Grippe-Welle sorgt für Engpässe |
08.02.2011 17:48 Uhr |
Von Arndt Striegler, London / Winterkrise im staatlichen britischen Gesundheitswesen: Grippe und andere virale Infektionskrankheiten sorgen in den britischen Krankenhäusern derzeit für erhebliche Versorgungsengpässe. Landesweit haben mehr als 60 Kliniken die Patientenaufnahme in nicht dringenden Fällen gestoppt, da alle Betten belegt sind.
Es handelt sich um die schwerste Versorgungskrise seit Jahrzehnten. Krankenhäuser in Liverpool, London, Norwich, Derby und Great Yarmouth gaben inzwischen sogenannte »black alerts« aus. Dabei handelt es sich um Warnungen der höchsten Alarmstufe, die bedeuten: alle Betten sind belegt. Tausende Operationen wurden daraufhin abgesagt.
Die Grippe stellt das britische Gesundheitswesen auf eine harte Probe.
Foto: Fotolia/Sandor Jackal
Berichten zufolge herrschen zum Teil chaotische Zustände in den Krankenhäusern. In zahlreichen Londoner Kliniken des staatlichen Gesundheitsdienstes (National Health Service, NHS) müssen Patienten in den Ambulanzen sechs Stunden oder länger auf eine fachärztliche Konsultation warten. Notbetten stehen mittlerweile auf vielen Stationsfluren, um alle Patienten unterbringen zu können.
»Grippe, Norovirus-Infektionen und andere oftmals winterbedingte Krankheiten drohen, den NHS lahmzulegen«, heißt es beim britische Ärztebund (British Medical Association, BMA). Und: »So schlimm war es seit Jahrzehnten nicht mehr!«
Britische Apotheker berichten ebenfalls über winterbedingten Zusatzbetrieb. Patienten, die keine Konsultation bei ihrem Hausarzt bekommen, weichen immer öfter in die Apotheke aus. Das gilt laut Apothekerverband (Royal Pharmaceutical Society, RPS) sowohl für das Einlösen von Wiederholungsrezepten als auch für bestimmte diagnostische Leistungen wie Blutdruckmessungen und Sehtests.
Politik und Verwaltung in der Kritik
Nach Angaben des Londoner Gesundheitsministeriums kamen allein im Januar mehr als 1200 Patienten, die sich mit dem Norovirus infizierten hatten, neu in eine Klinik. Diese Betten fehlen für andere Patienten. Auch für die kommenden Wochen rechnet das Gesundheitsministerium mit erheblichen Versorgungsengpässen. Das gelte besonders für die NHS-Intensivmedizin, da hier zurzeit überdurchschnittlich viele schwer erkrankte Grippe-Patienten untergebracht seien.
Fachärztliche Berufsverbände kritisierten Gesundheitspolitiker und Krankenhausverwaltungen. »Das Frustrierende an dieser Situation ist die Tatsache, dass alles vorhersehbar war und dass trotzdem seitens der Politik und seitens der Bürokratie nicht genug unternommen wurde, um rechtzeitig zusätzliche Kapazitäten zu schaffen«, sagte ein BMA-Sprecher gegenüber der Pharmazeutischen Zeitung in London. /