich sein, für die Apotheker nicht. Haben doch ihre Einbußen zu diesem Ergebnis beigetragen. In diesem Jahr dürfte dies noch so weitergehen, fürchtet Schmitz. Seine Vermutung stützte er darauf, dass der gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Jens Spahn (CDU), die Belastungen aus dem Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG) nicht schon zum Jahresende 2011 auslaufen lassen wollte und auch erst für 2013 über Änderungen an der Vergütung sprechen will. Dabei geht es um eine kostendeckende Vergütung von Rezepturen sowie des Nacht- und Notdienstes, eine Anpassung der Honorierung und eine faire Basis für die Verhandlungen zum Apothekenabschlag.

 

Die ABDA sieht dennoch die Anpassung des Apothekerhonorars als dringliche kurzfristige Aufgabe. Schmitz: »Unsere größte Baustelle ist die wirtschaftliche Situation der Öffentlichen Apotheken.« Erfolgreich könnten die Apotheker hier jedoch nur sein, wenn sie sich in ihrer Argumentation am Patientennutzen orientierten. Im Jahr 2000 habe der Sachverständigenrat der Bundesregierung eine stärkere Fokussierung auf dieses Kriterium empfohlen. Jetzt werde dieser Rat offensichtlich beherzigt.

 

»Apotheke light« vom Tisch

 

Als erfreulich bezeichnete der ABDA-Hauptgeschäftsführer die Wende der Bundesregierung bei der Priviligierung von Filialverbünden. Mit dem Kabinettsentwurf sei die »Apotheke light« vom Tisch. Schmitz machte aber auch deutlich, dass die ABDA an einigen Passagen des Verordnungsentwurfes noch Änderungen für notwendig hält. Auch im Arzneimittelrechtsänderungsgesetz, das die Basis für die Novelle des Arzneimittelgesetzes (AMG) werden dürfte, gebe es einen sehr positiven Aspekt: Die deutschen Preisvorschriften sollen auch für ausländische Versandapotheken verbindlich werden. Damit würden endlich gleiche Bedingungen für Versender und öffentliche Apotheken herrschen.

 

Gemessen an der Anzahl der Fragen zu diesem Thema stimmt die Einschätzung der ABDA, dass die unzureichende Honorierung das derzeit dringlichste Problem für die Apotheker ist. Viele Kongressteilnehmer fragten, wann die Anpassung komme. Der Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbandes (DAV), Fritz Becker, machte deutlich, dass sein Verband diesem Thema höchste Priorität einräume. Die Forderungen der Apotheker seien bekannt: Die packungsabhängige Honorierung müsse mit Bezug auf Bruttoinlandsprodukt, Inflation und Grundlohnsumme angepasst werden, Nacht- und Notdienst sowie Rezepturen müssten kostendeckend bezahlt werden. Der Apothekenabschlag müsse 2013 auf der Basis von 1,75 Euro verhandelt werden, dabei müsse die von den Krankenkassen verursachte Mehrarbeit der Apotheker berücksichtigt werden.

 

Die Politik muss handeln

 

Becker weiß, dass die Apotheker darauf nicht mehr lange warten können: »Die Politik muss jetzt handeln.« Die beiden zuständigen Ministerien (Wirtschaft und Gesundheit) müssten die Vorschläge der Apotheker nun zügig prüfen.

 

ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf bekräftigte Beckers Forderung. Die Politik habe richtig gehandelt, als sie die Vergütung der Landärzte im Versorgungsstrukturgesetz angehoben habe, um die flächendeckende Versorgung zu sichern. Wenn man die Arzneimittelversorgung auf dem Land sichern wolle, dann müsse man den Nacht- und Notdienst dringend besser vergüten. Der sei heute gerade auf dem Land ein Zuschussgeschäft, sagte Wolf. Wenn man wie in seinem Bezirk alle vier Tage Dienst habe, dann wachse sich dieses Zuschussgeschäft zu einer erheblichen finanziellen Belastung aus. Junge Apotheker, die eine neue Apotheke gründen wollten, schrecke dies ab. Wolf fordert deshalb eine strukturelle Veränderung: »Wir brauchen Kostendeckung beim Notdienst und zwar unabhängig vom Arzneimittelumsatz.« Es müsse eine Pauschale gezahlt werden, von der zumindest das Honorar für einen angestellten Apotheker bezahlt werden könne.

