Fettleber auch ohne Alkoholeinfluss |
08.02.2011 17:36 Uhr |
Von Maria Pues, Frankfurt am Main / Alkohol ist die bekannteste Ursache für Leberzirrhose. Aber auch andere Faktoren wie Überernährung, ein hoher Fructosekonsum und einige Medikamente erhöhen das Risiko für eine Leberverfettung, aus der sich eine Zirrhose entwickeln kann.
Eine Leberzirrhose kommt von übermäßigem Alkoholkonsum. Das stimmt oft, aber längst nicht immer. Dass es auch andere Verursacher gibt, weiß man seit über 30 Jahren. Seinerzeit fand man vergleichbare Leberveränderungen bei einigen Patienten, die mit Glucocorticoiden behandelt worden waren. Inzwischen hat man weitere Faktoren identifiziert, darunter Fructose, wenn sie in großen Mengen konsumiert wird. Der Kenntnisstand ist gewachsen, trotzdem müssen viele Patienten nicht nur mit ihrer Erkrankung leben, sondern auch mit den Vorurteilen, die sich mit diesem Krankheitsbild verbinden. Sie müssen sich die Frage gefallen lassen: »Trinken Sie?«
»Säuferleber« ohne zu saufen: Auch reichliches Essen kann die Leber verfetten lassen.
Foto: Fotolia/olly
Rund 15 bis 30 Prozent der Bevölkerung leiden an einer Steatose, einer Leberverfettung, erläuterte Professor Dr. Jörg Bojunga von der Uniklinik der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt am Main bei einem Klinikworkshop zum Thema Lebererkrankungen. Rund 10 bis 30 Prozent der Betroffenen entwickeln eine NASH, eine Nicht-alkoholische Steatosis Hepatitis. Bei wiederum einem Drittel von diesen Patienten bildet sich eine Fibrose beziehungsweise Zirrhose, bei der das Lebergewebe nach und nach bindegewebig umgebaut wird und seine Funktionen allmählich einbüßt. Wie viele Patienten in der Folge an einem hepatozellulären Karzinom erkranken, ist nicht bekannt. Auch Prognosen über den individuellen Verlauf der Erkrankung für den einzelnen Patienten lassen sich kaum erstellen. Bei etwa der Hälfte der Betroffenen schreitet die NASH fort, bei der anderen Hälfte kommt sie zum Stehen.
Was das Risiko erhöht
Als wichtige Risikofaktoren für eine Leberverfettung lassen sich heute Typ-2-Diabetes, erhöhte Triglyceridwerte, ein zu hoher Blutdruck und viszerale Adipositas nennen. Auch Arzneimittel stehen im Verdacht, das Risiko zu erhöhen. Die Antiarrhythmika Amiodaron und Dronedaron gehören dazu, synthetische Estrogene in hohen Dosen sowie eine Dauerbehandlung mit Corticoiden.
Häufig kommt ein Risikofaktor nicht allein. Und häufig spüren die Patienten lange Zeit nichts von den Veränderungen in der Leber. Druck im rechten Oberbauch und Appetitlosigkeit können sich nach einer gewissen Zeit einstellen. Manche Patienten klagen über Müdigkeit und mangelnde Leistungsfähigkeit im Alltag. Noch zuvor müssen sie jedoch damit rechnen, dass ihre metabolische Situation sich verschlechtert, was wiederum das Risiko für die Leber erhöht. Im Laborbefund zeigt sich zuweilen ein unspezifischer Anstieg von Leberwerten und gegebenenfalls von Entzündungsparametern, die jedoch kein Maß für die Bindegewebsbildung darstellen. Auch eine reguläre Ultraschalluntersuchung ist meist wenig aufschlussreich über den Zustand der Leber. Die Veränderungen lassen sich in der Regel erst mit einer Biopsie nachweisen. Diagnostische Hinweise geben zudem neue, spezielle Ultraschalluntersuchungen. Mit ihnen lässt sich die Elastizität des Lebergewebes bestimmen, was Rückschlüsse auf eine Leberfibrose zulässt. Sogar über mögliche Komplikationen wie Ösophagusvarizen ließen sich damit Voraussagen machen sowie Hinweise für die Auswahl geeigneter therapeutischer Konzepte erhalten, berichtete Bojunga.
