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Sanacorp

»Wir setzen auf individuelle Unterstützung der Apotheken«

08.02.2011  16:07 Uhr

Von Daniel Rücker / Das Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG) hat die Atmosphäre zwischen Apotheken und Großhandel nicht verbessert. Der neue Vorstandsvorsitzende der Sanacorp, Dr. Herbert Lang, sieht den genossenschaftlichen Großhandel aber weiterhin an der Seite der inhabergeführten Apotheken.

PZ: Viele Apotheker haben das Gefühl, dass der Großhandel sich im Vorfeld zu wenig mit dem AMNOG beschäftigt hat. Sie hätten mehr Widerstand leisten müssen, lautet der Vorwurf.

 

Lang: Ich kenne den Vorwurf, aber ich halte ihn für nicht gerechtfertigt. Natürlich haben wir versucht, über den Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels (Phagro) auf die Politik einzuwirken. Aber das erzählen wir nicht bei jeder Gelegenheit. Generell hat der Phagro einen guten Draht in die Politik. Das hat sich bei der Umsetzung des Belieferungsanspruchs in der 15. AMG-Novelle gezeigt. Dieses Mal konnten wir unsere Forderungen aber leider nicht durchsetzen. Wir haben mit verschiedenen Vertretern der Regierungsparteien gesprochen. Alle haben deutlich gemacht, dass sie die 400 Millionen von Großhandel und Apotheken unbedingt wollen. Da war nichts zu machen. Es ist übrigens nicht so, dass uns alle Apotheker vorwerfen, wir hätten uns falsch verhalten. Es gibt auch viele, die Verständnis für unsere Position haben.

PZ: Dann hat das Verhältnis zu Ihren Kunden keinen Schaden genommen? In der PZ-Redaktion beschweren sich viele Apotheker darüber, dass der Großhandel die Konditionen massiv gekürzt hat und nun die Apotheken die paritätisch vorge­se­hene Belastung allein tragen müssen.

 

Lang: Die Sanacorp als Apothekerunter­neh­men unterhält weiterhin sehr gute und enge Beziehungen zu ihren Kunden. Natürlich kann sich kein Apotheker darü­ber freuen, wenn sich seine Einkaufs­kon­ditionen verschlechtern. Aber wie gesagt: Viele haben auch Verständnis dafür, dass wir nicht anders können. Die Politik hat uns einen Großteil unserer Marge weggenommen, da mussten wir reagieren. Ich kann Ihnen versichern, dass wir gleichzeitig unsere eigenen Kosten überprüft und reduziert haben, etwa bei jeglichen Werbeausgaben bis hin zu Aufwendungen für Dienstreisen. Aber bei einer Umsatzrendite von 0,5 Prozent sind die Möglichkeiten eben beschränkt.

 

PZ: Offensichtlich gibt es Großhandlungen, die das AMNOG nutzen wollen, um die eigene Ertragslage zu verbessern. Vielen Apothekern werden in diesen Tagen Konditionen angeboten, die ihnen deutlich mehr nehmen als die 0,85 Prozent aus dem AMNOG.

 

Lang: Die Sanacorp hat hier sehr klar Stellung bezogen: Wir werden das AMNOG nicht als Ausrede benutzen, um uns zu bereichern. Aber wir stellen das ganze Konditionenmodell auf neue Füße. Es gibt tatsächlich Apotheker, bei denen die Differenz mehr beträgt als die 0,85 Prozent. Das sind aber Kunden, die zu Konditionen gekauft hatten, die wir in der heutigen Zeit nicht mehr aufrechterhalten können. Ebenso gibt es Kunden, bei denen kaum Veränderungen notwendig sind.

 

PZ: Weil sie schon in der Vergangenheit keinen Rabatt bekommen haben?

 

Lang: Das ist möglich. Wir haben Kunden, die nur Skonto bekommen. Das trifft vor allem auf jene Kunden zu, bei denen wir nur Defekt-Lieferant sind. Es existiert nun mal kein genereller Rechtsanspruch auf Rabatt. Damit keine Missverständnisse aufkommen: Rabatte sind ein wichtiges Instrument für den Wettbewerb, aber wir können dafür nicht unseren gesamten Ertrag opfern. Wir haben übrigens nicht nur die 0,85 Prozent Verlust. Das AMNOG und das bereits seit vorigen Sommer geltende GKV-Änderungsgesetz haben noch eine ganze Reihe weiterer Konsequenzen für den Großhandel. Der Importumsatz geht zurück und damit auch die Boni der Importeure an uns. Außerdem belastet uns das Preismoratorium. Denn natürlich versucht die Industrie, unsere Konditionen zu drücken. All das belastet unser Ergebnis zusätzlich.

 

PZ: Um ihren Kunden ein wenig Wind aus den Segeln zu nehmen, hat die Sanacorp eine sogenannte Fairness-Garantie abgegeben. Was verbirgt sich dahinter?

 

Lang: Das ist ganz einfach. Wenn wir durch die Kürzungen im ersten Quartal 2011 ein besseres Ergebnis erzielen als 2010 und 2009, dann schütten wir den Differenzbetrag an unsere Kunden aus. Als Genossenschaft berichten wir umfassend und extern geprüft über die konkrete Unternehmensentwicklung. Deshalb ist dieses Angebot völlig transparent.

 

PZ: Manchen Sanacorp-Kunden reicht Ihr Angebot nicht aus. Sie werfen Ihnen vor, besonders rigoros Konditionen zu kürzen, vor allem bei großen Apotheken mit hohen Rabatten. Es heißt auch, dass Sie über Änderungen in Ihrer Strategie nachdenken.