Zurückhaltend ist die ABDA allerdings im Hinblick auf der Honorierung für das Verblistern. ABDA-Geschäftsführer Lutz Tisch hält ein Honorar für das Medikations­management für notwendig, das Verblistern müsse man davon jedoch trennen. Wenn Heime und Krankenkassen für diese Leis­tung nicht bezahlen wollten, dann sei sie womöglich nicht attraktiv. Verblisterer hätten zu dieser Situation selbst maßge­blich beigetragen, indem sie diese Dienst­leistung von sich aus gratis angeboten hätten.

 

Verärgert sind die Apotheker nicht nur wegen der unzureichenden Honorierung, ein großes Problem ist für viele auch das Verhalten der Krankenkassen. Gleich mehrere Teilnehmer fragten, wie lange sich die Apotheker die Unverschämtheiten der Kassen gefallen lassen müssten. Ausgelöst wird der Ärger vor allem durch das unerträgliche Retax-Verhalten einiger Betriebskrankenkassen. Das Auditorium hatte kein Verständnis dafür, dass schon kleinste Fehler zu einer Null-Retaxierung führen. Auch Jurist Tisch bezeichnete die Retaxierungen auf null für rechtlich nicht haltbar. Er machte aber auch deutlich, dass die Anforderungen der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung grundsätzlich zu erfüllen seien.

 

Schmitz bekräftigte Tischs Zweifel an den rechtlichen Grundlagen für Null-Retaxierungen. Beim Musterprozess mit den Ersatzkassen gebe es ein erstes Urteil aus Lübeck. Das Gericht habe die Position der Apotheker bestätigt. Dies sei zwar nur ein erstes Urteil, mache aber Hoffnungen.

 

Die Präsidentin der Bundesapothekerkammer, Erika Fink, machte den Apothekern wenig Hoffnung, dass die steigenden Dokumentierungspflichten zeitnah wieder sinken könnten. Auch sie berate lieber als sich mit bürokratischen Vorgaben zu beschäftigen. Es sei aber nicht realistisch, dass sich der Aufwand für die Dokumentation reduziere.

 

Zuversichtlich zeigte sich Wolf bei der Perspektive für das Zukunftskonzept von ABDA und Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV): »Es wird sich durchsetzen, weil es gut und richtig ist und die Patienten davon profitieren werden.« Er geht davon aus, dass auch die bislang noch zurückhaltenden Krankenkassen den Nutzen dieses Versorgungskonzeptes erkennen werden. So behindere die im ABDA/KBV-Modell vorgesehene Wirkstoffverordnung nicht die Rabattverträge, sie fördere und vereinfache sie. Wenn der Arzt nur noch den Wirkstoff angebe und dieser wie geplant groß auf der Arzneimittelpackung aufgedruckt werde, dann gebe es auch nach einem Austausch niemals Differenzen zwischen den Angaben auf dem Rezept und der abgegebenen Packung. Der Patient werde so nicht verunsichert.

 

Streik in der Diskussion

 

Überraschend wenige Fragen gab es zur Apothekenbetriebsordnung. Diskutiert wurden hier vor allem das verpflichtende Qualitätsmanagement und die Frage, welcher Anbieter das beste Kon- zept habe. ABDA-Geschäftsführerin Dr. Christiane Eckert-Lill ließ keinen Zweifel an ihrer Sympathie für das Angebot der Bundesapothekerkammer. Grundsätzlich sei es aber auch möglich, andere Dienstleister zu wählen oder das System ohne fremde Hilfe aufzubauen. Tisch verwies darauf, dass das Qualitätsmanagement nach den Vorgaben der Apothekenbetriebsordnung dem Stand von Wissenschaft und Technik entsprechen müsse. Dafür sei immer der Apotheker verantwortlich, auch wenn er sich eines Dienstleisters bediene.

 

Angesichts der schwierigen Lage der Apotheker war es kaum verwunderlich, dass Kongressteilnehmer nach der Möglichkeit von Streiks oder anderen Formen des Protestes fragten. Auch Schmitz hält diese Gedanken für naheliegend. Er sieht im Streik aber nur das letzte Mittel: »Streik bedeutet immer das Ende der Gespräche mit der Politik.« Solange Gespräche noch möglich sind, sei Streik der schlechtere Weg. /

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