Die Fettleber (Steatose) ist eine häufige Erkrankung der Leber mit reversibler Einlagerung von Fett (hauptsächlich Triglyceride) in die Leberzellen. Sie beruht auf einer Störung des Fettsäure- und Triglyceridstoffwechsels der Hepatozyten. Die Hauptursache ist Überernährung. Daneben können auch Alkoholmissbrauch, manche Medikamente und Toxine, Diabetes mellitus, Eiweißmangel oder Leberstauung zu einer Verfettung führen. Wenn zusätzlich Zeichen einer Entzündung auftreten, spricht man von einer Steatohepatitis. Hauptmaßnahmen der Therapie sind: Reduktion der Kalorienzufuhr, Steigerung des Kalorienverbrauches, körperliche Aktivität und Alkoholkarenz.
Eine medikamentöse Therapie zur Behandlung der NASH gibt es nicht. Ob Vitamin E den Verlauf aufhalten kann, wird seit Jahren diskutiert. Einige Studien weisen darauf hin, Bojunga ist eher skeptisch. Eine Verminderung der Insulinresistenz sowie die Verbesserung einiger Leberwerte ließen sich in einer Studie für den Insulin-Sensitizer Pioglitazon zeigen. Allerdings nahmen die Teilnehmer in der Verumgruppe in 120 Wochen rund 3 kg an Körpergewicht zu, was den Therapieerfolg wieder schmälert. Eine weitere Studie zeigte einen positiven Effekt für Vitamin E, konnte in der Wirkung von Pioglitazon jedoch keinen Unterschied zu Placebo feststellen. Für die Nebenwirkung Gewichtszunahme jedoch schon: Durchschnittlich fast 5 kg mehr brachten die meist ohnehin adipösen Teilnehmer der Verumgruppe nach Studienende auf die Waage.
Fasten schadet der Leber
Im Mittelpunkt der Therapie stehen daher Veränderungen des Lebensstils. Dabei kann man mit wenig Aufwand bereits viel erreichen. Körperliche Betätigung mindestens dreimal pro Woche für 30 bis 45 Minuten ist ein wichtiges Element der Behandlung. Ziel der körperlichen Aktivität sei dabei ausdrücklich nicht primär eine Gewichtsabnahme, betonte Bojunga. Denn auch ohne Rückmeldung von der Waage kommt es zu einer positiven Änderung der metabolischen Schieflage. Der Leberfettgehalt sinkt, und oft bessert sich das Befinden der Patienten. Hilfreich sei, die »Screen-Time«, die Zeit, die man vor irgendwelchen Bildschirmen verbringt, zu begrenzen. Eine spezielle Diät ist nicht notwendig. Am Besten ist es, sich ausgewogen und vollwertig zu ernähren. Fastenkuren sind dabei ausdrücklich zu vermeiden. »Für den Metabolismus ist Fasten Unsinn«, betonte Bojunga. »Und der Leber kann dies schaden, da durch einen Energiemangel der Leberstoffwechsel reduziert wird.« Bei einem ansonsten Gesunden wirke sich das meist nicht aus. In Extremfällen könne man aber sogar eine Fettleber durch Hungern hervorrufen.
Steatose (Leberverfettung): < 50 Prozent der Hepatozyten speichern Fett
Fettleber: > 50 Prozent der Hepatozyten speichern Fett oder > 5 Prozent des Lebergewichtes besteht aus Fett
Steatohepatitis: Leberzellschaden, entzündliche Zellinfiltrate und/oder Fibrose
Vor allem riet er, gesüßte Getränke und »Diät-Lebensmittel« zu vermeiden. Denn oft enthalten diese Fructose-Glucose-Sirup oder Maisstärkesirup. Die Leber verstoffwechsele Fructose in ähnlicher Weise wie Alkohol, so Bojunga. Und das offenbar mit ähnlichen Folgen. Bereits vor zwei Jahren zeigte eine Studie, dass die Gefahr, eine nichtalkoholische Fettleber zu entwickeln, mit dem zunehmenden Konsum Fructose-gesüßter Getränke steigt. Ausdrücklich begrüßte der Referent daher die Stellungnahme des Bundesinstituts für Risikobewertung, sogenannte Diabetikerlebensmittel ersatzlos zu streichen. /