 

Lang: Wir glauben nicht, dass die Sanacorp rigoroser kürzt als andere Marktbeteiligte. Als Genossenschaft vertreten wir die Interessen von weit über 8000 Mitgliedern. Wir versuchen deshalb immer, solidarisch im Sinne unserer Kunden und Mitglieder zu handeln. Dass es da auch mal zu Diskussionen und Härtefällen kommt, ist nicht zu bestreiten. Wir haben immer betont, dass wir jeweils die Gegebenheiten der einzelnen Geschäftsbeziehung individuell betrachten. Dabei kann es durchaus dazu kommen, dass in Einzelfällen Handlungsbedarf besteht, um bisherige Fehlsteuerungen zu korrigieren. Dazu sind wir unseren Kunden gegenüber verpflichtet.

 

PZ: Apotheker vermuten auch, dass Großhandlungen das AMNOG nutzen, um strategische Ziele der schwächelnden eigenen Kooperationen zu erreichen.

Lang: Ich glaube, dass die Kooperationen insgesamt wieder an Bedeutung gewinnen werden. Sie haben recht, dass sie in den vergangenen Jahren nicht in gleichem Maße wie zuvor im Fokus standen. Angesichts der insgesamt schlechteren Konditionen werden Angebote der Industrie in Zusammenhang mit gemeinsamen Aktionen aber wieder wichtiger. Es ist unbestritten, dass solche Aktionen den Abverkauf und damit den Umsatz ankurbeln. Das wird die Kooperationen wieder nach vorne bringen. Es besteht deshalb aus unserer Sicht keinerlei Veranlassung, über das AMNOG Kunden in unsere Kooperation zu drängen. Die Mitglieder von »meine apotheke« hatten schon immer Vergünstigungen, weil wir die Sonderkonditionen der Industrie weitergeben. Daran ändert sich nichts. Aber eine Quersubvention der Kooperationsmitglieder über schlechtere Konditionen für die anderen Kunden ist nicht möglich. Dazu ist der Wettbewerb zu hart.

 

PZ: Manche Zusammenschlüsse, etwa DocMorris und abgeschwächt auch Linda, bemühen sich intensiv um ein einheitliches Erscheinungsbild der Mitgliedsapotheken. Wollen Sie mit »Meine Apotheke« in eine ähnliche Richtung gehen?

 

Lang: Nein, ganz sicher nicht. Unter den aktuellen Rahmenbedingungen haben wir kein Interesse, die Marke »Meine Apotheke« in der Öffentlichkeit pauschal zu bewerben. Wir setzen auf individuelle Unterstützung der Apotheken, die wollen wir auch weiterhin stärken. Die Kooperationen sind als Antwort auf den möglichen Eintritt von Apothekenketten in den deutschen Markt entstanden. Dann wäre ein einheitlicher Auftritt womöglich wichtig gewesen. Nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs im Jahr 2009 ist diese Gefahr zurzeit nicht allzu groß. Entsprechend gering ist deshalb auch die Notwendigkeit für Kooperationen, Ketten zu simulieren. Auf der anderen Seite müssen wir natürlich den Markt beobachten. Wir stehen im Wettbewerb mit den anderen Kooperationen – auch bei der Industrie. Sie macht dann gute Angebote, wenn gemeinsame Aktionen erfolgreich verlaufen, wenn alle Kooperationsmitglieder mitmachen. Deshalb ist bei aller Individualität eine gewisse Verbindlichkeit gegenüber Herstellern unabdingbar.

 

PZ: Sie haben erklärt, wie sich Ihre Kooperation positioniert. Welche Rolle will Sanacorp insgesamt im Markt spielen?

 

Lang: Wir sind ganz klar positioniert: Die Sanacorp gehört rund 8000 Apothekern. In unserer Satzung steht der Auftrag, die Individualapotheke zu fördern. Wir tun alles, um der selbstständigen Einzelapotheke die bestmöglichen ökonomischen Rahmenbedingungen zu bereiten. Dazu gehören neben Einkaufskonditionen auch optimale Lieferbedingungen. Wir wollen jedem unserer Kunden ein exzellentes und individuell auf ihn zugeschnittenes Leistungspaket anbieten, das seine Apotheke in ihrer Wettbewerbsfähigkeit stärkt.

 

PZ: Sie sehen die Unterstützung der öffentlichen Apotheken als ihr Kerngeschäft. Gilt das nur für Deutschland oder auch in anderen europäischen Ländern? Sie sind ja über die Beteiligung an Sanastera auch in Frankreich und Belgien aktiv.

 

Lang: Der Pharmamarkt wird immer internationaler. Eine ausschließlich nationale Strategie im Großhandel funktioniert in Zukunft nicht mehr, weil auch die nationalen Märkte zunehmend international bestimmt werden. Deshalb sind wir dabei, auf europäischer Ebene die Interessen der Individualapotheken zu bündeln. Dazu haben wir mit dem französischen genossenschaftlichen Großhandel Astera die Sanastera gegründet. Wir können uns gut vorstellen, über Sanastera mit weiteren Partnern zusammenzuarbeiten, auch in anderen Ländern, gegebenenfalls auch in Osteuropa. Es sollten aber immer apothekereigene Unternehmen sein. An eine aktive Akquise anderer Unternehmen denken wir nicht. /

Die Sanacorp hat bundesweit 16 Niederlassungen, aus denen sie rund 9000 Apotheken beliefert. Der Kooperation »Meine Apotheke« gehören rund 2000 Apotheken an. Seit Juli 2010 ist Dr. Herbert Lang Vorstandsvorsitzender der Sanacorp.

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